70.33 Brief RA Botho Laserstein an Samek

Materialitätstyp:

  • Typoskript mit handschriftlichen Annotationen

Schreiberhände:

  • Karl Kraus, Bleistift

Sender

Dr. jur. Botho Laserstein | RECHTSANWALT
LANDSBERGER ALLEE 55
BERLIN NO 18
Datum: 4. März 1929

Empfänger

An: Herrn | Rechtsanwalt Dr. Oscar Samek
Schottenring 14
Wien I
Datum: 5. MRZ. 1929
Seite von 2

Sehr geehrter Herr Kollege,

auf Ihr frdl. Schreiben vom 1. d.Ms. teile ich Ihnenfolgendes mit:

Es ist bisher nur das eine Urteil in der einstweiligenVerfügung ergangen, das ich Ihnen seinerzeit zur Kenntnis-nahme übersandte und von dem Herr Kraus meines Wissens Ab-schrift besitzt. Dieses Urteil entspricht der einstweiligenVerfügung. Danach gilt das Verbot für sämtliche Gedichte desHerrn Kerr, gleichgültig wann sie veröffentlicht sind.

In Beantwortung der 2. Frage teile ich mit, daß bei Ver-hängung der Strafe in jedem Fall zu untersuchen ist, ob dieVeröffentlichung gegen das Gesetz verstösst.

In der Prozesssache habe ich mich vorsorglich als Anwaltdes Herr Kraus gemeldet, werde aber wunschgemäß vor dem Terminerklären, daß ich nicht auftrete und Kontumaz ergehen lasse.

Bezüglich des Ablehnungsgesuches habe ich mir folgendesüberlegt:

Es erscheint mir nicht angängig, zunächst die Kammer abzu-

lehnen und falls wir Erfolg haben, nicht aufzutreten, denndann wissen wir ja nicht, was für eine Entscheidung die neueKammer fällt. Andererseits müssen wir wegen der hohen Kosten-gefahr Versäumnisurteil ergehen lassen. Nach Erfolg des Ab-lehnungsgesuches könnten wir uns nicht plötzlich kontumazierenlassen und auch nicht die Erklärung des Herrn Kraus abgeben,da diese dann ja völlig den Sinn verloren haben würde.

Ich reiche Ihnen in der Anlage die Erklärung des Herrn Kraus mit der Bitte zurück, die Erklärung direkt in einem Kuvertaus Wien an das Landgericht I BERLIN C 2, Grunerstr. 1, ein-zusenden, als habe sie der Mandant selbst abgesandt.

In der Anlage überreiche ich Ihnen nochmals das Original-urteil in Sachen Kerr ./. Kraus mit der Bitte, dieses mirbaldmöglichst zurückzusenden.

Mit koll. HochachtungDr. Laserstein Rechtsanwalt

KrausKerr II.5. MRZ. 1929