99.16 Brief RA Max Hirschberg an Samek

Materialitätstyp:

  • Typoskript

Sender

Dr. MAX HIRSCHBERG
KAUFINGERSTRASSE 30
MÜNCHEN, C 7
Datum: 9. Mai 1928
Diktiersigle: 2/H

Empfänger

An: Herrn | Rechtsanwalt Dr. Oskar Samek
Schottenring 14
Wien I.
Seite von 2

Sehr geehrter Herr Kollege!

In Sachen Karl Kraus gegen Völkischer Beobachter (Wilhelm Weiss) habe ich bereits mit Brief vom5. Mai 1928 berichtet, daß das Hauptverfahren eröffnetist und daß Termin aufMontag, den 14. Mai 1928 vorm. 9 Uhr vor dem Amtsgericht München, Strafgericht, Mariahilfplatz 17a Saal 6/II anberaumt worden ist. Nachträglich hat derBeklagte abschriftlich anliegenden Schriftsatz eingereicht.Das Hauptverfahren war jedoch schon eröffnet. An derRechtslage wird durch diese verworrenen Ausführungennichts geändert. Das Gericht hat dem Beklagten im Eröffnungs-beschluß an sich den § 193 zugebilligt, jedoch wegender Form der Äusserung das Vorhandensein einer Beleidigungbejaht. Davon wird das Gericht auch auf Grund dieserAusführungen nicht abgehen. Es wäre mir aber erwünscht,rechtzeitig vor dem Termin eine Erwiderung des Herrn

Kraus auf diese Ausführungen zu erhalten, damit ichseinen Standpunkt in der Verhandlung authentisch interpretierenkann. Ich werde mich im übrigen in der Verhandlung möglichstauf das Juristische beschränken, da eine Debatte mitdem Beklagten, wie auch dieser Schriftsatz zeigt, vollkommenzwecklos ist. Wenn ein Nationalist und Militarist vonunerträglicher pazifistischer Hetzpropaganda“ spricht,hat es doch wirklich keinen Sinn, sich mit ihm sachlichauseinanderzusetzen. Ich bitte aber dafür zu sorgen, daßich diese Erklärung eilbrieflich bestimmt bis zum Terminerhalte. Im übrigen darf ich auf meinen Brief vom 5.V.28 Bezug nehmen.

Mit vorzügl. koll. HochachtungDr. Hirschberg Rechtsanwalt.

KrausVölkischer Beobachter 10. MAI 1928