185.1 Antrag auf Vorerhebungen und Vornahme einer Hausdurchsuchung (Strafbezirksgericht I Wien)

Schreiberhände:

  • Oskar Samek, roter Stift
  • Oskar Samek, blauer Stift

Materialitätstyp:

  • Durchschlag mit handschriftlichen Annotationen
Datum: 8. August 1933
Stempel: Strafbezirksgericht I
Seite von 4

8. August 1933.Dr.S/Fa.

An dasStrafbezirksgericht I als PressegerichtWien.

Privatankläger: Karl Kraus, Herausgeber der Zeit-schrift ‚Die Fackel‘, Wien III., HintereZollamtsstrasse Nr. 3,durch:

Beschuldigter: Alfred Kinast, verantwortlicherRedakteur der Zeitung OesterreichischesAbendblatt, wohnhaft in Wien XV., März-strasse Nr. 32, Schriftleitung und Ver-waltung dieser Zeitung, Wien IX.,Canisiusgasse Nr. 8–10 und weitere unbe-kannte Täter,

wegen Ehrenbeleidiungbegangen durch die Presse 1 fach1 Vollmacht1 Beilage

Antrag auf Vorerhebungen und Vornahme einer Hausdurchsuchung.

Im Oesterreichischen Abendblatt vomMontag den 17. Juli 1933, Folge 84 erschien auf Seite 7 diefolgende Notiz:

Die ‚Fackel‘ eingestellt

Wie wir erfahren, ist die von dem Wiener Schriftstel-ler Karl Kraus herausgegebene ZeitschriftFackeleingestellt worden und wirdnicht mehr erscheinen. Damit verschwindet eines derübelsten Pressprodukte Wiensaus dem öffentlichen Leben.

Soweit die knappe Meldung von der Einstellungder Zeitschrift des ‚Fackel-Kraus‘. Man könnte sichmit der Registrierung dieser Tatsache auch begnügen,wenn es nicht symptomatisch wäre, dass der Schrift-steller Karl Kraus, der wiederholt bemüht warseinen Namen durch antiösterreichischeSchmähschriften bekannt zu machen, frei-willig den Entschluss fasst, seine Zeitschrift einzustellen. Jahre hindurch, seit demZusammenbruch, konnte die ‚Fackel‘ ungehinderterscheinen und hochverräterischeTendenzen insbesondere in die Jugend tragen.Mit der Einstellung der roten Monatshefte, die manin vaterländischen Kreisen längst das ‚Rote Malgenannt hatte, kann man auch die Karriere desbolschewistischen Schriftstellers für abgeschlossenbetrachten, der übrigens in den letzten Jahren, seitdem Tod seines Freundes Fritz Austerlitz,auch mit seinen eigenen Parteigenossen in einen Kon-flikt geraten war, weil die antiösterreichischenHetzreden Kraus’ selbst diesem nicht mehr behagten.

Karl Kraus hat im Krieg ein Buch ver-öffentlicht, das er ‚Die letzten Tageder Menschheit‘ nannte. Dieses Buch warwohl die übelste Verspottung deralten Armee und des alten Oesterreich undder ‚Schriftsteller‘ bereiste mit diesem Werkeincommis voyageur der eigenen Unbegabung – das Ausland,um Oesterreich auch in ent-fernten Ländern einen mög-lichst schlechten Ruf zumachen. So hat es dieser, allerdings rötlichangehauchte Vorfahre Theo Habichts in Paris, Berlin und Prag immer wiederunternommen, unser Land herabzusetzen. In den letztenJahren, nachdem er wegen seiner persönlichen Angriffeer liebte es, Privatangelegenheiten, die reinePrivatangelegenheiten waren, zu besabbern – öfters ge-züchtigt worden war, ging er daran, die grossenPhilosophen der Deutschen zu ‚bekämpfen‘ und er er-reichte den Kulminationspunkt seiner eigenen Albern-heit mit einer Schmähschrift gegenNietzsche. Er betätigte sich übrigens immer

wieder auch als Interpret fremderKunst, so auch als Sänger von Offenbach-Operetten. Das Publikum vertrug allerdingsdie Mischung von Operette,Philosophie und Politik schwerund lief davon.

Die entscheidende Niederlage aber wurde demFackel-Kraus durch keinen geringeren bereitet alsden Goldfüllfederkönig. Nach dem15. Juli, nachdem Kraus für die BrandstifterPartei ergriffen hatte, liess er ein Plakat drucken,auf dem es hiess, dass er den PolizeipräsidentenSchober auffordere, abzutreten. Worauf der Gold-füllfederkönigein würdiger Partner Kraus – einPlakat drucken liess mit der Aufforderung anSchober nicht abzutreten. Der Polizeipräsident blieb und Kraus war seither eine lächer-liche Figur geworden.

Trotzdem unterliess er es nicht, ständigOesterreich in Wort und Schrift herabzusetzen. Nunhat er, wie unsere Meldung besagt, seine Zeit-schrift eingestellt. Er hatdamit dem behördlichen Einschreiten in weiser Vor-sicht vorgegriffen. Das Organ des destruktiven, sich‚literarisch‘ gebärdenden, in Wirklichkeit aber un-fruchtbaren, schwächlichen und zersetzenden, inseinen Prätentionen aber ungeheuer aufgeblasenenJüngltums existiert nicht mehr.

Diese Notiz enthält eine Anzahl von Ehren-beleidigungen, deren Präzisierung der Privatanklage vorbe-halten bleibt. Vor allem ist es aber wichtig, den Schreiberder Notiz festzustellen.

Ich beantrage daher:1.) die Vornahme einer Hausdurchsuchung und die Beschlag-nahme des eventuell vorgefundenen Manuskriptes betref-fend den im Oesterreichischen Abendblatt vom 17. Juli1933, Folge 84 auf Seite 7 erschienenen Artikels „DieFackel‘ eingestellt“ weil das Manuskript für die Straf-sache von Bedeutung ist.

Die Hausdurchsuchung ist in der Schrift-leitung des Oesterreichischen Abendblattes in Wien IX.,Canisiusgasse Nr. 8–10 und eventuell in der Druckerei:Universitätsdruckerei Rudolf Hanel in Wien IX., Canisius-

gasse 8–10 vorzunehmen.

2.) Die Einvernahme des Beschuldigten Alfred Kinast darüber, ob er den Artikel vor der Drucklegung gelesenund zum Druck befördert hat; ferner, ob er den Ver-fasser des Artikels anzugeben bereit ist.

Karl Kraus.

KrausÖsterr. Abendblatt