152.1 Brief Samek an Arbeiter-Zeitung (verantw. Red. Oskar Pollak)

Materialitätstyp:

  • Durchschlag

Sender

Oskar Samek
Schottenring
I., Innere Stadt
Datum: 23. Dezember 1930
Betreff: Kraus - Arbeiter-Zeitung | VI.
Diktiersigle: Dr.S/Fa.

Empfänger

An: den | verantwortlichen Redakteur der Arbeiter-Zeitung | Herrn Dr. Oskar Pollak
Rechte Wienzeile 97
Wien VI.
Seite von 2

Im Vollmachtsnamen des Herrn KarlKraus verlange ich die Aufnahme der Berichtigung der inIhrer Nummer 334 vom 5. Dezember 1930 mitgeteilten meinen Man-danten betreffenden unrichtigen Tatsachen gemäss § 23 Pr.G.

Sie schreiben in der GerichtssaalrubrikEhrenbeleidigungsklage gegen Karl Kraus: „Wieder bezeichneteer ihn (Dr. Pisk) als ‚Schlieferl‘“. Dies ist unwahr. Wahr ist,dass bei der Vorlesung am 10. Juni 1929 das Wort „Schlieferl“zur Bezeichnung des Privatanklägers nicht verwendet wurde.

Sie schreiben: „Fast anderthalb Jahrekonnte sie (die Verhandlung), infolge steter Vertagungsanträgedes Verteidigers des Geklagten, nicht stattfinden.“ Dies istunwahr. Wahr ist, dass von Seiten der Verteidigung lediglichein einziger Vertagungsantrag am 5. März 1930 eingebracht wurde.Wahr ist, dass die Verhandlung nicht früher stattfinden konnte,weil Karl Kraus immer wieder zur Inszenierung von Offenbach-Auf-führungen im Berliner Rundfunk und zu Offenbach Vorträgen insAusland reisen musste.

Sie schreiben: „Dieser Verteidiger hattesich auch für die Verhandlung eine erstaunliche Taktik zugelegt.

Einesteils sollte mit den Schimpfworten Pisk gar nicht gemeintworden sein.“ Es ist unwahr, dass der Verteidiger vorgebrachthat, dass Pisk mit den Beleidigungen nicht gemeint sei. Wahrist, dass der Verteidiger laut dem nunmehr vorliegenden Protokoll folgendes vorbrachte: „Ich will nicht behaupten, dass der Privat-ankläger nicht gemeint war, es konnte auch der Privatankläger sich getroffen fühlen. Er war aber nicht erkennbar.

Sie schreiben: „Zum Erweis, dass Pisk nicht gemeint worden sei, marschierte eine Reihe von Zeugen auf,die bestätigen sollten, dass Kraus das, was er gesagt, nicht ge-sagt habe.“ Diese Behauptung ist unwahr. Die von der Verteidigunggeführten Zeugen sollten bestätigen, dass nicht die von der Privat-anklage behaupteten Worte gebraucht wurden, sondern eben die, diein der Fackel abgedruckt waren.

Sie schreiben, dass der Verteidiger einenWahrheitsbeweis anbot: „Pisk hätte auch Musikkritiken für einBerliner bürgerliches Blatt geschrieben“. Dies ist unwahr. Wahrist, dass der Verteidiger laut dem nunmehr vorliegenden Protokolleinen Wahrheitsbeweis angeboten hat: dass Piskals organisierterSozialdemokrat Mitarbeiter der Berliner Börsen-Zeitung ist, dieauf der äussersten Rechten steht und gegen die Sozialdemokratenauftritt.

KrausArb. Ztg. VI.exp. 23.12.30