193.105 Brief Samek an Brünner Tagesbote (verantw. Red. Albert Weiss)

Materialitätstyp:

  • Durchschlag

Sender

Oskar Samek
Reindorfgasse
Prag
Datum: 29.IV.1936

Empfänger

An: den | verantwortlichen Redakteur des Morgenblatt TAGESBOTE | Herrn Albert Weiss
Rašínova 7
Brünn
Seite von 2

Als Rechtsanwalt des Herrn Karl Kraus,Herausgebers der Zeitschrift „Die Fackel“ in Wien, und in dessenAuftrage ersuche ich Sie im Sinne des § 11 der Strafgesetznovelle um die Veröffentlichung der nachstehenden Berichtigung der in derNummer 178 des TAGESBOTE vom 16.IV.1936 unter dem Titel „Karl Krau[s]gegen das Prager-Blatt ‚SOZIALDEMOKRAT“ veröffentlichten Nachrich[t.]

Hochachtungsvoll:

Pressberichtigung

der in der Nummer 178 des „Tagesbote“ vom 16.IV.1936 unter demTitel „Karl Kraus gegen das Prager Blatt Sozialdemokrat“ ver-öffentlichten Nachricht.

Es ist unwahr, dass sich der Privatkläger besonders durch den Vorwurf beleidigt fühlte, dass er sich demösterreichischen Regime gleichgeschaltet habe,

wahr ist vielmehr, dass er im gleichenMasse diese, als auch zahlreiche andere dem wahren Sachverhaltewidersprechende Behauptungen für beleidigend erachtet und des-halb die Klage überreicht hat.

Es ist unwahr, dass bei der am 15.IV.1936abgehaltenen letzten Hauptverhandlung das Gericht die Einwendungen

des Vertreters des Angeklagten für richtig erklärt und das Urteilverkündet hat, mit welchem Dr. Emil Strauss von der gegen ihn erho-benen Anklage freigesprochen wird,

wahr ist vielmehr, dass das Gericht beider am 15.IV.1936 abgehaltenen Verhandlung lediglich die eine Ein-wendung seinem freisprechenden Urteile zu Grunde gelegt hat, dassder Privatkläger gemäss § 18 des Ehrenschutzgesetzes des Klage-rechtes deswegen verlustig geworden sei, weil er sich in einem spä-ter von ihm gegen den Angeklagten angestrengten Prozesse, in welchemsich dieser zur Veröffentlichung einer Ehrenerklärung wegen ähnli-cher Beleidigungen, zur Bezahlung der Verfahrens- und Anwaltspesenund zu einer Busse zu Gunsten der Arbeitslosen der Hauptstadt Prag verpflichtete, die Weiterverfolgung der im ersten Prozesse unterAnklage gestellten Beleidigungen nicht vorbehalten hat.

Karl Kraus.