193.108 Brief RA Johann Turnovsky an Samek

Materialitätstyp:

  • Typoskript

Sender

JUDr. JOHANN TURNOVSKY | Advokat
Vodičkova 33
Prag
Datum: 4. Mai 1936
Betreff: Kraus – Sozialdemokrat

Empfänger

An: Herrn Dr. Oskar Samek, | Rechtsanwalt
Reindorfgasse 18
Wien XIV.
Seite von 4

Sehr geehrter Herr Doktor!

Ich erhielt Ihren frdl. Brief von 30. d.Vm. in Angelegenheit „Berichtigung Soz.Dem.“ Ich werde wohl Gele-genheit haben, diese Angelegenheit mit Herrn K. heute zu bespre-chen, da er sich telegrafisch zu einem kurzen Aufenthalte inPrag avisiert hat. Trotzdem möchte ich Ihnen meine Ansicht überdie Rechtslage auch noch bekanntgeben.

Die Bedeutung des § 13 Z. 3 der Pressgesetz-novelle ist durch die Kommentare nicht genügend klargestellt. Mansollte aus dieser Bestimmung, wie Sie in Ihrem Schreiben bemerken,schliessen können, dass es möglich ist, eine bereits eingesendeteBerichtigung zurückzunehmen und die Veröffentlichung einer abge-änderten Berichtigung zu begehren. Mir ist nur die Praxis des Re-kurssenates in Berichtigungsangelegenheiten bekannt; oberstgericht-liche Entscheidungen liegen nicht vor. In einem Falle wurde wegenVerweigerung der Veröffentlichung der eingesendeten nicht ganzkorrekten Pressberichtigung das Verfahren nach § 14 eingeleitetund das Gericht hat zu Recht erkannt, dass der verantwort. Redak-teur nicht verpflichtet ist, die dem § 11 Absatz 1, zweiter Satz,

nicht entsprechende Berichtigung zu veröffentlichen. Nach dieserEntscheidung hat der Berichtigende dem Blatt in der noch offenenFrist eine zweite dem § 11 angepasste Berichtigung eingesendet,deren Veröffentlichung abermals verweigert wurde. Im Verfahrennach § 14 hat das Gericht zu Recht erkannt, dass der verant. Redak-teur nicht verpflichtet ist, die zweite Berichtigung zu veröffent-lichen, wiewohl sie dem Gesetze entspricht und diese Entscheidungdamit begründet, man könne dem verantwortlichen Redakteur nichtzumuten, die Berichtigung einer Nachricht zweimal zu prüfen resp.von dem Rechtsanwalte prüfen zu lassen, es handle sich, trotzdemdie erste Berichtigung dem Gesetze nicht entsprochen hat, währenddie zweite einwandfrei war, doch um bis in idem und man müsse daherannehmen, dass dem verantwortlichen Redakteur die Veröffentlichungdieser abgeänderten Berichtigung nicht auferlegt werden dürfe.Diese Entscheidung hat der Rekurssenat bestätigt.

Ein Fall, wie der unsrige, ist dermalen anhängig, abernoch nicht entschieden.

Das Gericht scheint aus dem Wortlaut des § 11 und ausdem insbesondere in diesem Paragrafen verwendeten Singular trotzder Bestimmung des § 13 Z. 3 zu schliessen, dass veröffentlichteNachrichten von dem Betreffenden nur einmal berichtigt werdendürfen.

Deswegen hatte ich Bedenken, dem „Soz.Dem.“ eine zwei-te abgeänderte Berichtigung einzusenden, umsomehr, als ich mitBestimmtheit annehmen zu dürfen glaube, dass der verantw. Redakteur ohne Verfahren nach § 14 die Berichtigung selbst dann nicht ge-bracht hätte, wenn sie dem § 11 voll entsprechen würde.

Vielleicht wird es möglich sein, das Judikat in die-

ser zweiten oberwähnten Angelegenheit abzuwarten und dannerst die abgeänderte Berichtigung einzusenden. Sollte es dahinlauten, dass man die Veröffentlichung der Berichtigung einerNachricht, im Falle Ablehnung der Veröffentlichung der erstendurch eine zweite abgeänderte verlangen darf, dann kann manja immerhin die Einsendung der abgeänderten Berichtigung riskie-ren.

Ich erbitte die Bekanntgabe Ihrer Ansicht überden hier reproduzierten Stand der Judikatur und zeichnemit besten Grüssen Ihr hochachtungsvoll

ergebenerDr. Turnovsky

KrausSozialdemokrat5. MAI 1936