193.120 Entwurf eines Antrags auf Einleitung des Strafverfahrens gegen Emil Strauss und Egon Schwelb wegen Vergehens gegen den Schutz der Ehre (Übersetzung)

Schreiberhände:

  • Oskar Samek, schwarze Tinte
  • Bleistift

Materialitätstyp:

  • Typoskript mit handschriftlichen Überarbeitungen
  • Typoskript mit handschriftlichen Annotationen
Datum: 26. Mai 1936
Seite von 4

Uebersetzung.

I. In der Nummer 90 der Tageszeitung „Sozialdemokrat“vom 16.4.1936 ist unter dem Titel „Karl Kraus verliert einenProzess“ ein vom Angeklagten Dr. Egon Schwelb verfassterBericht erschienen. In diesem Berichte wird über die in derPressestrafangelegenheit des Privatklägers gegen Dr. Emil Strauss,G.Z. Tk VI 8789/34 dieses Gerichtes am 15.4.1936 abgehalteneHauptverhandlung berichtet, und zwar in einer Weise, durch welcheder Leser den Eindruck gewinnen soll und muss, dass der in demerwähnten Prozesse angeklagte Dr. Emil Strauss auf Grund deserbrachten, resp. gelungenen Wahrheitsbeweises freigesprochenworden ist. Dies ist jedoch unwahr, denn er wurde vielmehrlediglich aus dem von seinem Verteidiger geltendgemachtenGrunde des § 18 des Ehrenschutzgesetzes freigesprochen.

In dem Artikel vom 16.IV.1936 w e i rd en die ein Teil der Beleidigungen,{derentwegen im Prozesse Tk VI 8789/34 die Anklagegegen Dr. Emil Strauss erhoben werden musste} ein Teil aus wohlerwogenen Gründen unterdrückt, {wiederholt, } und es wird aber-mals als neu die Tatsache behauptet, der Privatkläger habe in der im Juli 1934 erschienenen ‚Fackel‘ eindeutig für die Regierungder Herren Dollfuss und Starhemberg undgegen das österreichischeProletariat und seine heldenhaften Schutzbündler Stellung genom-men.

Beweis: Der inkriminierte Artikel vom 16.IV.1936 /Original und beglaubigte Uebersetzungin die Staatssprache/, Akten Tk VI 8789/34dieses Gerichtes.

Der Inhalt dieses, von dem Angeklagten Dr. Egon Schwelb verfassten Artikels ist nicht etwa ein objektiver Prozessbericht.Dieser Artikel enthält diente vielmehr dazu – ganz abgesehen von der tendenziösenSchilderung des Prozessverfahrens und der, den Leser irreführendenDarstellung des Sachverhaltes – den Privatkläger beleidigende von Neuem Behauptungen zu beleidigen . Insbesondere die Behauptung, der Privatkläger habe

in der im Juli 1934 erschienenen Fackel eindeutig für die Regie-rung der Herren Dollfuss und Starhemberg und gegen das österrei-chische Proletariat und seine heldenhaften Schutzbündler Stellunggenommen, stellt eine abermalige ungeheuerliche Beleidigung des Privatklägers dar, der nach der Absicht des Autors vor dem Leser dadurch herabgesetztund verächtlich gemacht werden soll, dass von ihm behauptet wird,er habe für das im „Sozialdemokrat“ ständig als verabscheuungs-würdig bezeichnete Regime und „gegen die heldenhaften Schutz-bündler“ Stellung genommen. ideale Gesinnung, Heldentum und Opfermut verunflimpft. Er wird also in diesem Artikel aber-mals einer Handlung und Haltung bezichtigt, die vo m n der Leserschaft die-ses Blattes als unsittlich und verwerflich angesehen werden muss.

Diese wahrheitswidrige Behauptung wurde vom Autor des als Prozessbericht aufgemachten Artikels / der jedoch nichtsanderes ist, als ein Schmähartikel, in welchem frühere beleidi-gende Behauptungen wiederholt und eine neue hinzugefügt wird werden , in voller Kenntnis der Tatsacheaufgestellt, dass der Privatkläger niemals, also auch nichtin der im Juli 1934 erschienenen ,Fackel‘, gegen das österrei-chische Proletariat und seine Schutzbündler, sondern immer,insbesondere auch in dieser ‚Fackel‘ damals für das Proletariat unddie Schutzbündler als Opfer ihrer Führer Stellung genommen hat.Zu erwägen geben Es war und ist dem Schreiber des inkriminierten Artikels bekannt,dass der Privatkläger, neben zahlreichen anderen Stellen gleichenInhaltes, auf S. 236 der im Juli 1934 erschienenen ‚Fackel‘ das F f olgendes geschrieben hat: „Ehre dem Andenken jedes dieser ärmstenTodesmutigen, die das hohle Wort des Demagogen getrieben hatte,als sie ‚die Demokratie verteidigten‘, und deren Tragik ebendarin besteht, die Phraseninhalte gar nicht gekannt oder ihnenmehr geglaubt zu haben als die, die sie ermassen.

Aus diesem Heft wird sich erweisen lassen Schon aus dieser einen zitierten Stelle gehthervor, dass der Angeklagte Dr. Egon Schwelb in dem inkrimi-nierten Artikel wissentlich über den Privatkläger Tatsachen be-

richtet hat, die unwahr sind, und dass er mit diesem Berichte ledig-lich den Zweck verfolgt, ihn in der allgemeinen Meinung verächt-lich zu machen und herabzusetzen.

Beweis: Die zitierte Stelle aus d er ie ‚Fackel‘ vom Juli1934, aus der bloß Angriffe gegen die Führer und eine Ehrung der Geführten und Geopferten hervorgeht, der inkriminierte Artikel.

III. Der zweite Angeklagte Dr. Emil Strauss ist nicht nurverantwortlicher Redakteur des „Sozialdemokrat“, sondern Funktionärder deutschen Sozialdemokratischen Partei, ein massgebender Mit-arbeiter und Mitglied der Redaktion dieses Hauptorganes der Partei.Der von seinem Parteigenossen und Anwalt, Dr. Egon Schwelb, ver-fasste, sogenannte Prozessbericht hat seine Sache betroffen,denn er war im Prozesse Tk VI 8789/34 angeklagt. Es kann dahernicht dem geringsten Zweifel unterliegen, dass der inkriminierteArtikel mit Wissen und Willen dieses Angeklagten veröffentlichtwurde und, dass auch ihm, ebenso wie dem Autor Dr. Egon Schwelb die Unwahrheit der über den Privatkläger veröffentlichten Behaup-tungen bekannt war.

Beide Angeklagten haben sich daher des Vergehensnach § 1–3 des Gesetzes No. 108/1933 schuldig gemacht.

Es wird daher der Antrag auf Einleitung des Straf-verfahrens gegen beide Angeklagten wegen des Vergehens nach§§ 1–3 des Gesetzes No. 108/33 über den Schutz der Ehre ge-stellt.

Für den Fall, dass der Angeklagte, Dr. Emil Strauss, so wie er esgerne zu tun pflegt, behaupten sollte, er habe den inkriminiertenArtikel weder verfasst, noch in Druck gegeben, noch vorher gelesenund der Artikel sei ohne sein Wissen veröffentlicht worden, wirdder Eventualantrag auf Strafverfolgung des Angeklagten Dr. EmilStrauss gem. § 4 der ergänzten Pressgesetznovelle gestellt.

Es wird ferner die Bestrafung beider Angeklagtennach den zitierten gesetzlichen Bestimmungen beantragt, wobei dieStellung weiterer Strafanträge der Anklageschrift vorbehaltenbleibt.

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