193.191 Brief RA Johann Turnovsky an Samek

Materialitätstyp:

  • Typoskript

Sender

JUDr. JOHANN TURNOVSKY | Advokat
Vodičkova 33
Prag
Datum: 1. November 1937

Empfänger

An: Wohlgeboren Herrn | JUDr. Oskar Samek, | Rechtsanwalt
Reindorfgasse 18
Wien XIV.
Seite von 2

Sehr geehrter Herr Doktor!

In der Disziplinarangelegenheit, die gegen michauf Einschreiten des Dr. Schwelb wegen der gegen ihn überreich-ten Klage anhängig ist, habe ich szt. eine Aeusserung überreicht,die ich Ihnen, sehr geehrter Herr Doktor, in Abschrift eingesen-det habe. Damals habe ich angenommen, dass auf Grund dieserAeusserung das Verfahren eingestellt wird. Der Disziplinarrat hat jedoch die Angelegenheit weiter behandelt und mich heutezur Aeusserung darüber aufgefordert, ob ich die Presseklage ge-gen Dr. Schwelb über Auftrag des Herrn Karl Kraus oder aus eige-nem Antriebe überreicht habe. Ich habe wie folgt geantwortet:

„In den Angelegenheiten des Herrn Karl Kraus habe ich nie-mals Klagen aus eigenem Antriebe, sondern stets über Weisung die-ses Klienten überreicht. Da es sich immer um Angelegenheiten ge-handelt hat, die mit Rücksicht auf die Person des Herrn Karl Kraus von besonderer Bedeutung waren und Gegenstand öffentlicher Diskus-sionen bildeten, habe ich mich nicht nur mit dem Auftrage mei-nes Klienten begnügt, sondern diesem stets Entwürfe aller Klagen,Schriftsätze, Eingaben und Korrespondenzen vorgelegt, welche erstdann überreicht oder expediert wurden, wenn Herr Karl Kraus denInhalt dieser Entwürfe genehmigt hat.

Den Auftrag zur Ueberreichung der Presseklage G.Z. TkXIX 4930/36 habe ich von Herrn Karl Kraus persönlich erhalten

KrausDr. Schwelb 2. NOV. 1937

und mit ihn über diese Angelegenheit zuerst in Prag direkt ver-handelt. Auf Grund dieser Rücksprachen habe ich dann den Entwurfder Klage verfasst und Herrn Karl Kraus zu Handen seines WienerRechtsanwaltes des Herrn Dr. Oskar Samek, Rechtsanwalt Wien XIV.,Reindorfgasse 18, eingesendet. Mit Brief vom 23.V.1936 hat mirHerr Dr. Samek über Auftrag des Herrn Karl Kraus den Entwurf derKlage retourniert und auf einem separaten Blatte jene Punkte ver-zeichnet, deren Abänderung Herr Karl Kraus gewünscht hat. Das be-treffende Blatt mit den Abänderungsanträgen des Herrn Karl Kraus schliesse ich bei, bin jedoch nicht in der Lage dem Wunsche desDisziplinarrates nachzukommen, ich möge auch die Korrespondenzvorlegen, da diese auch privaten Inhalt hat, zu dessen Publikationich nicht ermächtigt bin. Für den Fall, dass der Disziplinarrat dieBeglaubigung dieser meiner Erklärung wünscht, kann er eine Anfra-ge an Herrn Dr. Oskar Samek, Rechtsanwalt in Wien, richten.“

Ich habe diese Aeusserung deswegen abgegeben, da ich kei-ne Lust habe, unsere Korrespondenz vorzulegen und der Ansicht bin,dass die Herren vom Disziplinarrat nicht so neugierig sein müssen.Abgesehen davon wurde gerade damals, wie Sie noch wissen werden,über den Fall des § 18 korrespondiert und auch die beim OberstenGericht in Brünn unternommenen Schritte in dieser Korrespondenzerörtert.

Ich habe Ihnen, sehr geehrter Herr Doktor, von dieserAeusserung Mitteilung gemacht, weil es nicht ausgeschlossen ist,dass der Disziplinarrat tatsächlich eine Anfrage an Sie richtet.Mir liegt ja nichts an diesem Disziplinarverfahren und ich haltees für ausgeschlossen, dass ich verurteilt werde. Sollte der Aus-schuss wirklich so töricht sein, mich zu verurteilen, dann werdeich mich natürlich an das Oberste Gericht wenden.

Ich zeichne mit den besten Grüssen und vorzüglicher Hochach-tung

Ihr ergebenerDr. Turnovsky