152.6 Brief Samek an Kraus

Materialitätstyp:

  • Durchschlag

Sender

Oskar Samek
Schottenring
I., Innere Stadt
Datum: 13. Jänner 1931
Betreff: Kraus - Arbeiter | Zeitung Nr. VII.
Diktiersigle: Dr.S/Fa.

Empfänger

An: Karl Kraus
Schiffbauerdamm 4. | Hotel Hermes
Berlin NW.6
Seite von 2

Sehr verehrter Herr Kraus!

Heute fand die Hauptverhandlung über dieBerichtigungsklage statt. Der Richter hat ein Urteil gemäss§ 24, Absatz 3 Pr.G. gefällt, nämlich, dass die Berichtigung auch Stellen enthält, die nicht eine Berichtigung mitgeteilterTatsachen sind, daher festgestellt, was von der Berichtigungzu veröffentlichen ist und den Redakteur freigesprochen. Dr.Höflmayer hat folgende Sätze von der Berichtigungspflicht aus-genommen:1.) „Wahr ist, dass vor einer Zeitstrophe eine Polemik all-gemeiner Art gesprochen wurde“;2.) den Absatz: „Sie schreiben: ‚Dieser Verteidiger hatte sichauch für die Verhandlung eine erstaunliche Taktik zugelegt.Einesteils sollte mit den Schimpfworten Pisk gar nicht ge-meint worden sein. Das behauptete der Verteidiger, obwohl eseinfach unmöglich ist, dass Kraus selbst es behaupten könnte,dass er einen anderen als Pisk habe treffen wollen.‘ Es istunwahr, dass der Verteidiger ‚behauptet‘ hat, dass Pisk ‚garnicht gemeint sei‘. Wahr ist, dass der Verteidiger laut demnunmehr vorliegenden Protokoll folgendes vorbrachte: ‚ichwill nicht behaupten, dass der Privatankläger nicht gemeint

war, es konnte auch der Privatankläger sich getroffen fühlen.Er war aber nicht erkennbar.

Ich habe mir Bedenkzeit vorbehalten, binauch eigentlich der Ansicht, dass man eine Berufung nichteinbringen soll, weil mir die Frage, ob der ausgelassene langeAbsatz von Ihnen berichtigt werden muss oder nur von mir be-richtigt werden darf, nicht so interessant zu sein scheint.Ich schlage vielmehr vor, dass ich eine Berichtigung einsende,die den ausgelassenen Absatz enthält. Die Entscheidung wegendes Satzes zu 1) halte ich für zu unbedeutend, um daraufhinallein die Berufung zu gründen. Sollten Sie aber wünschen,dass die Berufung eingebracht wird, so bitte ich Sie, michtelegrafisch zu verständigen. Die Frist zur Anmeldung fürdie Berufung endet am 16. Jänner 1931.

Mit ergebener Hochachtung

KrausArb. Ztg. VII