76.13 Brief Richard Flatter an Verlag Die Fackel

Materialitätstyp:

  • Typoskript mit handschriftlichen Überarbeitungen
  • Typoskript mit handschriftlichen Annotationen
  • Kopie

Schreiberhände:

  • schwarze Tinte
  • Karl Kraus, Bleistift

Sender

Richard Flatter
Mariahilferstr. 1b
Wien, | 6.
Datum: 10. September 1935

Empfänger

An: den | Verlag der „Fackel“
Hintere Zollamtsstraße
Wien
Seite von 2

Meinem mir selbst gegebenen Versprechen getreu, Herrn KarlKraus keine unwahre Behauptung über mich durchgehen zu lassen, bitteich Sie, dem Herausgeber der „Fackel“ die nachstehenden Mitteilungenweitergeben zu wollen. (Die Verspätung meiner Zuschrift ist daraufzurückzuführen, dass ich lange Zeit krank war.)

In der Ende Mai 1935 erschienenen „Fackel“ heisst es, ichbestünde – in der „Wiener Zeitung“ – auf meinem Schein, den „Kauf-mann von Venedig“ verdeutscht und dargestellt zu haben, und setzedie günstige Lesart durch, es sei vor überfülltem Saal geschehen; zumGlück aber hätten von den sechzig, die der Saal fasse, ein Dutzendgefehlt.

(Die sonstigen Bemerkungen über meine Vorlesung, die sa-tirisch sein sollen, übergehe ich ; : ich lehne ab, einem Kritiker zuantworten, der über ein Werk und seine Darbietung sich lustig macht,ohne es selber gehört zu haben. Lediglich auf die Behauptung von Tat-sachen, die einer Berichtigung würdig sind, will ich erwidern.)

Die Stilisierung der oben zitierten Sätze, die mir – ineigener Sache – eine Aktivität andichten, soll offenbar den Verdachterwecken, ich hätte die in der „Wiener Zeitung“ erschienene Bespre-chung meiner Vorlesung selbst verfasst. Die Wahrheit ist, dass die Be-sprechung nicht von mir stammt, sondern von einem, dessen Name undPerson Herrn Kraus durchaus bekannt ist.

Die Behauptung, der Saal fasse sechzig Personen, ist ebensofalsch wie die andre, es hätten damals von den sechzig ein Dutzendgefehlt. Aus dem beigelegten Schreiben der „Wiener Urania“ vom5. September 1935 ergibt sich, dass der Saal 72 Sitzplätze und 28 Steh-plätze fasst und dass damals, bei meiner Vorlesung des „Kaufmanns vonVenedig“, 86 Karten abgesetzt waren. Dass sämtliche 72 Stehplätzeverkauft und an der Abendkassa schliesslich nur noch Stehplätze, vondenen also 14 abgesetzt wurden, zu haben waren, weiss ich eben vonjenem Referenten der „Wiener Zeitung“, der für sich und seineFrau nur noch Stehplatzkarten erhielt; sie hatten es nur der Protektiondes Saaldieners, der noch Stühle beischaffte, zu danken, dass siedoch noch sitzen konnten.

In der Ende August 1935 erschienenen „Fackel“ heisst es,

ich bekunde „neuerdings“ einen „polemischen Ehrgeiz“, den manmir gar nicht zugetraut hätte. Wenn dies bedeuten soll, dass ichdiesen Ehrgeiz erst jetzt betätige, so verweise ich darauf, dass dieWiener Zeitung“ meine gegen die Zustände in Deutschland gerichte-ten Polemiken, die meistens mit meinem vollen Namen gefertigt er-scheinen, schon seit April 1933 veröffentlicht, dass sie also vieleschon zu seiner Zeit brachte, da Herrn Karl Kraus nichts als seinstolz bekannte n s Nichts“ einfiel. Als ihm dies einfiel, hat es wohlvieles unter sich begraben. Schade!

Indem ich für die erbetene Weiterleitung dieses Briefes be-stens danke, zeichne ich

hochachtungsvollDr. Flatter