17.5 Protokoll der fortgesetzten Hauptverhandlung (Strafbezirksgericht I Wien, G.Z. U I 223/25, Christoph Höflmayr)

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Datum: 7. Oktober 1925
Seite von 7

Abschrift.

U I 223/256

Strafbezirksgericht I in Wien am 7.X.1925 Bginn: 12 Uhr

B.auf Durchführung der Verhandlung gemäss § 459 St.P.O.

Der Richter wiederholt die Ergebnisse des bis-herigen Verfahrens gemäss § 276a St.P.O. Machthaber legt vor : Das Bild Beil. ./1, ferner die Kli-schees Beil ./2, ./3, ./4, ./5, ./6, ./7.Zeuge Ludwig Hoffenreich , 23 J., Wien geb., r.k., 1.Bilderredakteur der „Stunde“, XVIII. Sautergasse 56 wh.gibt nach W.Er. und Handschlag an:

Ich kann nur über das Zustandekommen der in No.714 der „Stunde“ wiedergegebenen Bilder aussagen, daich früher nicht bei der „Stunde“ in Stellung war.

Mir wurde das Bild Beilage ./1 in retouchiertemZustande von der im 1. Stock befindlichen Redaktion inmein Büro im 4. Stock geschickt mit dem Auftrag diesesBild auf die Grösse des in No. 610 wiedergegebenen Bildes nämlich auf 10 × 15 cm klischieren zu lassen, ein Auf-trag das Bild zu entstellen, ist mir nie zugekommen;der Auftrag war in dem dem Bilde angehefteten Zettel ent-halten.

Ich gab das Bild mit dem angebrachten Klischier-auftrag unverändert an die Fa. Straniak, Hofbauer & CoKlischierindustrie Ges.m.b.H. weiter.

Dort wurde das Bild retouchiert, die gen. Firma hat nämlich den ganz allgemein gehaltenen generellen Auf-trag, alle Bilder so zu retouchieren, das diese deutlichund somit klischierfähig werden; auch Mund und Augensind zu retouchieren.

Das fertige Klischee wurde von Frl. Luzzi Binder übernommen und das Bild dann in dem für dasselbe schon

tagszuvor reservierten Raum eingeschaltet.

Einen besonderen Auftrag, wie die Retouche vorzu-nehmen sei, hat Straniak nicht erhalten, insbesonderserging kein Auftrag, das Bild irgendwie zu verunstalten;ich habe mit Straniak darüber überhaupt nicht gesprochen.

Auch von mir wurde keinerlei Änderung an dem vonder Redaktion mir übersandten Bilde oder am Klischee vor-genommen.

Zg. Emmerich Bekessy, 37 J., Bdpst. geb., evang.H.B.,vh., Herausgeber der „StundeVI. Linke Wienzeile 88 gibt nach W.Er. und Handschlag an:

Das in No. 610 der „Stunde“ wiedergegebene Bild ist mit meinem Wissen und Einverständnis wiedergegeben.

Die der Redaktion seinerzeit zugekommene Berich-tigung des P.A. vom 11.4.1925 war, als es zur Reproduk-tion der Bilder in No. 714 der „Stunde“ kommen sollte,nicht mehr vorhanden.

Da wir keine Veranlassung hatten, das Buch des PA,in dem das berichtigende Bild wiedergegeben war, zumZwecke der Berichtigungsveröffentlichung anzuschaffen,wir vielmehr der Ansicht waren und sind, dass die in No.642 wiedergegebenen Bilder zwecks Veröffentlichung derBerichtigung soweit zu vergrössern, bis sie jenen des Be-richtigungsschreibens gleich sind.

Die in No. 642 wiedergegebenen Bilder konnten des-halb nicht entstellt werden, weil dies mit Rücksicht aufdas zu U I 109/25 ergangene Urteil I. Instanz nur mit meinerEinwilligung hätte geschehen können und ich niemals dieseerteilt habe; wer den Auftrag zur Wiedergabe der Bilder in No 642 erteilt hat, weiss ich jedoch nicht.

Bezgl. der in No. 714 wiedergegebenen Bilder abererging von mir persönlich der Auftrag die in No 642 ver-

öffentlichten Bilder ohne weitere Retouche, die nichtunbedingt zum technischen Verfahren notwendig ist, zuvergrössern und zu klischieren. Der Ausdruck „ohne wei-tere Retouche“ bezog sich auf das zugegebenermassen ka-rikierte berichtigte Bild.

Zg. Anton Straniak 38 Jahre, Wien geboren, r.k., vh.,verantwortlicher Geschäftsleiter der KlischierindustrieGes.m.b.H. III. Gestettengasse 4a wh., gibt nach W.Er.und Handschlag an:

Das Klischee für das in No 610 wiedergegebeneBild (Beil ./2, ./3) stammt nicht von uns.

Die Klischees für die übrigen Bilder stammenvon unserer Anstalt.

Wie die Bilder ausgesehen haben, nach denendie Klischees angefertigt wurden, erinnere ich mich nicht.Es kommt auch vor, dass ich bereits retouchierte Bilderzur Klischierung erhalte, doch ist das nur ausnahmsweise.Ich habe jedenfalls niemals Entstellungen oder Karikierungen von Bildern vorgenommen und auch nie einen der-artigen Auftrag erhalten.

Das Bild ./1 erhielt ich, so wie alle Bilder,mit einem den Auftrag enthaltenden Anhängezettel; dieauf dem Bild sichtbare Retouche stammt von mir; einederartige Retouche muss bei jedem Bilde vorgenommen werden,um ein für den Rotationsdruck entsprechendes Klischeezu erhalten; eine Veränderung des Bildausdrucks trittdh. eine derartige Retouche nicht ein, insbesonders beziehtsich nämlich die Retouche nicht auf Ohren, Augen undMund.

Die Verkleinerung der in No 714 wiedergegebenenBilder um einige mm gegenüber der in No 610 ersichtlichenBildgrösse ist im Eingehen der Matrize begründet.

Zg. Franz Dechant, 34 J., Blatt in N.Ö. geboren, vh.Metteur der Joh. Vernay A.G. XVI. Thaliastrasse 107 gibt nach W.Er. und Handschlag an:

Von dem Augenblick an, da ich eines der gegen-ständlichen Klischees erhielt wurde keine Veränderungmehr an denselben vorgenommen. Ich habe immer allein dieBilder matriziert.

Sachverst. Karl Broum 40 J., Wien geb., r.k., vh., Pro-fessor der graphischen Lehr- und Versuchsanstalt in Wien.VII. Kaiserstrasse 64 wh., gibt nach Erinnerung an denabgelegten Diensteid an:

Die in No 642 der „Stunde“ wiedergegebenenBilder sind gegenüber den der Berichtigung beigeschlossenenBildern, abgesehen von der Verkleinerung, gewaltig ver-ändert. Diese Veränderungen beziehen sich auf Haare,Augen, Ohren und Schuhe und sind derart, dass die Hand-arbeit das ursprüngliche Bild fast ganz verdeckt. DieseVeränderung wurde durch Retouche vorgenommen und es istausgeschlossen, dass dieselben durch das Rotationsdruck-verfahren hervorgerufen sein können. Die in No 714 derStunde“ wiedergegebenen Bilder sind gegenüber dender Berichtigung beigeschlossenen Bildern ebenfallsdurch Retouche stark entstellt, was insbesondere ausder Stellung der Augen, dem Mund, den Ohren und denHaaren erkennbar ist; diese Veränderungen sind nichtdurch das Rotationsdruckverfahren entstanden, sonderndurch manuelle Arbeit.

Der Beschuldigte hätte diese Veränderung aucham Klischee bemerken können, vor die Bilder in der Zei-tung erschienen sind, da den fertigen Klischees von derKlischieranstalt Probedrucke beigegeben werden oder bei-gegeben werden können. Wenn der Beschuldigte diese Ver-

änderung bei Ablieferung der Klischees wahrgenommenhätte und die Klischees zurückgewiesen hätte, so wäreeine Änderung der Klischees vor Erscheinen der nächstenNummer allerdings nicht mehr durchführbar gewesen.

Die in No 714 wiedergegebenen Bilder sind jedochkeine direkten Vergrösserungen der Bilder aus No 642 derStunde“, das geht aus folgendem hervor:

Die Bilder in No 642 sind Autotipien; solche könnennur dadurch klischiert werden, indem man der Rasterstruk-tur eine andere Lage gibt; diese fehlt aber bei den Bil-dern in No 714, woraus hervorgeht, dass letztere nichtnach den Bildern aus No 642 hergestellt wurden.

Auch das Bild ./1 ist nicht auf Grund der Bilder in No 642 direkt hergestellt worden, denn man musstein einem solchen Falle auf Bild Beil. ./1 die Raster-struktur der Bilder in No 642 sehen, was jedoch nichtder Fall ist, das Bild Beil. ./1 ist vielmehr durcheine Zwischenaufnahme entstanden.

Die in No. 642 wiedergegebenen Bilder waren,wie schon früher dargelegt, durch Retouche stark entstellt.Wenn nun nach diesen Bildern eine Fotographie, eine so-genannte Zwischenaufnahme, aufgenommen worden wäre, soist es doch unmöglich durch retouchieren dieser Zwischen-aufnahme das ursprüngliche unretouchierte Originalbild,wie das Berichtigungsbeilage zu erhalten.Machthaber des Beschuldigten gibt an:

Als das Urteil vom 25.4.1925 (U I 109/25/3)und jenes vom 24.7.1925 (Bl XV 504/25) erfloss,war die vom P.A. eingesendete Original-Berichtigung nicht mehrvorhanden, sondern nur das Klischee zu dem in No 610 wiedergegebenen retouchierten Bild. Zwecks gesetzmässigerVeröffentlichung der verlangten Berichtigung und daher

ein Klischee für das entstellte Bild und durch Abwaschender Retouche das Originalbild-Klischee hergestellt, mehrkonnte ich nicht tun. Eine Zwischenaufnahme wurde nichtgemacht.

Beantragt wird die neuerliche Vernehmung der Zg. Straniak,Hoffenreich und Bekessy über die angebliche Entstehungder Zwischenaufnahme, ferner die Vernehmung des techni-schen Direktors der Vernay A.G. Herrn Karl Horn als Sach-verständigen über dasselbe Thema wie der SachverständigeBroum vernommen wurde.

Zg. Straniak gibt forts. Weise vernommen an: Eine Zwischen-aufnahme wurde in unserer Anstalt nicht gemacht.

Zg. Hoffenreich:Das Bild Beilage ./1 erhielt ich als Originalfotographievon der Redaktion und gab es unverändert weiter.

Zg. Bekessy :Ich weiss nur wie die Bilder der No. 714 entstanden sind,von den früheren Bildern weiss ich das nicht.

Der Richter verkündet denB. auf Ablehnung aller übrigen noch unerledigten Beweisan-träge wegen Unerheblichkeit.

Schluss des Beweisverfahrens.P.A. Vertreter beantragt die Bestrafung des Beschuldigten.Machthaber des Beschuldigten: beantragt den Freispruchdes Beschuldigten.

Der Richter verkündet dasUrteil samt Gründen.

P.A. Vertreter und Machthaber des Beschuldigten erklären,sich Bedenkzeit zur Ergreifung eines Rechtsmittels offen

zu halten.

Die Beilage ./2 und ./3 wird vom Beschuldigten übernommen, da dieser dieselben zur nunmehrigen aber-maligen Veröffentlichung benötigt. Dr. Kaufmann wirddiese 2 Beilagen ehestens rückstatten.

Ende 2 Uhr Dauer 4 halbe StundenVerhandlungsgebühr 12 S )) v. P.A. Urteilsgebühr … 5.– )Sachverständiger beansprucht 10.– S Sachverständigengebühr, die in dieser Höhe bestimmt wird.