Kraus übergab Oskar Samek auch Korrespondenzen zur Aufbewahrung, die sich mit rein literarischen Themen befassten. Im Falle einer späteren gerichtlichen Auseinandersetzung konnten sie dadurch auf Beweismaterial zurückgreifen. So bewahrte Oskar Samek eine sich über Jahre erstreckende Korrespondenz Karl Kraus’ mit dem ausgebildeten Juristen Richard Flatter auf. Flatter sandte dem Shakespeare-Verehrer Kraus 1926 erstmals eine Macbeth-Übersetzung zur Beurteilung. Kraus antwortete als Verlag Die Fackel und verwahrte sich prinzipiell aus Arbeitsüberlastung gegen solche Zusendungen. Im Jahr 1932 übersandte Flatter erneut seine Übersetzungen Shakespearscher Sonette, nachdem Kraus vor allem seine Übersetzung von Maß für Maß 1930 in der Fackel mehrfach kritisiert und persifliert hatte. Kraus schrieb wiederum als Verlag Die Fackel: „Wir müssen Ihnen aber vor allem die Aufklärung zukommen lassen, dass nicht nur die Annahme, irgendeine Zusendung würde Herrn Karl Kraus Freude machen, auf einem Irrtum beruht, der eben durch jene Umschlagnotiz deutlich berichtigt wird; sondern daß insbesondere die Vermutung, die von Shakespeare-Übersetzungen würde ihm als ‚einem solchen Shakespeare-Verehrer‘ zusagen, abwegig ist […]. Auch ist es natürlich ein Irrtum, zu glauben, dass es ihm, wenn überhaupt, nach einem öffentlich ausgesprochenen Tadel möglich wäre, die weitere Beurteilung privat fortzusetzen […]“ (76.5). Kraus wollte allerdings durchaus die von Flatter übersetzten Sonette zusammen mit dem Briefwechsel in der Fackel abdrucken. Richard Flatter gab seine Zustimmung jedoch nur zum Druck der Sonette – der Briefwechsel sei privat. Zudem begann er, Kraus die methodologischen Standpunkte seiner Übersetzungsarbeit darzulegen. Unter dem Deckmantel des Verlages Die Fackel informierte Kraus Flatter, dass eine Veröffentlichung der Sonette ohne begleitenden Briefwechsel nicht stattfinden könne und gab Flatter den Rat – zu dem er sich „vermöge der gemeinsamen Shakespeare-Verehrung“ verpflichtet fühlte – die Übersetzung der Sonette aufzugeben. Flatter veröffentlichte in Folge noch eine sprachkritische Untersuchung mit dem Titel „Karl Kraus als Nachdichter Shakespeares“, in der er seine eigenen Übersetzungsprinzipien verteidigte und die von Kraus verwarf. Flatter erkannte übrigens, dass Kraus sich „hinter dieser bequemen Maske“ des Verlages Die Fackel selbst mit ihm auseinandersetzte, und war empört, als er einmal einen anderen Verfasser oder gar eine Verfasserin zu erkennen meinte, „die sich in den vielzu weiten Mantel seines Meisters hüllt und mit piepsigem Organ die Stimme ihres Meisters nachzuahmen sich müht“ (76.11). Diese briefliche Auseinandersetzung dauerte bis 1936 an.
76.1 Brief Richard Flatter an Kraus
12. Oktober 1926
76.2 Brief Verlag Die Fackel an Richard Flatter
14. Oktober 1926
76.3 Brief Richard Flatter an Verlag Die Fackel
22. Oktober 1926
76.4 Brief Richard Flatter an Kraus
8. Oktober 1932
76.5 Brief Verlag Die Fackel an Richard Flatter
15. Oktober 1932
76.6 Brief Richard Flatter an Kraus
18. Oktober 1932
76.7 Brief Verlag Die Fackel an Richard Flatter
3. November 1932
76.8 Brief Richard Flatter an Verlag Die Fackel
7. November 1932
76.9 Brief Richard Flatter an Verlag Die Fackel
5. Dezember 1933
76.10 Brief Verlag Die Fackel an Richard Flatter
3. Dezember 1933
76.11 Brief Richard Flatter an Verlag Die Fackel
8. Januar 1934
76.12 Brief Verlag Die Fackel an Richard Flatter
17. Januar 1934
76.13 Brief Richard Flatter an Verlag Die Fackel
10. September 1935
76.14 Brief Richard Flatter an Verlag Die Fackel
3. März 1936
76.14 Originalmappe Oskar Samek – Akt 76
10. September 1935
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