193.129 Brief RA Johann Turnovsky an Samek

Materialitätstyp:

  • Typoskript mit handschriftlichen Überarbeitungen

Schreiberhände:

  • Johann Turnovsky, schwarze Tinte

Sender

JUDr. JOHANN TURNOVSKY | Advokat
Vodičkova 33
Prag
Datum: 21.V.1936
Betreff: Kraus – Soz.Dem.

Empfänger

An: Herrn | JUDr. Oskar Samek | Rechtsanwalt
Reindorfgasse 18
Wien XIV.
Seite von 4

Sehr geehrter Herr Doktor!

Ich gestatte mir mitzuteilen, dass ich daszweite Berichtigungsschreiben an den Soz.Dem. mit Widerruf derersten Berichtigung dem verantwortlichen Redakteur direkt zu-zustellen versucht habe, doch wurde meiner Beamtin in der Re-daktion mitgeteilt, Dr. Strauss sei nicht anwesend. Ich habedaher das Berichtigungsschreiben rekommandiert gegen Rückscheinaufgegeben und es heute mit der Post mit dem Bemerken zurück-erhalten, dass es vom Adressaten nicht angenommen worden ist.Dies bedeutet nach § 11 Absatz 5 Pressgesetznovelle die Verwei-gerung der Veröffentlichung der Berichtigung und ich bitteum die Weisung des Herrn K., ob ich den Antrag nach § 14 Press-gesetznovelle überreichen soll.

In der Sache der Beschwerde an das Oberste Gericht habeich von Herrn Dr. HermannGallia folgende als vertraulich ge-gebene und zu behandelnde Mitteilung erhalten:

Der Generaladvokat hat die Nichtigkeitsbeschwerde gele-sen und sie für sehr zutreffend und ausgezeichnet begründet er-achtet. Er versprach, den Vorsitzenden des Strafsenates, derin der vom ehemaligen Justizminister Dr. Meisner geführten Press-

sache entscheiden soll, darauf aufmerksam zu machen, dass mei-ne Nichtigkeitsbeschwerde in den nächsten Tagen einlangen dürfteund ihm nahezulegen, mit der Entscheidung in der von Dr. Meisner geführten Sache zuzuwarten, damit auch die in unserer Beschwerdeangeführten Gründe bei der Entscheidung des ersten Falles berück-sichtigt werden können.

Ueber die Frage der Nichtigkeitsbeschwerde zur Wah-rung des Gesetzes hat sich der Generaladvokat bisher nicht geäussert,doch meinte er, dass selbst eine negative Entscheidung in der SacheDr. Meisner für unsere Beschwerde nicht präjuziell sein könnte,weil die Ansichten über die Auslegung des § 18 im Gremium desObersten Gerichtes derart auseinander gingen, dass die Sache, auchohne dass die Generalprokuratur die Nichtigkeitsbeschwerde zur Wah-rung des Gesetzes einbringt, vor einen Plenarsenat kommen dürfte.

Nach Einlangen des Aktes in Brünn wird Dr. Gallia nochmals mit dem Generaladvokaten sprechen und feststellen, obresp. in welchem Sinne eine Klärung der Ansicht des Obersten Ge-richtes in der zur Diskussion stehenden Frage eingetreten ist.

Herr Dr. Gallia bemerkt zum Schluss nochmals, manmöge diese Intervention als vertraulich behandeln, da seine Be-ziehungen zum Generaladvokaten rein privat sind und dessen Mit-teilungen auch vertraulich abgegeben wurden.

Beim Strafkreisgerichte habe ich schon zweimalwegen der Einsendung der Akten an das Oberste Gericht interve-niert und die Beamtin, welche die Kanzleiabteilung des Dr. Tisek leitet, hat mir mitgeteilt, dass er ihr den Akt noch nicht zurVorlage an das Oberste Gericht übergeben hat. Ich habe auch noch

nicht die Gegenäusserung des Dr. Schwelb zugestellt erhalten.Ob Dr. Tisek den Akt absichtlich zurückhält, weiss ich nicht.Es ist nicht ausgeschlossen, dass er dies deswegen tut, um dieEntscheidung in der Angelegenheit Dr. Meisner durch Vorlage einerweiteren Nichtigkeitsbeschwerde über die gleiche Frage nicht zuUngunsten seines Urteiles zu beeinflussen.

Ich werde Ihnen über den weiteren Verlauf der Angelegen-heit berichten. Bitte Ich bitte an Herrn K. meine besten Grüsse zu bestellenund zeichne mit dem Ausdrucke der vorzüglichsten Hochachtungund besten Grüssen

Ihr ergebenerDr. Turnovsky

KrausSozialdemokrat22. MAI 1936