193.157 Brief RA Johann Turnovsky an Samek

Materialitätstyp:

  • Typoskript

Sender

JUDr. JOHANN TURNOVSKY | Advokat
Vodičkova 33
Prag
Datum: 11.IX.1936
Betreff: Kraus – Sozialdemokrat

Empfänger

An: P.T. | Herrn JUDr. Oskar Samek | Advokat
Reindorfgasse 18
Wien – XIV
Seite von 2

Sehr geehrter Herr Doktor.

Mein im Briefe vom 8. d.M. geäusserterOptimismus hat heute eine starke Abkühlung erfahren. Wie mirsoeben Herr Dr. Sommer mitteilt, hat das Oberste Gericht beider gestrigen Verhandlung nach dreistündiger Beratung die Ent-scheidung gefällt, dass der Vorbehalt des § 18 des Ehrenschutz-gesetzes auch dann gemacht werden muss, wenn es sich nicht umgegenseitige Beleidigungen, resp. Klagen handelt und wenn ineinem früher anhängig gemachten Verfahren die Strafverfolgungfortgesetzt worden ist. Wie mir Herr Dr. Sommer mitteilt, war diemündliche Urteilsbegründung nur bezüglich der Frage akzeptabel,ob der Gesetzgeber wirklich die Vorschrift des § 18 ausschliess-lich auf gegenseitige Klagen angewendet wissen wollte. Völligunzutreffend und mangelhaft soll jedoch die Urteilsbegründungbezüglich der anderen Fragen gewesen sein, insbesondere, ob undinwiefern die Anwendbarkeit des § 18 gegeben ist, wenn es sichum die Strafverfolgung wegen Uebertretung der pflichtgemässenSorgfalt des verantwortlichen Redakteurs handelt, ferner dasses des Vorbehaltes auch bedarf, wenn man ein bereits anhängiges

Strafverfahren fortsetzen will.

Damit ist wohl das Schicksal auch unseresProzesses besiegelt. Die Hoffnung, dass die Sache vor einenPlenissimarsenat kommt, ist minimal. Es bleibt also nur nochdie Entscheidung über den Kostenrekurs, die hoffentlich zuunseren Gunsten ausfallen wird. Ich bin auf die schriftlicheUrteilsausfertigung sehr neugierig und über diesen Ausgangsehr betrübt.

Mit besten Grüssen und in vorzüglicherHochachtung Ihr ergebener:Dr. Turnovsky

KrausSozialdemokrat12. SEP. 1936