193.97 Brief RA Johann Turnovsky an Samek

Materialitätstyp:

  • Typoskript mit handschriftlichen Überarbeitungen
  • Typoskript mit handschriftlichen Annotationen

Schreiberhände:

  • Johann Turnovsky, schwarze Tinte

Sender

JUDr. JOHANN TURNOVSKY | Advokat
Vodičkova 33
Prag
Datum: 23.IV.1936

Empfänger

An: P.T. | Herrn JUDr. Oskar Samek, | Rechtsanwalt
Reindorfgasse 18
Wien – XIV
Datum: 24.APR.1936
Seite von 4

Sehr geehrter Herr Doktor.

Ich erhielt Ihr frdl. Schreiben vom 21. d.M.,welches sich mit meinem gestrigen Schreiben gekreuzt hat unddurch dieses zum Teil erledigt ist.

In der Sache SOZIALDEMOKRAT habe ich beider Urteilsverkündigung um Zustellung einer Abschrift des Ur-teiles ersucht, sodass die Frist zur Ausführung der Nichtigkeits-beschwerde gemäss § 285 vom Tage der Zustellung der schriftli-chen Ausfertigung laufen wird. Ich befasse mich gerade mit demStudium der einschlägigen Judikatur und hoffe jenen Fall fest-stellen zu können, in welchem ähnlich wie in unserem Falle ju-diziert worden ist. Ich werde natürlich der Ausarbeitung derBeschwerdegründe die grösste Sorgfalt widmen und hiebei aufIhre Anregungen Bedacht nehmen.

Meinem gestrigen Berichte möchte ich nochnachtragen, dass ich heute vom Anwalte der LIDOVÉ NOVINY, Dr.Bohuslav Havlík aus Brünn, darüber verständigt wurde, er habedem verantwortlichen Redakteur dieser Zeitung die Veröffent-lichung der Berichtigung empfohlen, wiewohl er glaubt, dass sienicht ganz dem Gesetze entspricht / es wurde die Berichtigungder Behauptung verlangt, dass das Gericht die Beweise beider

Parteien teilweise durchgeführt hat, also einer Behauptung,welche nicht den Berichtigenden, sondern das Gericht betrof-fen hat – dies ist zwar unrichtig, denn auch diese Behaup-tung hat Herrn K. betroffen –/. Trotzdem ist diese Berichti-gung in vollem Umfange in Nr. 204 der LIDOVÉ NOVINY vom 22.IV.1936 veröffentlicht worden.

Der inzwischen von seiner Urlaubsreise zurück-gekehrte Herr Dr. Gallia, an den ich mich über Wunsch desHerrn K. in Angelegenheit der Autorschaft des Artikels vom10.VIII.1934 gewendet habe, teilt mir mit, dass Herr K. nichtvon ihm erfahren haben kann, dass der Autor des inkriminier-ten Artikels Herr Dr. Brügel ist, ihm sei über den Urheberdes Prager-Artikels leider gar nichts bekannt und er habeauch keine Ahnung, woher Herr Kraus die Mitteilung erhaltenhaben mag, dass der Artikel von Dr. Brügel stamme. Herr Dr.Gallia teilt ferner mit, er werde über meinen Wunsch gernebei der Oberstaatsanwaltschaft, resp. bei der Generalprokura-tur wegen Erhebung der Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrungdes Gesetzes intervenieren.

Wollen Sie bitte Herrn Kraus ferner mitteilen:Wie mir von der Advokatenkammer bekanntgegeben wurde, wirddiese vom Strafbezirksgerichte über die Verurteilung des Dr.Schwelb offiziell verständigt werden. Ich werde feststellen,ob dies geschehen ist und falls es bisher nicht geschehensein sollte, veranlassen, dass die Verständigung erfolgt.Der Direktor der Kammer, der grosse Erfahrungen in Disziplinar-

angelegenheiten hat, bemerkte auf meine Mitteilung und An-frage bezüglich der Zulässigkeit der Informierung des Press-Büros über den Verlauf eines Prozesses durch einen Advokaten(und der übrigen Tagespresse), dass darin kein Disziplinarver-Inf. nur von Schwelb gehen erblickt werden könne, insoferne es sich nicht um fal-sche Informationen handelt und insbesondere nicht, wenn derAnwalt diese Informationen über Wunsch seines Klienten er-teilt. Dass dies geschehen ist oder zumindest im Diszipli-narverfahren behauptet und nachgewiesen werden kann, scheintmir unzweifelhaft.

Was nun die Ueberreichung der Berichtigungs-klagen anbelangt, so werden Sie, sehr geehrter Herr Doktor, mei-nem gestrigen Schreiben entnommen haben, dass ich die Aussich-ten eines solchen Einschreitens gerade im Falle des PRAGERTAGBLATT für nicht sehr gross halte. Stärker scheint mir derStandpunkt in Angelegenheit SOZIALDEMOKRAT, aber auch in die-sem Falle kann ich nicht unbedingt Erfolg versprechen, es wäredenn, dass Herr K. von vornherein damit einverstanden ist, dassgegebenenfalls eine vom Gerichte abgeänderte Berichtigung zurVeröffentlichung gelangt.

Ich erbitte mir diesbezüglich die Weisungendes Herrn K., dem Sie meine besten Grüsse bestellen wollen.

Ich zeichne mit besten Grüssen an Sie und invorzüglicher Hochachtung ergebener:Dr. Turnovsky

Kraus24. APR. 1936