132.1 Brief Samek an Neues Wiener Journal (verantw. Red. Desiderius Papp)

Materialitätstyp:

  • Durchschlag mit handschriftlichen Annotationen
  • Durchschlag mit sonstigen Schreibspuren

Schreiberhände:

  • Oskar Samek, Bleistift

Sender

Oskar Samek
Schottenring
Wien
Datum: 12. Juni 1929
Betreff: Kraus – Neues Wiener Journal VI.
Diktiersigle: Dr.S./Fa.

Empfänger

An: den | verantwortlichen Redakteur des „Neuen Wiener Journal“ | Herrn Dr. Desiderius Papp
Biberstrasse 5
Wien I.
Seite von 4

Im Vollmachtsnamen des Herrn Karl Kraus ver-lange ich die Aufnahme der Berichtigung der in der Nummer 12757 des37. Jahrganges vom 29. Mai 1929 mitgeteilten meinen Mandanten be-treffenden Tatsachen gemäss § 23 Pr.G.

Sie veröffentlichen: „(Karl Kraus will dieunentgeltliche Ankündigung seiner Vorträge erzwingen.) Der Presse-richter beim Strafbezirksgericht I. Vizepräsident Dr. Höfl-mayer, verhandelte gestern über zwei von Karl Kraus, dem Heraus-geber der ‚Fackel‘, gegen die verantwortlichen Schriftleiter derNeuen Freien Presse‘ und des ‚Tag‘ eingebrachten Berichtigungs-klagen. Im Konzerthaus fanden an einem Tage ein Liederabend und einVortrag Karl Kraus’ statt. Da in den Konzerthausankündigungen dergenannten Blätter der Vortrag nicht angekündigt war, verlangte KarlKraus die Veröffentlichung einer Berichtigung, da durch den Sammel-titel ‚Im Konzerthaus‘ der Anschein der Vollständigkeit des Pro-gramms erweckt würde, was nicht den Tatsachen entspreche. Die Be-

richtigung wurde verweigert und auch das Gericht fällte mit derBegründung einen Freispruch, dass es sich um eine be-zahlte Einschaltung einer Konzertdirektion handle.

Es ist unwahr, dass Karl Kraus die unentgeltlicheAnkündigung seiner Vorträge erzwingen will. Wahr ist, dass KarlKraus von der „Neuen Freien Presse“ die Aufnahme einer Berichtigungerzwingen will.

Es ist unwahr, dass Karl Kraus, da in den Konzert-hausankündigungen der genannten Blätter der Vortrag nicht angekün-digt war, die Veröffentlichung einer Berichtigung verlangte, weildurch den Sammeltitel „Im Konzerthaus“ der Anschein der Vollstän-digkeit erweckt würde. Wahr ist, dass der Sammeltitel, der denAnschein der Vollständigkeit erweckte, „Wr. Konzerthaus.“ gelautethat.

Wahr ist, dass Karl Kraus die Veröffentlichungeiner derartigen Berichtigung lediglich von dem Schriftleiter derNeuen Freien Presse“ verlangt hat. Wahr ist, dass er vom Schrift-leiter des „Tag“ die Berichtigung einer in der Nummer vom 7. Mai1929 veröffentlichten Notiz „Theaterskandal in Dresden. Bei derPremiere Karl KrausDie Unüberwindlichen‘.“ verlangt hat, inwelcher berichtet wurde, es sei dem Publikum mitgeteilt worden,dass Camillo Castiglioni gegen die Verwendung einer Figur, durchdie er verkörpert werden sollte, Einspruch erhoben habe und dassdiesem Einsprüche stattgegeben worden sei, dass ferner, währenddie Sozialdemokraten applaudierten, die Bürgerlichen ein Pfeif-konzert begannen und Stinkbomben warfen und schliesslich, dassdie Vorstellung unter allgemeinen Lärm zu Ende geführt wurde. Wahr

ist, dass der verantwortliche Schriftleiter des „Tag“ zwar frei-gesprochen, aber vom Gericht verhalten wurde, den grössten Teilder Berichtigung zu veröffentlichen.

Es ist unwahr, dass das Gericht einen Freispruchdes verantwortlichen Schriftleiters der „Neuen Freien Presse“ mitder Begründung fällte, dass es sich um eine bezahlte Einschaltungeiner Konzertdirektion handle. Wahr ist, dass das Gericht denFreispruch damit begründete, dass die verlangte Berichtigung denpressgesetzlichen Bestimmungen über das Berichtigungsrecht nichtentspreche, weil in der berichtigten Stelle nicht davon die Redesei, dass an diesem Tage „lediglich“ der Liederabend im Konzert-hause stattfand.

Rekommandiert mit Rückschein.

Das ist eine Meinung.