125.133 Beweisabschluss des Landesgerichts für Z.R.S. Wien

Materialitätstyp:

  • Durchschlag
Datum: 29. April 1933
Seite von 4

7 Cg 322/3214

In der Rechtssache der klagendenPartei Verlag „Die Fackel“ Herausgeber Karl Kraus,prot. Firma, Wien III. Hintere Zollamtsstr. 3, vertretendurch Dr. Oskar Samek, RA. Wien I. Schottenring 14 widerdie beklagte Partei Stadt Frankfurt am Main als Konzes-sionärin der Frankfurter städt. Bühnen, zu Handen desMagistrates Frankfurt am Main vertreten durch Dr. RichardPressburger, RA. Wien I. Kärntnerring 12 wegen RM. 2000.– s.A.hat das gefertigte Gericht folgendenBeweisbeschluss gefasst:

Der Sachverhalt, der der Klage zu-grunde liegt, wird vom Kläger in folgender Weise der-gestellt:

Zwischen den Prozessparteien sei im Mai1929 ein Aufführungsvertrag bzgl. des Werkes „DieUnüberwindlichen“ von Karl Kraus abgeschlossen worden,und habe nach mehrmaligen Verlegungen des Termines dieBeklagte sich schliesslich verpflichtet, das erwähnteStück zwischen 1.X. und 31.XII.1931 aufzuführen. Tat-sächlich sei das Stück aber erst am 10.II.1932, undzwar nicht durch das Ensemble des Frankfurter Schauspiel-hauses, sondern durch ein Ensemble des LeipzigerKomödienhauses in Frankfurt aufgeführt worden. Es habenur eine einzige Aufführung stattgefunden und sei dasGastspiel des Leipziger Komödienhauses in Frankfurt von vornherein als ein einmaliges vereinbart und damitjede Auswertung des Erfolges vereitelt worden.

Die beklagte Partei wendet dagegen ein, dass dasStück in der heutigen Zeit völlig unaufführbar seiund bei der Aufführung am 10.II.1932 – also in derguten Theaterzeit – die Gesamteinnahmen nur 141.65 RMbetragen hätten, während sich die Ausgaben auf 1750 RMbeliefen.

Dass es nur zu einer einmaligen Aufführunggekommen sei, habe daher nicht in einer Abmachungmit dem Leipziger Komödienhaus, wonach angeblich vonvornherein nur ein einmaliges Gastspiel ins Auge ge-fasst worden sei, seinen Grund, sondern in dem Miss-erfolg des Stückes.

Tatsächlich wären „die Unüberwindlichenin weitesten Kreisen auf schärfste Ablehnung gestos-sen. So habe zum Beispiel der Kritiker der „FrankfurterNachrichten“, Dr. Bringezu am 10.11.1932 an den Direk-tor des Frankfurter Schauspielhauses Dr. Kronacher einen Brief gerichtet, in dem er davon spricht, dassdie seinerzeitige Aufführung fast zu einem Theater-skandal geführt hätte und dass er wiederholt Gelegen-heit gehabt habe, mit Frauen und Männern mit Protestanten, Juden, Katholiken und auch kirchlich Indifferentenüber das Stück zu sprechen; die Tatsache, dass hier dasreligiöse Empfinden weitere Kreise auf das Empfind-lichste verletzt worden sei, wurde von niemanden be-stritten.

Das Publikum habe während er Aufführungdas Theater schimpfend und fluchtartig verlassen.

Der Kläger bringt dagegen noch vor, dassdie Einnnahmen bei der Aufführung nicht 141.65 RM,sondern – nach der Tantiemenverrechnung der beklagtenPartei – 951.97 S betragen hätten.

Zugelassen wurde der Beweis

1.) durch Dr. Bringezu über seine Wahrnehmungen, wel-che Aufnahme und Beurteilung das Stück „Die Unüberwind-lichen“ bei deren Aufführung ein Frankfurter Schauspiel-haus gefunden und was den Anstoss zu seinem Schreibenvom 10.11.1932 gegeben hat und ob die darin enthaltenenAngaben, dass sich das Publikum durch dieses Stück abge-stossen fühlte, und gegen dasselbe ablehnend verhaltenhat, richtig seien;

2.) durch Dr. Kronacher und Paul Verhöven darüber,welche Wahrnehmungen sie bezüglich der Beurteilung diesesStückes durch das Publikum gemacht haben und weiters,welchen Kassenerfolg dieses Stück hatte, und ferner,ob für den Fall, dass das Stück mit Erfolg aufgeführtworden wäre, weitere Aufführungen in Aussicht genommenwaren, bezw, ob überhaupt von vornherein um eine ein-malige Aufführung mit dem Ensemble des Leipziger Komödienhauses vereinbart war;

3.) durch Kurt Meister und Peter Ihle darüber,dass die Beklagte mit dem Leipziger Komödienhaus nur eineeinmalige Aufführung der „Unüberwindlichen“ im Frank-furter Schauspielhaus vereinbart hatte.

Um die Einvernahme der Zeugen: Direktor Dr. Kron-acher, Frankfurt am Main, Frankfurter Schauspielhaus,Paul Verhöven, Regisseur, Frankfurt am Main Grüner Burg-weg 39, und Dr. Bringezu, Frankfurt am Main, per Adr.Frankfurter Nachrichten wird unter Anschluss einerAbschrift vom 10.11.1932 dasAmtsgericht Frankfurt am Main,

um die Einvernahme der Zeugen Kurt Meister, Schauspieler,Leipzig, Commeniusstrasse 19/I dasAmtsgericht Leipzig und um die Einvernahme des Zeugen Peter Ihle, Schau-spieler, Berlin-Charlottenburg, Savignyplatz 9/10 dasAmtsgericht Berlin-Mitte ersucht.

Die Parteienvertreter wollen von den Ein-vernehmungssatzungen verständigt werden.

Landesgericht für ZRS. Wien Abt. 7Wien, am 29. April 1933.Schweitzer

KrausFrankfurter städt.Bühnen30. MAI 1933