196.96 Brief RA Felix Gallia an Samek

Materialitätstyp:

  • Typoskript

Sender

Dr. FELIX GALLIA
MASARYKSTRASSE 25/27
BRÜNN
Datum: 13. Mai 1936
Betreff: Kraus – Arbeiterzeitung.
Diktiersigle: Dr.G/b

Empfänger

An: Wohlgeboren Herrn | Dr. Oskar Samek, | Rechtsanwalt
Reindorfgasse 18
Wien XIV.
Datum: 14. MAI 1936
Seite von 4

Sehr geehrter Herr Kollege.

In den letzten Tagen wurde mir von Dr. Ečer resp.seinem Konzipienten mitgeteilt, dass unser vorbereitenderSchriftsatz, dessen zweites Pare inzwischen der Gegenseite zu-gestellt wurde, zum Gegenstand einer Ehrenbeleidigungsklage gegenHerr Kraus gemacht werden würde. Es blieb mir nichts übrig, alsden Angeklagten zu diesem Versuch viel Glück zu wünschen.

Offenbar wollen Sonka und Schramek Herrn Kraus hierklagen. Ich bin jedoch der Meinung, dass ein Gerichtsstand hier nicht gegeben ist, da der Schriftsatz nur von mir unterfertigtwurde und auch die mit Maschine am Ende niedergeschriebene Un-terschrift auf mich und keineswegs auf Herrn Kraus als Autordes Schriftsatzes hindeutet.

Meiner Meinung nach könnte Herr Kraus wohl nur inWien belangt werden, weil er dort seinem Anwalt Information zumSchriftsatz erteilt hat. In Wien zu klagen werden sich die Gegnerallerdings wohl überlegen.

Dr. Ečer hat mir weiter angekündigt, dass Sonka darauf bestehe, dass ihm der Schriftsatz in čechischer Sprachezugestellt werde. Es ist leider richtig, dass Sonka das Rechthat, einen derartigen Anspruch zu stellen. Ich habe HerrnDr. Ečer ausführlich auseinandergesetzt, wie schikanös dieses

Verlangen ist, wie unkollegial und unsachlich. Dr. Ečer ent-gegnete, er persönlich sehe meinen Standpunkt vollkommen ein,doch habe er von Prag strikte Aufträge, an die er sich haltenmüsse. Er versprach mir, noch einen Versuch zu machen, Sonka da-zu zu bewegen, den Anspruch auf Lieferung der Uebersetzung nichtgeltend zu machen.

Heute sprach mein Konzipient zufällig mit dem Stellver-treter des Generalprokurators, Herrn Dr. Brix, über die Frageder Auslegung des § 18 des Ehrenschutzgesetzes. Herr Dr. Brix teilte unsere Meinung, hat jedoch Herrn Dr. Barber gesagt, essei ein analoger Fall, der von der Kanzlei Dr. Meissner in Prag bearbeitet werde, schon beim Obersten Gericht anhängig, ohne dassbisher eine Entscheidung des Obersten Gerichtes erflossen wäre.Aus den Mitteilungen des Herrn Dr. Brix geht hervor, dass beimObersten Gericht die Frage den Gegenstand heftiger Kontroversenzu bilden scheint, wobei es bisher so aussah, als ob die uns un-günstige Meinung die Oberhand gewinnen würde.

Da Herr Dr. Brix die Meinung äusserte, es wäre gut,wenn unsere Nichtigkeitsbeschwerde auch ehestens dem OberstenGericht vorliegen würde, habe ich Herrn Dr. Turnovsky sofort an-gerufen, ihm die Aeusserungen Herrn Dr. Brix’ mitgeteilt undihm nahegelegt, zu veranlassen, dass die Nichtigkeitsbeschwerdemit dem Akt von Prag aus sobald als möglich an den Kassations-hof abgeht. Herr Dr. Turnovsky wird das Nötige, wie er mir sagte,sofort veranlassen. Bisher erfolgte die Vorlage an das Oberste

Gericht nicht, da die Frist zur Aeusserung des Prager Angeklagten erst gestern oder vorgestern abgelaufen ist.

Ich bestätige noch mit bestem Danke den Erhalt der Fackel-hefte Nr. 426–430, 454–456, 484–498 und bin mit den bestenEmpfehlungen an Sie und Herrn Kraus

Ihr ganz ergebenerDr. Gallia

KrausArbeiterzeitung 14. MAI 1936