2.2 Brief Samek an Reichspost (verantw. Red. Karl Schiffleitner)

Materialitätstyp:

  • Durchschlag mit handschriftlichen Annotationen

Schreiberhände:

  • Oskar Samek, roter Stift

Sender

Oskar Samek
Schottenring
I., Innere Stadt
Datum: 30. November 1922

Empfänger

An: den verantwortlichen Redakteur der „Reichspost“
Strozzigasse
Wien VIII.
Seite von 1

Gemäss § 23 P.G. werden Sie aufgefordert, die folgendeBerichtigung des in der Nr. 319 der „Reichspost“ vom 29. November 1922erschienenen, meinen Mandanten betreffenden Artikels „Ein Kreislaufabzudrucken:

Es ist unwahr, dass es in der im „Novemberheft der Fackelveröffentlichten Rede heisst, Karl Kraus sei „einst“ durch denleidigen Zufall der Geburt in die jüdische Glaubensgenossenschaftgeraten. Wahr ist, dass es dort heisst, er habe „einst die jüdischeGlaubensgemeinschaft“, in der er durch den leidigen Zufall derGeburt geraten war, „verlassen“. Es ist unwahr, dass es dort heisst,er habe eine Zeitlang „der der bequemen Konfessionslosigkeit“ ge-huldigt. Wahr ist, dass es dort heisst, er habe sich nach „nach einerZeit der bequemen und nie genug gewürdigten Konfessionslosigkeitvon einem Teufel in den Schoss der alleinseligmachenden Kirche ver-führen lassen“. Es ist unwahr, dass es dort heisst, er habe diesohne zwingenden Grund“, des Glaubens oder des Geschäftes getan.Wahr ist, dass es dort heißt „Man mag mich verdammen weil ichohne einen zwingenden Grund, sei es der speziell in die katholische katholischeTextzeuge Richtung gewandte Glaube, sei es das häufigere Motiv politischenoder sozialen Strebens, also jener Konversion, die die Konversioneines Geschäftes ist, sie vollzogen habe.“ Es ist unwahr, dass esdort heisst: Krauswurde also Katholik und blieb es wunderbarerWeise noch während des Weltkrieges ….“. Wahr ist, dass der Satz lautet:Wie dem immer sei, ich wurde Katholik und ich blieb es wunderbarerWeise noch während des Weltkrieges ….“. Es ist unwahr, dass es dortheisst, nun aber aber sehe er sich „genötigt, wieder aus der katholischenKirche auszutreten, hauptsächlich aus Antisemitismus“. Wahr ist,dass der Satz mit den Worten schliesst: „sehe ich mich dort genötigt,aus der katholischen Kirche auszutreten, nicht nur aus Gründen einerMenschlichkeit, die bei den Hirten in so schlechter Obhut ist, son-dern hauptsächlich aus Antisemitismus“. Es ist unwahr, dass es dortheisst: und endlich „war die katholische Kirche nicht einmal zueinem Bannstrahl gegen die Dynasten zu haben“. Wahr ist, dass derSatz mit den Worten beginnt: „Aber nicht genug an dem: die katholischeKirche, die nicht einmal zu einem kostenlosen Bannstrahl gegen dieDynasten zu haben war, welche den Völkern das Ultimatum der Pestund der Syphilis überbracht haben ….“. Es ist unwahr, dass „eifri-ge Anlehnungen in einem anderen Aufsatz der ‚Fackel‘ an Theodor Herzls Tagebuch den Fall 3 zur Wahrscheinlichkeit zu machen“, nämlich dassKarl Krauswieder zum alten Testament seiner Jugend und seinerVäter zurückgetreten ist“. Wahr ist, dass in diesem Aufsatz blossStellen aus Herzls Tagebüchern zitiert sind, in denen von seinerBeziehung zur Neuen Freien Presse und deren Inseratenteil die Redeist.