193.133 Brief RA Johann Turnovsky an Samek

Materialitätstyp:

  • Typoskript

Sender

JUDr. JOHANN TURNOVSKY | Advokat
Vodičkova 33
Prag
Datum: 25.V.1936
Betreff: Kraus – Sozialdemokrat

Empfänger

An: P.T. | Herrn Dr. Oskar Samek, | Rechtsanwalt
Reindorfgasse 18
Wien – XIV
Seite von 2

Sehr geehrter Herr Doktor.

Ich erhielt Ihr frdl. Schreiben vom23. d.M. samt Entwurf der Ehrenbeleidigungsklage gegen Dr. Schwelb und Dr. Strauss nebst den von Herrn K. gewünschten Abänderungen.Ich retourniere Ihnen den Entwurf und werde die Klage nunmehr über-reichen. Die Beweisanträge möchte ich jedoch insoferne abändern,als ich zu Punkt II nicht die FACKEL vom Juli 1934, sondern nurdie einschlägigen Stellen beantragen möchte. Ich befürchte, dassdas Gericht verlangen könnte, man möge die ganze Juli-Fackel inbeglaubigter Uebersetzung vorlegen, was ja natürlich ausge-schlossen ist.

Die Beschwerde an das Oberste Gericht ist bereits abgegangen und dürfte heute in Brünn eingelangt sein.Herr Dr. Gallia ist hievon bereits verständigt worden und wird in-tervenieren. Die Begründung der Aeusserung gegen die Beschwerdein der Angelegenheit Dr. Meissner Dr. Sommer ist ganz ausgezeichnetund wir haben unsere Schriftsätze verglichen, Dr. Meissner hat sei-nen Schriftsatz noch ergänzt, sodass selbst wenn seine Angelegen-heit früher zur Entscheidung gelangen sollte als unsere, diesbezüg-lich nichts zu befürchten ist.

Die Möglichkeit der Anklage wegen des durch dasPressbüro veröffentlichten Prozessberichtes und zwar der Anklagegegen das Pressbüro oder gegen Dr. Schwelb als Informator habe ichnach allen Richtungen erwogen. Wenn man sich überlegt, wie schweres war, auch nur die Berichtigung dieses Berichtes zu verfassen,dann wird man ermessen, um wieviel schwerer es ist, wegen diesesBerichtes die Ehrenbeleidigungsklage mit Aussicht auf Erfolg zukonzipieren. Ich möchte noch nicht dazu raten, in dieser Ange-legenheit die Presseklage zu überreichen, da es mir sehr unwahr-scheinlich erscheint, dass wir mit dieser Klage durchdringen, obwir nun Dr. Schwelb als Informator oder das Pressbüro als Verbrei-ter der Nachricht belangen. Die formelle Wahrheit der Nachrichtkann kaum bestritten werden und es würde den Angeklagten nichtschwer fallen, den formellen Wahrheitsbeweis zu erbringen, trotzdemes materiell unrichtig ist, dass der Freispruch wegen des erbrach-ten Wahrheitsbeweises erfolgt ist. Dies wird jedoch, wenn auchdieser Anschein erweckt werden soll, in dem vom Pressbüro weiter-gegebenen Prozessberichte expressis verbis nicht behauptet.

Das Risiko erscheint mir zu gross, weswegen ich abermals empfehle,diesen Bericht nicht zum Gegenstand einer Strafverfolgung zu machen.

In der Berichtigungsangelegenheit SOZIALDEMOKRAT / zweite Berichtigung mit Widerruf der ersten / werde ich wohl dieWeisung des Herrn K. betreffend die Ueberreichung des Antrages nach§ 14 des Pressgesetzes bald erhalten.

Mit dem Ausdrucke der vorzüglichsten Hochachtungund mit besten Grüssen an Herrn K. und Sie,

ergebener:Dr. Turnovsky

KrausSozialdemokrat26. MAI 1936