189.129 Brief RA Johann Turnovsky an Samek

Materialitätstyp:

  • Typoskript

Sender

JUDr. JOHANN TURNOVSKY | Advokat
Vodičkova 33
Prag
Datum: 8.11.1935
Betreff: Karl Kraus – Dr. Kassowitz | / Gegenangriff / – Strafsache

Empfänger

An: P.T. | Herrn Dr. Oskar Samek, Advokat
Reindorfgasse 18
Wien – XIV
Seite von 4

Sehr geehrter Herr Doktor.

In der Strafsache K.K. ca: Dr. FriedrichKassowitz / Gegenangriff / dürfte Ihnen Herr K. mitgeteilt haben,dass der Beschuldigte die Bedingungen des gemäss § 26 des Ehren-schutzgesetzes herausgegebenen Gerichtsbeschlusses nur teil-weise erfüllt hat. Er hat es abgelehnt, mir den Nachweis darübervorzulegen, dass er den Sühnebetrag zu Gunsten der Arbeitslosender Hauptstadt Prag per 200 Kč bezahlt hat, ferner hat er auchdie zu bezahlenden Prozesskosten per 270.– Kč nicht rechtzeitig,nämlich in zwei Raten, deren letzte nach Ablauf der Leistungs-frist erlegt worden ist, überwiesen.

Da es ja ausserordentlich interessantwar, festzustellen, ob und wann die den Arbeitslosen zugedachteSumme erlegt worden ist, habe ich bei Gericht den Antrag gestelltder Angeklagte möge zur Vorweisung der Zahlungsbestätigung überdiese 200 Kč aufgefordert werden. Dieser Aufforderung hat er bis-her nicht entsprochen, sodass ich allen Grund habe, anzunehmen,dass er diesen Betrag bisher überhaupt nicht bezahlt hat.

Da die Frist zur Ueberreichung derAnklageschrift Morgen abläuft und die vom Gerichte bestimmteSatisfaktion nur dann für angemessen angesehen werden kann, wenn

alle Bedingungen des Gerichtsbeschlusses erfüllt werden, habeich heute die Anklageschrift verfasst und in dieser mit Nach-druck auf das Verhalten des Angeklagten verwiesen. Ich werdedie Anklageschrift Morgen überreichen lassen und wirklich neu-gierig, ob die Herren vom Gegen-Angriff tatsächlich die Unver-frorenheit hatten, gerade die Bedingung, 200.– Kč für die Arbeitslo-sen zu erlegen, zu ignorieren.

Betrifft: Gegen-Angriff § 1330 A.B.G.B.

Der durch das rechtskräftige Urteil angeordneteWiderruf wurde in der heute erschienenen Nummer abgedruckt.

Ich schliesse diese Nummer bei. Unerhört findeich den Artikel Oesterreich – Hintergründe und Perspektiven.Die Stupidität dieser Art von Presse ist wirklich unbegreiflich.

Betrifft: FACKEL-Auslieferungsvertrag / KrausMelantrich /

Ich bestätige mit bestem Danke den EmpfangIhres frdl. Schreibens vom 6. d.M. Ich habe die beglaubigten Ueber-setzungen jener Korrespondenz, deren Vorlage der Melantrich-Verlag deswegen abgelehnt hat, weil sie an Münzer gerichtet war, beiGericht überreicht und mit dem Richter gesprochen. Dieser konntejedoch immer noch nicht über alle Details orientiert sein, weildie vom Melantrich vorzulegenden Uebersetzungen bei Gericht nochnicht eingelangt sind. Ich werde in einigen Tagen feststellen, obdie Uebersetzungen schon im Akte sind und dann nochmals versuchen,mit dem Richter zu sprechen und ihn auf die einzelnen wichtigenPunkte aufmerksam zu machen. Er ist allerdings ein sehr verschlos-sener Mensch, der die Parteien und deren Vertreter nur sehr ungern

an sich heranlässt und in seinen Aeusserungen so vorsichtig ist,dass man nie weiss, wie man mit ihm daran ist. Vielleicht wird ereinen in Form eines Beweisantrages gefassten vorbereitendenSchriftsatz zulassen. Ich werde dann nach dieser Rücksprache Ihrfrdl. Schreiben vom 6. d.M. meritorisch beantworten.

Inzwischen zeichne ich mit besten Grüssen undder Bitte, mich auch Herrn Kraus zu empfehlen,

in vorzüglicher Hochachtung Ihr ergebener:Dr. Turnovsky

1 Beilage.

Kraus – diverses9. NOV. 1935