193.139 Brief RA Johann Turnovsky an Samek

Materialitätstyp:

  • Typoskript

Sender

JUDr. JOHANN TURNOVSKY | Advokat
Vodičkova 33
Prag
Datum: 27.V.1936
Betreff: Kraus – Sozialdemokrat

Empfänger

An: P.T. | Herrn Dr. Oskar Samek, Advokat
Reindorfgasse 18
Wien – XIV
Seite von 4

Sehr geehrter Herr Doktor.

Ich erhielt Ihre beiden Briefe vom 25.und 26. d.M., sowie den Durchschlag des von Ihnen an den verant-wortlichen Redakteur des Prager Tagblatt eingesendeten Schrei-bens. Ich habe selbstverständlich gar nichts dagegen einzuwen-den, dass der Brief von Ihnen direkt und nicht unter meinemNamen abgesendet worden ist.

Zu der Anfrage, ob das Vorwort zu derErklärung, die vom Prager Tagblatt nur teilweise veröffent-licht wurde, zum Gegenstand einer Ehrenbeleidigungsklage ge-macht werden kann, gestatte ich mir folgendes zu bemerken:

Die Behauptung, dass die Erklärung Stel-len enthalten hat, die dritten Personen den Anlass zu einer Eh-renbeleidigungsklage gegen das Prager Tagblatt geben könnten,ist nach meiner Ansicht kaum inkriminierbar, denn diese Behaup-tung ist nicht identisch mit dem Vorwurfe, dass der Verfasseroder der Absender sich einer Ehrenbeleidigung schuldig gemachthaben. Ich glaube, dass den Anlass zu einer Ehrenbeleidigungs-klage auch eine Handlung bieten kann, die nicht beleidigend istund dass die betreffende Stelle des Vorwortes zu dem Teilabdruckder eingesendeten Erklärung nur dann inkriminiert werden könnte,

wenn behauptet worden wäre, dass jene Stellen der eingesendetenErklärung ausgelassen worden sind, die dritten Personen den An-lass zu einer begründeten Ehrenbeleidigungsklagegegen das Prager Tagblatt oder zu einer Verurteilung wegen derin der Erklärung enthaltenen Ehrenbeleidigungen geben könnten.Deswegen möchte ich nicht empfehlen, das Vorwort zu demTeilabdrucke der Erklärung zum Gegenstand einer Ehrenbeleidigungs-klage zu machen.

Dass der Artikel in dem Wiener-Anwaltsblatte nicht erscheinen wird, ist wohl schade, aber schliesslich hoffeich, dass der Nichtigkeitsbeschwerde entsprochen werden wird, auchwenn man nicht darauf hinweisen kann, dass das Urteil in auslän-dischen Fachkreisen Aufsehen erfegt hat. Die Ablehnung der Ver-öffentlichung des Artikels ist wohl darauf zurückzuführen, dasser sich mehr mit dem speziellen Fall, als mit der Theorie der be-treffenden gesetzlichen Bestimmung befasst hat. Dies konnte aller-dings nicht vermieden werden, wenn man den angestrebten Zweck er-reichen wollte. Ich könnte natürlich heute einen wesentlich gründ-licheren Artikel verfassen, doch hätte dies keinen Zweck, weil erdoch schon zu spät käme.

Die Möglichkeit, die Einvernahme des HerrnFischer in derselben Form durchzuführen, wie die Einvernahme desHerrn K. in Brünn, habe ich nicht in Erwägung gezogen, sondern nurdarüber zu Herrn K. bemerkt, dass diese Form der Einvernahme, wennsie durchführbar wäre, höchst erwünscht wäre. Ich halte sie je-doch nicht für möglich und weiss nicht einmal, ob es durchführbarsein wird, dass ich bei der Einvernahme des Herrn Fischer zwecks

Verdolmetschung seiner Aussage anwesend sein kann. Ich werdees jedenfalls versuchen und mich mit Herrn Fischer ins Ein-vernehmen setzen.

In vorzüglichster Hochachtung und bestenGrüssen, Ihr ergebener:Dr. Turnovsky

KrausSozialdemokrat28. MAI 1936