130.41 Brief Samek an RA E. Lion

Materialitätstyp:

  • Durchschlag mit handschriftlichen Überarbeitungen

Schreiberhände:

  • Oskar Samek, Bleistift

Sender

Oskar Samek
Schottenring
I., Innere Stadt
Datum: 13. Jänner 1930
Betreff: Kraus – Hamburger Nach-|richten II.
Diktiersigle: Dr.S/Fa.

Empfänger

An: Herrn | Dr. E. Lion, | Rechtsanwalt
Gänsemarkt 62
Hamburg 36
Seite von 2

Sehr geehrter Herr Kollege!

Ihr Schreiben vom 9. Jänner 1930 habeich Herrn Kraus zur Kenntnis gebracht. Herr Kraus meint, erhabe den Prozess doch nicht zu dem Zweck angefangen, um seinegefährdete Ehre unter Aufwand von Kosten wieder herzustellen.Herr Kraus führt die Prozesse nicht um bei den Lesern derZeitungen tadellos dazustehen, sondern lediglich als einesder Kampfmittel gegen die Zeitungen, die zur wahrheitsgemässenBerichterstattung mit jeden gesetzlich erlaubten Mitteln ver-halten werden sollen. Er unternimmt daher Prozesse nur dann,wenn sie mit grösster Wahrscheinlichkeit Aussicht auf Erfolghaben und Sie haben ja seinerzeit diese Aussicht mitgeteilt.Wenn natürlich der Stand des Prozesses ein ungünstiger ist,so musste der Vergleich abgeschlossen werden. Die Tatsacheaber, dass der Prozess eventuell gegen Herrn Hartmeyer ver-loren geht, dürfte von wenig Bedeutung sein, wenn die Straf-sache in zweiter Instanz gewonnen wird und die Zivilsachegegen Schabel erfolgreich endet. Dass Herr Hartmeyer von demganzen Fall bis zur Klageerhebung überhaupt nichts gewussthat oder zu mindest es behaupten wird, war ja vorauszusehen.

Wenn Sie nun einmal mit verklagt haben, jetzt aber glaubengegen ihn nicht durchdringen zu können, so wäre es vielleichtam zweckmässigsten die Zivilklage gegen Hartmeyer zurückzu-ziehen und sie nur gegen Schabel aufrechtzuerhalten, wodurchja die Kosten gegen Hartmeyer auf einen geringen Betrag be-schränkt werden. Keinesfalls können, wenn dies geschieht undin den übrigen Sachen der Prozess erfolgreich weiter geführtwird, die Kosten die auf Herrn Kraus entfallen Mk. 210.– aus-machen. Anders steht natürlich die Sache, wenn man befürchtenmuss, auch die Strafsache und Zivilsache gegen Schabel zu ver-lieren, da wäre selbstverständlieh noch vorzu schlagen ziehen , dieSache so auszugleichen, wie Sie es in Ihrem Schreiben vom9. Jänner 1930 beantragen.

Der ständigen Einwendung der Gegenseite, dass derVergleich an der Forderung einer Busse gescheitert ist, könnteman am besten dadurch entgegen treten, dass man jetzt auf dieBusse verzichtet, wie ich schon im Brief vom 25. September 1929 angeregt habe. Die gegenseitige Kostenaufhebung ist aber nachmeinem Dafürhalten, da wir doch bei günstigem Ausgang desProzesses mit Ausnahme gegen Hartmeyer schätzungsweise mit3/4 unseres Anspruches durchgedrungen sind, gewiss nicht amPlatze. Ich würde, um ein weiteres zu tun, um den Vergleichleichter zu ermöglichen, auf meine Kosten verzichten, wodurchsie sich um den Betrag von Mk.75.– verringern, vielleichtkönnen Sie bei der Gegenseite durchsetzen, dass wenigstens IhreKosten bezahlt werden.

Ich bitte Sie aber dies nur als Anregung zu betrachtenund nach Ihrem eigenen Urteil zu handeln und wenn Sie es fürnotwendig halten, den Vergleich auch unter gegenseitiger Kosten-aufhebung zu schliessen. Mit vorzüglicher kollegialer Hochachtung

KrausHamburgerNachrichten