193.128 Brief RA Johann Turnovsky an Samek

Materialitätstyp:

  • Typoskript

Sender

JUDr. JOHANN TURNOVSKY | Advokat
Vodičkova 33
Prag
Datum: 19.V.1936
Betreff: Kraus – Sozialdemokrat

Empfänger

An: P.T. | Herrn Dr. Oskar Samek
Reindorfgasse 18
Wien XIV
Seite von 4

Ich erhielt Ihren freundlichen Brief vom17. d.M., der sich wiederum mit meinem letzten Schreiben ge-kreuzt hat. Ich habe daher das zweite Berichtigungsschreiben mit Widerruf des ersten heute an den verantwortlichen Redak-teur des Sozialdemokrat zustellen lassen.

Was nun die Ehrenbeleidigungsklage gegenDr. Schwelb betrifft, wurde darüber auch in meinem letztenSchreiben berichtet. Ich glaube nicht, dass Dr. Schwelb anden „SOZIALDEMOKRAT“ nur den Bericht erstattet hat, der auchdem Pressbüro übergeben und von diesem an die anderen Blät-ter weitergeleitet wurde. Ich bin vielmehr überzeugt davon,dass der im SOZIALDEMOKRAT erschienene Prozessbericht „KarlKraus verliert einen Prozess“ von Herrn Dr. Schwelb stammtund dass er die Autorschaft nicht wird leugnen können.Ich glaube also, dass die Ehrenbeleidigungsklage wegen diesesBerichtes überreicht werden soll. Dass auch der offizielleBericht des Pressebüros anklagbar wäre, glaube ich nicht, zu-mindest wäre die Ueberreichung der Klage gegen die Redakteurejener Blätter, die den Bericht abgedruckt haben, einigermassenriskant. Ich befürchte, dass das Gericht in diesem Falle denStrafausschliessungsgrund des § 6 Absatz 1 als gegeben anerken-

nen könnte und wüsste auch nicht, welcher Passus des Berich-tes inkriminiert werden könnte. Die Behauptung, dass derSozialdemokrat“ in seinem Artikel vom 10.8.1934 den Stand-punkt kritisiert hat, welchen Herr K. zu den Februarereignisseneingenommen hat und sein positives Verhältnis zum autoritativenRegime in Oesterreich überhaupt, ferner dass sich Herr K. ins-besondere durch den Vorwurf beleidigt gefühlt hat, er habe sichdem österreichischen Regime gleichgeschaltet, kann man wohlschwerlich unter Anklage stellen. Denn der Bericht identifi-ziert sich ja nicht mit den Behauptungen des seinerzeit in-kriminierten Artikels, sondern teilt nur mit, wegen welcher Behauptun-gen damals geklagt wurde. Deswegen muss ich doch wohl anneh-men, dass es geboten ist, nur den Prozessbericht im SOZIALDEMOKRAT zu klagen, die Klage aber sowohl gegen Dr. Schwelb, als auchgegen den verantwortlichen Redakteur zu überreichen. In die-sem Berichte handelt es sich wohl nicht um eine Reproduktiondes Inhaltes der Prozessakten, sondern um ein neues Urteil überdie Haltung des Herrn K. Auch hier werden sich sicherlich ge-nügend Schwierigkeiten ergeben, da der Senat des Dr. Tisek wenig-stens, wie wir wissen, eher geneigt ist, gegen, als für uns zuentscheiden. Doch glaube ich, dass diese Schwierigkeiten leich-ter werden überwunden werden können, als wenn wir die Klagewegen des vom Pressebüro mitgeteilten Berichtes überreichenwürden.

In der Angelegenheit der Nichtigkeitsbeschwerdehabe ich den Herren Kollegen Dr. Herrmann und Dr. Gallia bereitsvor einer Woche eine Abschrift des Urteiles und der Nichtig-keitsbeschwerde eingesendet. Da Sie, sehr geehrter Herr Doktor,

annehmen, dass der Artikel erst in der nächsten Nummer er-scheinen wird, werde ich die Kollegen ersuchen, das Erschei-nen dieses Artikels nicht abzuwarten, sondern jetzt schonin der vorgesehenen Weise zu intervenieren.

Für die Einsendung der Abschrift des an Otto Bauergerichteten, köstlichen Briefes danke ich vielmals. Ich bitte,an Herrn Kraus meine besten Grüsse zu bestellen und zeichnein vorzüglichster Hochachtung und mit besten Grüssen an Sie

Ihr ergebener:Dr. Turnovsky

KrausSozialdemokrat22. MAI 1936