192.24 Brief RA Johann Turnovsky an Samek

Materialitätstyp:

  • Typoskript mit handschriftlichen Annotationen

Sender

JUDr. JOHANN TURNOVSKY
Vodičkova 33
Prag
Datum: am 23.III.1936
Betreff: FACKEL-Auslieferungsvertrag | Kraus – Melantrich

Empfänger

An: P.T. | Herrn Dr. Oskar Samek, | Rechtsanwalt
Reindorfgasse 18
Wien – XIV
Seite von 4

Sehr geehrter Herr Doktor.

Die schriftliche Urteilsausfertigungist mir nunmehr zugestellt worden und ich sende Ihnen in derBeilage die wörtliche Uebersetzung des Urteiles ein.

Aus dieser werden Sie ersehen, dass die Urteilsbegründung zwarnicht ideal, aber immerhin so ist, dass das Urteil auch in denInstanzen standhalten kann. Insbesondere wird es Herrn K. wohlunangenehm berühren, dass das Gericht mit besonderem Nachdruckauf die Glaubwürdigkeit der Zeugenaussagen der Herren Münzer und Dr. Fučík hinweist, während es die Aussage des Herrn K.betreffend die Stellung des Herrn Münzer als Bevollmächtigtender beklagten Partei für nicht richtig hält. Das Gericht be-tont allerdings, dass es sich hier um einen Irrtum des HerrnK. handelt.

Ich habe schon bei meinen Unterredungenmit dem Richter bemerkt, dass dieser Münzer und Fučík vollenGlauben schenkt, und habe mich bemüht, ihn davon zu überzeugen,dass insbesondere Münzer dieses Vertrauen nicht verdient. Erhat doch weder ausdrücklich, noch durch konkludente Handlungenzu erkennen gegeben, dass er zu den Verhandlungen und zum Ab-schlusse des Vertrages nicht ermächtigt ist, im Gegenteil, seinVerhalten konnte keinen Zweifel darüber aufkommen lassen, dasser im Auftrage und im Einverständnisse mit dem Verlage handelt.

Das Ergebnis seiner Verhandlungen wurde ja auchvom Verlag Melantrich übernommen und schriftlich festgelegt.Der Passus des Urteiles, in welchem davon die Rede ist, dassdie beklagte Partei im Briefe vom 16.VI.1934 darauf verwiesenhat, dass Münzer nicht berechtigt war, für sie zu handeln undsie zu verpflichten, sodass der Irrtum des Herrn K. noch recht-zeitig in einem Zeitpunkte aufgeklärt worden ist, in welchemdie Verhandlungen zwischen den Parteien noch im Gange warenund der Vertrag noch nicht abgeschlossen war, beruht auf demgrundlegenden Irrtum, dass der Vertrag erst nach Austauschder vielen Briefe und nicht schon früher mündlich perfektioniertworden ist. Diese Auffassung widerspricht übrigens der eigenenFeststellung des Gerichtes darüber, was aus der vorgelegtenKorrespondenz als erwiesen angesehen werden muss.

Die Frage der Bevollmächtigung des Herrn Münzer ist jedoch durchaus irrelevant und die diesbezüglichen Bemerkun-gen der Urteilsbegründung sind wohl Schönheitsfehler, aberkeine Mängel, die gegen die Urteilsbegründung als solche irgend-wie geltendgemacht werden könnten.

Da ich nicht daran zweifle, dass die GegenparteiBerufung erheben wird, werde ich übrigens noch Gelegenheit haben,auf den diesbezüglichen Irrtum des Prozessgerichtes hinzuweisen.

Sonst ist das Urteil recht sorgfältig begründetund juristisch jedenfalls haltbar und ich nehme an, dass derRichter den Passus über die Glaubwürdigkeit der Zeugen deswegenaufgenommen hat, um es sich mit dem politisch sehr einflussrei-chen Melantrich-Verlag nicht ganz zu verderben, wenn er schongegen ihn entscheiden musste.

Ich bitte Sie, sehr geehrter Herr Doktor,das Urteil Herrn K. zu übermitteln und bei dieser Gelegenheitmitzuteilen, dass die Hauptverhandlung in Angelegenheit Dr.Emil Strauss SOZIALDEMOKRAT am 15.IV.1936, 11 1/2 Uhr vormit-tags stattfinden wird.

Ich bestätige mit Dank den Empfang der er-betenen Fackelhefte und bin mit besten Grüssen an Herrn K.und Sie und in vorzüglichster Hochachtung

Ihr ergebener:Dr. Turnovsky

1 Beilage

Fackel-AuslieferungsvertragKrausMelantrich 25. MRZ. 1936