196.97 Brief RA Felix Gallia an Samek

Materialitätstyp:

  • Typoskript

Sender

Dr. FELIX GALLIA
MASARYKSTRASSE 25/27
BRÜNN
Datum: 14. Mai 1936
Betreff: Kraus – Arbeiterzeitung
Diktiersigle: Dr.G/b

Empfänger

An: Wohlgeboren Herrn | Dr. Oskar Samek, | Rechtsanwalt
Reindorfgasse 18
Wien XIV.
Datum: 15. MAI 1936
Seite von 2

Sehr geehrter Herr Kollege.

Ich bestätige Ihr gesch. Schreiben vom 12. d.M. samt Beilagen. Beim Untersuchungsrichter habe ich festgestellt,dass er unseren vorbereitenden Schriftsatz schon nach Prag ge-schickt hat, damit Herr Heinrich Fischer als Zeuge über denInhalt dieses Schriftsatzes einvernommen werde. Ich kann alsonicht gut mehr Einfluss darauf nehmen, welche Fragen an HerrnFischer bei seiner Einvernahme in Prag gestellt werden sollen.Ich würde daher empfehlen, dass Sie, falls es nicht inzwischenohnedies schon geschehen sein sollte, die in Ihrem Brief vom12. d.M. erwähnten 4 Fragen Herrn Fischer übermitteln, damit ersie bei seiner Einvernahme beantwortet.

Da die Aussage Herrn Fischers ja vermutlichrecht umfangreich werden dürfte, wird ihn der Prager Untersu-chungsrichter gewiss das Protokoll diktieren lassen, sodassHerr Fischer wohl die Möglichkeit haben wird, auch die vonIhnen gestellten Fragen im Zuge seiner Aussage zu beantworten,ohne einem Widerstand des Untersuchungsrichters zu begegnen.

Damit, dass Herr Prof. Jaray zur Hauptverhandlungnach Brünn kommt, bin ich sehr einverstanden.

Bei meiner heutigen Intervention hat mit derUntersuchungsrichter spontan gesagt, er wisse, dass der PräsidentMasaryk

Herrn Kraus ausserordentlich schätze. Ich hatte den Eindruck,dass die Quelle des Wissens des Untersuchungsrichters nicht inunserm vorbereitenden Schriftsatz zu suchen ist, sondern anders-wo. Jedenfalls werde ich mich bemühen, noch festzustellen, woherder Untersuchungsrichter sein Wissen schöpft. Eine Gelegenheitzu einer Rücksprache über diese Frage wird sich bald ergeben, daich dem Untersuchungsrichter versprochen habe ihm auf einigeZeit die čechische Ausgabe der „letzten Tage der Menschheitzu borgen, die er lesen will.

Der Besuch des Herrn Kraus hat auf den Untersuchungsrichter einen tiefen Eindruck gemacht.

Mit den besten Grüssen und Empfehlungen, auch an Herrn Kraus,

Ihr sehr ergebenerDr. Gallia

P.S. Ich glaube, dass die Broschüre Herrn Fischers vorläufignicht vorgelegt werden muss und dass es besser wäre, dieallfällige Vorlage der Hauptverhandlung vorzubehalten.

D.O.

KrausArbeiterzeitung 15. MAI 1936