173.17 Brief Verlag Die Fackel an Universal-Edition

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Sender

VERLAG „DIE FACKEL“
HINTERE ZOLLAMTSSTR. 3
WIEN, III.
Datum: 29. Februar 1932

Empfänger

An: die Universal-Edition
Wien I.
Seite von 2

Sehr geehrte Herren!

Wir danken Ihnen bestens für ihr so freundliches Schreibenvom 26. Februar, worin Sie uns mitteilen, daß Sie sich sofort an dieDirektion des Neuen Deutschen Theaters in Prag gewendet haben, und wo-rin Sie prinzipiell die Zusicherung geben, daß Sie nicht nur dem Wort-laut und dem Sinn der vertraglich übernommenen Verpflichtung, sondernauch dem Sinn der Überlassung von Offenbach-Werken an Ihren Verlag zuentsprechen und diese „jedem Übergriff einer Bühne gegenüber zu schüt-zen“ bemüht sein werden. Wir möchten jedoch darauf hinweisen, daß ausIhrem Antwortschreiben, welches lediglich die Verpflichtung der Bühnen,den Text völlig unverletzt zu sprechen“, betont, nicht klar hervor-geht, ob Sie gleich uns als einen solchen „Übergriff“ die Zerstörungdes A B C-Sextetts durch jene bildliche Zutat empfinden. Was die vonder Kritik des „Sozialdemokrat“ erwähnten Abweichungen vom Text an-langt, so ist ja die Tatsache, daß Herr Karl Kraus Ihnen vorher „kei-nerlei Mitteilung“ davon gemacht hat, eben aus unserer Feststellungvom 26. Februar zu erklären, daß er solche Abweichungen „an Ort undStelle nicht wahrgenommen“ hat. Wir haben übrigens vorsichtshalber beiHerrn Dr. Franzel angefragt, ob es sich nicht um die von Herrn Kraus selbst festgelegten Striche handeln könnte. Wären andere Text-Abwei-chungen schon bei den Proben bemerkt worden, so hätte Herr Kraus ja anOrt und Stelle dagegen Einspruch erhoben. Was aber ohne Zweifel vondem Bild dieser Proben abweicht, damals nicht wahrgenommen und eben inAbwesenheit des Textautors, bei der Erstaufführung, gezeigt wurde, istjene festgestellte skandalöse Zutat, mag sie nun ein Exkrement derPhantasie des Regisseurs sein oder der Einfall eines launigen Buffos,den er mit Erlaubnis der Regie angebracht hat. Sie werden nicht leug-nen, daß durch dergleichen das Kunstwerk, Musik sowohl wie Text, Scha-den nimmt, und überzeugt sein, daß der Autor des Textes und Schützerdes Werkes jeder moralischen Berechtigung verlustig würde, in Zukunftnoch gegen Offenbach-Schändungen aufzutreten, wenn er eine, die sichunter seinem eigenen Namen vollzieht, pardonierte. Im Gegenteil ist er

der Ansicht, daß die grundsätzliche Verwüstung Offenbachs durch denZeitgeist des Theaters läßlicher ist als eine bis zu einem gewissenGrad stilsaubere Aufführung, an der dem Textautor mit Recht ein Anteilzugeschrieben wird und die den Eindruck der Autorisation auch für deneingelegten Klamauk in Anspruch nimmt. Die Vorstellung, daß er für der-gleichen durch „persönliche Anwesenheit“ die Verantwortung übernommenhätte, ist absurd.

Wir möchten Sie deshalb bitten, uns mitzuteilen, in welchemSinne Sie an die Prager Direktion herangetreten sind. Textliche Abwei-chungen als solche könnten leicht in Abrede gestellt werden und wärenwohl auch nur durch den Autor selbst nachzuweisen, wichtig und unerläß-lich ist, daß die Direktion die Zusicherung gibt, auf jenes abscheuli-che Extempore, das der Textautor für einen Eingriff in sein Werk hält,zu verzichten. Sollten Sie nicht in der Lage sein, eine solche Zusiche-rung zu verlangen, und nicht in diesem Sinne an die Direktion herange-treten sein, so werden wir selbst den Versuch machen, sie zu einer Er-klärung zu bewegen. Wir sind dahin informiert, daß eine Möglichkeit, diegräßliche Zutat als autorrechtlichen Eingriff abzuwehren, durchaus be-steht. Wie dem immer aber sein mag, hält sich, wenn die Direktion dievon ihm verlangte Zusicherung nicht abgibt, Herr Karl Kraus nicht nurfür berechtigt, sondern auch für verpflichtet, zu erklären, daß seinName wie der Offenbachs gegen seinen Willen in eine Verbindung mit der-artigen Dingen gebracht sei, und die Rehabilitierung des verunehrtenWerkes im eigenen darstellerischen Wirkungskreis am Tatorte zu voll-ziehen.

Mit vorzüglicher Hochachtung