143.3 Brief Verlag Die Fackel an Frankfurter Künstlertheater

Materialitätstyp:

  • Durchschlag mit handschriftlichen Annotationen

Schreiberhände:

  • Frieda Wacha, Bleistift

Sender

Verlag Die Fackel (Wien)
Hintere Zollamtsstraße
III., Landstraße
Datum: 7. April 1930

Empfänger

An: das | Frankfurter Künstlertheater
Schöne Aussicht 16
Frankfurt am Main
Seite von 2

Kopie

Sehr geehrte Herren!

Die Ihrem Schreiben vom 31. März beigeschlossenen zwei Exem-plare sind zwar nicht die Ihres Programmheftes Nr. 6, das Sie sendenwollten, sondern abermals der Nr. 8, auf die sich unsere Zuschrift be-zogen hat. Wir wollen aber mit dieser Feststellung keineswegs die Nr. 6 reklamieren. Sie scheinen ja den Sinn unserer Kritik an der Berichter-stattung des Herrn S.N. völlig mißverstanden zu haben, wenn Sie unsvorhalten, es „wäre viel leichter gewesen, eine Anfrage hierher zu ge-ben, ob und wann die ‚Unüberwindlichen‘ besprochen worden sind“. Wirhaben eine solche Besprechung durchaus nicht vermißt, sondern ledig-lich festgestellt, daß in dem Rückblick über die Aufführungen der Volks-bühne die „Unüberwindlichen“ nicht vorkommen. Dieser Rückblick ist nachder Abwürgung des Werkes durch die Volksbühne erfolgt und wenn wirrichtig informiert wurden, so steht Herr S.N. – wenn er Nestripke hei- ßen sollte – der Berliner Volksbühne einigermaßen nahe. Ob Sie selbstmit der Berliner Volksbühne etwas zu tun haben, kommt hier kaum in Be-tracht. Ihren Rat, uns, wenn wir „auf die Leitung der Berliner Volks-bühne böse sind“, an diese Adresse zu wenden, haben wir insofern schon,bevor er erteilt wurde, befolgt, als wir gegen die Volksbühne einenProzeß angestrengt haben. Sie tun Unrecht, aus unserer ZuschriftErre-gung“ herauszulesen und sie mit dem Umstand zu kontrastieren, daß wirfür Wahrheit und Recht kämpfen“ und „an das Gute im Menschen glauben“.Um das Gute im Menschen handelt es sich in diesem Fall ganz und garnicht, aber weil wir für das Recht kämpfen, haben wir die Volksbühne wegen Kontraktbruchs belangt und der Wahrheit wollen wir insofern aufdie Beine helfen, als wir einer falschen Berichterstattung über BerlinerTheatervorgänge entgegentreten, die sich darin betätigt hat, daß siegewissermaßen die Pleite des Herrn Hartung auf Karl Kraus abwälzte. Inrühmenswertem Gegensatz zu der Leichtfertigkeit eines Korrespondenten,der über eine Theateraufführung berichtet, der er nicht beigewohnt hat,und über eine Sache aussagt, von deren Verbindung mit Herrn Karl Kraus er etwas läuten gehört hat, steht Ihre redaktionelle Gewissenhaftigkeit,mit der Sie sich, nicht beruhigt durch unsere Versicherung, daß HerrKarl Kraus an der Aufführung des Herrn Hartung unbeteiligt sei, nunmehran Herrn S.N. gewandt haben mit der Anfrage, ob er den Karl Kraus ge-meint habe, den wir meinen, den Herausgeber der Fackel nämlich, in wel-chem Fall Sie bereit sein werden, festzustellen, „daß das eine irrigeAnsicht ist“. Es wäre zwar nicht so sehr eine irrige Ansicht als diefalsche Behauptung einer Tatsache. Sie tun aber ganz recht mit dem Ver-such, sich gründlich zu informieren, denn man kann, wie sich zeigt, indiesen Dingen nicht vorsichtig genug sein. „Mit einer Nachricht, daßdie Bearbeitung ‚Pariser Leben‘ im Renaissancetheater nicht von KarlKraus ist, kann weder Ihnen noch uns gedient sein“, schreiben Sie so zu-treffend. „Denn womöglich meldet sich dann ein anderer Karl Kraus undbeansprucht wiederum eine Feststellung, daß er doch der Bearbeiter ist“.Zwar wäre uns schon gedient mit der Feststellung, daß unser Karl Kraus,der Herausgeber der Fackel nämlich, nicht der Bearbeiter für Hartung ist, aber gewiß ist es gut, sich Weitläufigkeiten zu ersparen, denn eskönnte doch wirklich der Fall sein, daß es noch einen Karl Kraus in derLiteratur gibt und einen, der gleichfalls „Pariser Leben“ bearbeitet

hat, ohne seine Bearbeitung dem Herrn Hartung zu entziehen, und daßHerr S.N. eben diesen gemeint hat. Wir sind gespannt, welches Resultatdie Erkundigung haben wird. Sollten Sie inzwischen von Herrn MarcellusSchiffer die Feststellung erhalten, daß er der Bearbeiter sei, so wür-de es sich gleichfalls empfehlen, sich zu erkundigen, ob es nicht nocheinen andern Marcellus Schiffer gibt, der womöglich wiederum eine Fest-stellung beansprucht, daß er nicht der Bearbeiter sei. Außerdem gibtes noch einen Bearbeiter von „Pariser Leben“, der Peter Scher heißt;der kommt aber ganz bestimmt nur einmal vor. Jedenfalls danken wir fürIhren guten Willen und zeichnen

hochachtungsvoll