193.170 Urteil des Obersten Gerichts als Kassationsgericht Brünn (Zm. I 618/36-6 / Tk VI 8789/34) [Übersetzung]

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Datum: 23. Dezember 1936
Seite von 12

Zm. I 618/36-6.Tk VI 8789/34.

Das Oberste Gericht als Kassationsgericht hatin nicht öffentlicher Sitzung über die Nichtigkeitsbeschwerdedes verstorbenen Karl Kraus unter Berücksichtigung der vonseinem Bruder Josef Kraus gemäss § 15 des Gesetzes Nr. 108/1933 überreichten Erklärung wie folgt zu Recht erkannt:

Die gegen das Urteil des Kreis-Strafgerichtes als Kmetengerichtes in Prag vom 15. April 1936 G.Z. Tk VI 8789/34-41 überreichte Nichtigkeitsbeschwerde, mit welchem Dr. Emil Strauss gemäss § 259 Z. 2 St.P.O. von dergegen ihn wegen des Vergehens nach §§ 1, 2, 3, Ges. 108/33 bezw.wegen Uebertretung nach § 4 Ges. 124/1924 freigesprochen wurde,wird abgewiesen.

Der Bruder des Privatanklägers des verstorbenenKarl Kraus, Josef Kraus, ist verpflichtet, die Kosten des Straf-verfahrens und insbesondere auch die Kosten der Rechtsvertretungdes Angeklagten, deren Festsetzung dem Gerichte I. Instanz über-lassen wird, zu ersetzen.

Die gegen die Kostenentscheidung der I. Instanz überreichte Beschwerde wird auf diese Entscheidung verwiesen.

Begründung:

In der zur Verhandlung stehenden Angele-genheit hat der Privatkläger Karl Kraus rechtzeitig die Nich-tigkeitsbeschwerde angemeldet und durchgeführt. Wie durch dieZuschrift des Kreis-Strafgerichtes in Prag vom 1.XII.1936 TkVI 8789/34–35 amtlich bescheinigt wurde, ist der PrivatanklägerKarl Kraus nachher am 12. Juni 1936 ohne Hinterlassung andererzur Privatanklage gemäss § 15 Ges. 108/33 legitimierter Personenals der Geschwister, verstorben, von denen der Bruder des Pri-vatanklägers Josef Kraus am 17. Juni 1936 die Erklärung abgege-ben hat, dass er auf der Strafverfolgung beharrt.

Da diese Erklärung sowohl sachlich, alsauch zeitlich den im § 15 Ges. 108/33 festgesetzten Bedingungenentspricht, war mit Rücksichtnahme, auf diese Bestimmungen dasStrafverfahren fortzusetzen und die durch den verstorbenenPrivatankläger Karl Kraus überreichte Nichtigkeitsbeschwerde

zu erledigen.

Das Prozessgericht hat festgestellt, dassder inkriminierte Artikel unter dem Titel „Fackel als faszisti-sche Hetzschrift“ in Nr. 185 der periodischen Druckschrift„Sozialdemokrat“ vom 10. August 1934 erschienen ist und dassder Antrag auf Strafverfolgung wegen dieses Artikels am 11.September 1934 überreicht wurde. Ferner hat das Erstgericht festgestellt, dass zwischen dem verstorbenen PrivatanklägerKarl Kraus und dem Angeklagten Dr. Emil Strauss sub Tk XIX 366/36am 27. Jänner 1936 ein Vergleich über die von Karl Kraus gegenDr. Emil Strauss überreichte Klage wegen des Vergehens der Ehren-beleidigung abgeschlossen wurde, welches durch die Veröffentli-chung des Artikels „Der Verrat der Geistigen“ in Nr. 279 derperiodischen Druckschrift „Sozialdemokrat“ vom 30. November1935 begangen worden ist und dass sich der Privatkläger beiAbschluss dieses Vergleiches die Verfolgung des Dr. Emil Strauss wegen des unter dem Titel „Fackel als faszistische Hetzschriftin Nr. 185 der periodischen Druckschrift „Sozialdemokrat“ vom10.8.1934 nicht vorbehalten hat.

Das Gericht hat dann Dr. Emil Strauss vonder Anklage im Hinblick auf die Bestimmung des § 18 Ges. 108/33 deswegen freigesprochen, weil sich Karl Kraus bei Abschluss desangeführten Vergleiches die Verfolgung wegen des inkriminiertenArtikels nicht vorbehalten hat.

Das freisprechende Urteil wird durch dieNichtigkeitsbeschwerde vom Standpunkte der Nichtigkeitsgründegemäss § 281 Z. 4, 7.9,b St.P.O. angefochten.

Die Nichtigkeit gemäss § 281 Z. 7. St.P.O. erblickt die Beschwerde darin, dass das Gericht nicht festge-stellt hat, ob Dr. Emil Strauss das Vergehen gemäss dem Gesetzeüber den Ehrenschutz oder bloss die Uebertretung der Vernach-lässigung der pflichtgemässen Sorgfalt begangen hat. Alleindiese Feststellung war nicht notwendig, wenn das Gericht vonder richtigen Ansicht ausgegangen ist, dass die Verfolgungüberhaupt ausgeschlossen ist, mag es sich nun um das Vergehennach dem Ehrenschutzgesetze oder um die Uebertretung der pflicht-

gemässen Sorgfalt handeln. Ob nämlich diese Nichtigkeit sowiedie weitere gemäss § 281 Z. 4 St.P.O. geltendgemachte Nichtigkeitbegründet ist, hängt von der Lösung der Frage ab, ob die inder Beschwerde weiters geltendgemachte Nichtigkeit gemäss §281 Zl. 9b. St.P.O. begründet ist oder nicht. Ist diese Nich-tigkeit nicht begründet, dann fallen auch die vom Standpunktedes § 281 ZI. 4 und 7 St.P.O. geltendgemachten Nichtigkeitsgründe.

Bei der Geltendmachung des Nichtigkeits-grundes gemäss § 281 Z. 9b. St.P.O. macht die Berufung im Wesengeltend,

1./ dass die Bestimmung des § 18 des Ehrenschutzgesetzes mitRücksicht auf die Ueberschrift dieses Paragrafen bloss dannAnwendung finden darf, wenn es sich um gegenseitige Klagenhandelt,

2./ dass es nur dann notwendig ist, sich die Verfolgung vorzu-behalten, wenn die Verfolgung bisher nicht eingeleitet war,

3./ dass die Bestimmung des § 18 nicht angewendet werden darf,wenn es sich um die blosse Uebertretung der Vernachlässigungder pflichtgemässen Sorgfalt gemäss § 4 des Gesetzes Nr. 124/24 im Wortlaute der Kundmachung des Justizministeriums Nr. 145/33 handelt.

Allein, die Beschwerde ist nicht begründet.

ad 1./: Es ist richtig, dass für die Auslegung des Gesetzesdie Ueberschriften der einzelnen Gesetzesbestimmungen und dieMarginalrubriken ein wichtiges Hilfsmittel bilden, ebenso wiedie Motive des Gesetzgebers, allein immer ist ausschlaggebendder Gesetzeswortlaut. Nur wenn der Wortlaut des Gesetzes un-klar ist, können bei der Auslegung des Gesetzes die Ueber-schriften der einzelnen gesetzlichen Bestimmungen und die Ma-terialien ins Gewicht fallen. In diesem Falle hat jedoch dieUeberschrift kein Gewicht, weil die Bestimmungen des § 18 klarsind; der erste Absatz des § 18 spricht doch allgemein von bei-den Parteien eben dass „eine Partei“ – also sowohl der Klä-ger, als auch der Angeklagte – die andere Partei wegen einer an-

deren nach dem Gesetze über den Ehrenschutz begangenen straf-baren Handlung verfolgen kann, die sie begangen hat nur wennsie sich vor dem Vergleiche oder vor Schluss des Beweisver-fahrens ausdrücklich das Recht ihrer Verfolgung vorbehaltenhat und dass dieser Vorbehalt nicht notwendig ist, wenn derBerechtigte von der strafbaren Handlung oder von der Persondes Schuldigen erst nach Abschluss des Vergleiches oder nachSchluss des Beweisverfahrens Kenntnis erlangt hat.“

Weder in diesem Absatze, noch im zweiten Absatzedes § 18 wird von einem gegenseitig begangenenDelikt gesprochen und erst im Absatz 3 ist die Rede davon,dass die Bestimmungen des Absatz 1 auch auf gegenseitig be-gangene strafbare Handlungen Bezug haben. Der Gesetzgeber hatbei der Betitelung des § 18gegenseitige Klagen“ offenbarnur die Fälle gegenseitiger Beleidigungen im Sinne gehabt,deren im Absatz 3, als der am häufigsten sich wiederholendenErwähnung getan wird, welche Fälle verschiedentliche prozes-suale Ausflüchte bis zur Herausgabe des Gesetzes 108/33 er-möglicht haben. Die Ueberschrift des § 18 deckt sich dahernicht mit dem ganzen Inhalte dieses Paragrafen.

ad 2./ Wie aus der Begründung des Regierungsentwurfes/ Druck 830 ex 1930 Seite 29, 2 Abs./, ferner aus der Begrün-dung des Berichtes des verfassungsrechtlichen Ausschusses / Druck 2266/33, Seite 30 / klar hervorgeht, wollte der Gesetz-geber durch die Bestimmung des § 18 des Gesetzes über den Eh-renschutz durchsetzen, dass die Parteien völlig Farbe bekennenmüssen, damit alle prozessualen Kniffe ausgeschlossen und dannentweder durch ein Urteil oder einen Vergleich alle und zwarsowohl die einseitigen, als auch die gegenseitigen Beleidigun-gen zwischen den Parteien erledigt werden. Dieser Absicht ent-spricht vollkommen schon die Textierung des ersten Absatzes§ 18, der dritte Absatz setzt dann die Fristen zur Verfolgungder gegenseitig begangenen strafbaren Handlungen fest.

Damit dann ein klares Bild darüber geboten werde, was allesdie Veranlassung zu irgendeiner Strafverfolgung wegen Ehren-beleidigungen bieten kann, und damit diesbezüglich alle Aus-flüchte ausgeschlossen werden, ist im § 18 festgesetzt, dasssich die Parteien ausdrücklich das Verfolgungs-recht bezüglich aller ihr bekannten Beleidigungen vorbehaltenmuss, wenn sie ihretwegen die andere Partei verfolgen will.Dieser Vorbehalt muss gemacht werden, mag es sich um einbereits nach § 17 des Ehrenschutzgesetzes eingeleitetes oderbloss beabsichtigtes Verfahren handeln. Dass unter „Verfolgennicht bloss die Einleitung des Strafverfahrens, sondern auchseine Fortsetzung bis zum Schlusse verstanden werden muss,geht einerseits aus dem grammatikalischen Begriffe selbst her-vor, der nicht nur die Einleitung, sondern auch die Fortsetzungder bereits eingeleiteten Verfolgung in sich schliesst, sondernauch daraus, dass in der Verfolgung nicht nur die mit der Ein-leitung des Strafverfahrens verbundenen prozessualen Handlun-gen / § 17, 23, Z. 2 Ges. über des Ehrenschutz /, sondern auch sol-che Handlungen eingeschlossen sind, durch welche ein bereitseingeleitetes Verfahren fortgesetzt wird. / §§ 112 Abs. 2, 46, Abs. 3,57, Abs. 2 u. 3, 249, 255, 282 Abs. 2, St.P.O. / Wenn der Gesetzgeberdie blosse Einleitung des Strafverfahrens und keineswegs auchdie Fortsetzung im Sinne gehabt hätte, hätte er dies auch aus-sprechen müssen. Sollte man den § 18 Ges. über den Ehrenschutz dahin auslegen, dass seine Bestimmungen nur auf jene FälleBezug haben sollen, in welchen bisher die Verfolgung wegenEhrenbeleidigungen nicht eingeleitet war, dann wäre das bei-nahe ausgeschlossen, was der Gesetzgeber, wie oben angeführt,beabsichtigt hat.

Im § 18 des zitierten Gesetzes ist die Ab-sicht ausgesprochen, alle Strafverfahren wegen Ehrenbeleidigun-gen zwischen zwei Parteien – mögen hiebei beide Parteien alsKläger und Angeklagte, oder nur eine von ihnen als Kläger, dieandere als Angeklagter auftreten – zum Gegenstand tunlichsteines Verfahrens zu machen.

Der Hinweis der Nichtigkeitsbeschwerde auf § 57 St.P.O. istdaher nicht am Platze, denn dieser § hat gerade den umgekehr-ten Vorgang vor Augen, nämlich den Ausschluss einer Strafsacheaus einem gemeinsamen Strafverfahren.

Die Unterlassung des Vorbehaltes der weiterenVerfolgung beim Vergleichsabschluss ist eine prozessuale Unter-lassung, deren Folgen jeden treffen, der das zu tun unterlassenhat, was das Gesetz vorschreibt.

Insoferne die Nichtigkeitsbeschwerde die An-sicht vertritt, dass der § 18 nur nachträgliche Klagen imSinne hat und unter unrichtiger Zitierung der AnmerkungHrabánekMilota, Seite 254, als Inhalt der Materialien desGesetzes auf die Analogie des § 17 des Ehrenschutzgesetzes hinweist, muss angeführt werden, dass auch aus der Vorschriftdes § 17 Abs. 3. des E.Sch.G. keine Schlüsse für das Gebiet derVorschrift des § 18 Abs. 1. E.Sch.G. gezogen werden können;ist doch, ganz abgesehen von dem grundsätzlich verschiedenenWortlaute beider dieser Bestimmungen, auch die Beschaffenheitder Vorschrift des § 17 Abs. 3 grundsätzlich verschieden vonder des § 18 Abs. 1; in jenem Falle handelt es sich um dieRegelung des Klagerechtes gegen einige Personen, welche aneiner strafbaren Handlung teilgenommen haben, während durchdie Vorschrift des § 18 das Verhältnis normiert wurde, inso-ferne es sich um mehrere ausschliesslich zwischen denselbenPersonen vorgekommene Beleidigungen handelt, wobei hauptsäch-lich auch der Kniff der Ueberreichung nachträglicher Klagenzwischen denselben Parteien verhindert werden sollte, was beim§ 17 Abs. 3 sichtlich überhaupt nicht in Betracht kommt.

Ueber die prozessualen Schikanen und Kniffewar schon oben die Rede. Sie zu verhindern, war Zweck desGesetzes. Derlei Kniffe wären möglich, wenn ihnen das Gesetznicht eben durch die Bestimmung des § 18 Abs. 1 begegnet wäre,welcher deswegen den ausdrücklichen Vorbehalt der Verfolgungnicht nur für die Ueberreichung einer nachträglichen Klage,

sondern auch für die Fortsetzung eines bereits eingeleitetenStrafverfahrens anordnet, von welchem der Schuldige und dasGericht vielleicht nicht einmal weiss.

Der Vergleich setzt nicht, wie die Beschwerdemeint, gegenseitige Klage voraus. Einen Vergleich kann man evtl.auch über eine bloss einseitige Klage abschliessen, was häufiggeschieht und zwar sowohl im Straf- als auch im Zivilverfahren,damit die Parteien ohne Aufregungen und überflüssige Kostenschneller das erreichen, was sie anstreben, wenn auch viel-leicht in einem etwas reduzierten Masse. Zu diesem Zwecke wur-de auch in den §§ 24, 25, 27 bis 31 E.Sch.G. das obligatorischeVergleichsverfahren eingeführt, die alle Verfolgungsanträgewegen Ehrenbeleidigungen und zwar wegen gegenseitiger und ein-seitiger, zum Gegenstande haben. Der in einer Sache abgeschlos-sene Vergleich soll und muss nach dem Sinne des § 18 E.Sch.G. auch seine Folgen auf die andern zwischen den Parteien pen-denten Strafverfahren haben, mögen die Parteien diese Verfah-ren vor Augen gehabt haben oder nicht. Der Wortlaut des Ver-gleiches ist hiebei gleichgiltig und es muss aus ihm keines-wegs hervorgehen, dass die Parteien durch den Vergleich auch diezwischen Ihnen anhängigen Strafsachen erledigen wollten undes muss auch im Vergleiche keinesfalls eine Genugtuung fürandere Ehrenbeleidigungen gegeben werden. Wenn die Parteienbeabsichtigt haben, den Vergleich nur auf eine Beleidigungeinzuschränken, dann hätten sie sich das Recht der Verfolgunganderer Beleidigungen im Vergleiche vorbehalten sollen.

ad 3./: Hier handelt es sich um die Frage, ob die Ueber-tretung der Vernachlässigung der pflichtgemässen Sorgfaltgemäss § 4 Ges.Nr. 124/24 im Wortlaute des § 39 E.Sch.G. Nr. 108/33 nach diesem Gesetze, d.i. nach dem Gesetze Nr. 108/33 strafbarist.

Als „nach dem Ehrenschutzgesetze strafbare Handlungenim Sinne des 1. Absatzes des § 18 sind nicht nur die den §§ 1–4

Ehrenschutzgesetz angeführten Handlungen, sondern auch die Ueber-tretung der Vernachlässigung der pflichtgemässen Sorgfalt zuverstehen. Für diese Auslegung spricht vor allem die seit je-her und zwar schon durch die Judikatur des Wiener OberstenGerichtshofes anerkannte und betonte subsidiäre Beschaffenheitder genannten kulposen Uebertretung gegenüber dem Vergehengegen die Sicherheit der Ehre, begangen durch die Presse.Die Richtigkeit dieser Auffassung geht jedoch auch aus derganzen Entwicklung und dem Werdegange der Kompilierung desEhrenschutzgesetzes 108/33 hervor, sowie aus der Fassung die-ses Gesetzes selbst.

Wie aus dem ursprünglichen Regierungsent-wurfe / Druck 830/1930 / zu ersehen ist, hätte das Ehrenschutzge-setz mit einem unifizierten Rechtsgesetze / siehe § 40 Reg.Ent-wurf / Geltung erlangen sollen, durch welches auch das GesetzNr. 124/1924 aufgehoben werden sollte. Da jedoch diese ursprüng-liche Absicht nicht verwirklicht werden konnte und sich die Not-wendigkeit ergeben hat, einzelne Vorschriften des bisherigenPressgesetzes bereits vor der Herausgabe des neuen Pressgesetzeszu novellieren, ist es zu der gesonderten Herausgabe des Eh-renschutzgesetzes ohne Rücksicht darauf gekommen, wann das neuePressgesetz Geltung erlangen wird.

Mit Rücksicht darauf war es notwendig,abermals auch das Verhältnis zur Pressgesetznovelle Nr. 124/1924zu regeln. Dies geschah in der Weise, dass in den § 39 E.Sch.G. Bestimmungen der Pressgesetznovelle vom 30.5.1924 Zl. 124 G.Slg.in teilweise geänderter und den neuen Bestimmungen des Ges. 108/33angepasster Form aufgenommen worden sind.

Es liegt also schon nach allen diesen Er-wägungen und insbesondere auf Grund der systematischen Regelungdes Gesetzes auf der Hand, dass die Pressgesetznovelle einenintegrierenden Bestandteil des Gesetzes 108/1933 bildet.

Ist daher im § 18 des E.Sch.G. die Redevon nach diesem Gesetze strafbaren Handlungen, so sind darinnaturgemäss und selbstverständlich auch die Tatbestände der

pflich Uebertretung der pflichtgemässen Sorgfalt nach § 4 derPressgesetznovelle im Wortlaute der Kundmachung des Justizmini-steriums Nr. 145/1933 enthalten.

Dieser Auslegung widerspricht auch nicht derWortlaut der Vorschriften des Absatz 5 § 6 und Abs. 5 § 9 desE.Sch.Ges., in welchen angeführt ist, dass der §§ 6 und 9 desEhrenschutzgesetzes sinngemäss auch für die Uebertretung derpflichtmässigen Sorgfalt gelten. Es war doch der Zweck des Ab-satzes 5 § 6 und Abs. 5 § 9 E.Sch.Ges., wie der Motivenberichtdes verfassungsrechtlichen Ausschusses / Druck Nr. 2268/1933 Seite28, 29, / anführt, bloss alle Unklarheiten in der angeführten Rich-tung auszuschliessen. Gegen diese Auslegung spricht auch nichtder Wortlaut des § 23 E.Sch.Ges., insofern dort ausser von dennach dem Ehrenschutzgesetze strafbaren Handlungen auch von derUebertretung der Vernachlässigung der pflichtmässigen Sorgfaltdie Rede ist. Es wird doch auch durch diese vom § 18 einigermas-sen abweichende weitläufigere Diktion nichts an der Tatsachegeändert, dass auch die Uebertretung der Vernachlässigung derpflichtmässigen Sorgfalt im Sinne des § 18eine nach diesemGesetze strafbare Handlung“ ist, wenn sie doch in dieses Gesetzausdrücklich in veränderter Form nach § 39 E.Sch.Ges. aufgenom-men worden ist, welcher noch dazu auf die Strafsätze des §§ 1–4Ges. 108/33 hinweist.

Uebrigens war der Hinweis auf die Uebertre-tung der Vernachlässigung der pflichtmässigen Sorgfalt im § 6,Abs. 5 und § 9 Abs. 5 E.Sch.Ges. schon mit Rücksicht auf den Wort-laut dieser §§ am Platze, zumal in ihnen von den „in den §§ 1, 2 oder 4, angeführten strafbaren Handlungen / § 6 Abs. 1 / und von„Absehen von der Bestrafung wegen einer in den §§ 1, 2, oder 4 angeführten strafbaren Handlung / § 9 Abs. 1. / die Rede ist, sodasshier sicherlich mit Rücksicht auf diese Stilisierung der Hinweisauf die Uebertretung der pflichtmässigen Sorgfalt angebracht war,der in den letzten Absätzen der beiden Paragrafen enthalten ist.

Aus der subsidiären Beschaffenheit der Uebertre-tung der pflichtmässigen Sorgfalt gebt hervor, dass die beanstän-deten Artikel nicht von demselben Autor herrühren müssen. Mankann sich Fälle vorstellen, in welchen in derselben periodischenDruckschrift, ja in derselben Nummer, mehrere Autoren in ver-schiedenen Artikeln dieselbe Person angreifen und in diesem Fal-le ist für alle diese Artikel der verantwortliche Redakteur, zu-mindest wegen Vernachlässigung der pflichtmässigen Sorgfalthaftbar.

Zu den übrigen Ausführungen der Nichtigkeitsbe-schwerde wird noch Folgendes bemerkt:

Weder durch das Gesetz Nr. 124/24, noch durch dasGesetz Nr. 108/33, wurde die Vorschrift des § 390 St.P.O. aufge-hoben, nach welcher dem Privatankläger, insoweit das Strafver-fahren auf Begehren des Privatanklägers stattgefunden hat, durchBeschluss der Ersatz aller aufgelaufenen Kosten aufzutragenist, wenn das Strafverfahren auf andere Weise, als durch einverurteilendes Erkenntnis, beendigt wurde. Es ist wahr, dass derErsatz dieser oft sehr bedeutenden Kosten die zwischen den Par-teien herrschende Bitterkeit noch steigert und dass dadurchdie beleidigte Partei geschädigt zu werden pflegt, sodass zwi-schen den Parteien nicht Alles liquidiert wird. Allein dieseFolge eines auf andere Weise, als durch ein verurteilendesErkenntnis beendigten Strafverfahrens muss der Privatklägerimmer in Betracht ziehen, mag er die Klage leichtfertig erho-ben haben oder mag es sich nur um Aussprüche handeln, welchevon ihm zwar als Ehrenkränkung empfunden werden, jedoch dieBeschaffenheit einer nach dem Ehrenschutzgesetze strafbarenHandlung nicht erreichen, oder wenn der Wahrheitsbeweis er-bracht wird, schliesslich, wenn er, wie in dem gegebenen Falle,irgendeine prozessuale Handlung unterlässt. Man kann alsonicht behaupten, dass dadurch der durch den § 18 angestrebteZweck vereitelt würde.

Es ist daher der Nichtigkeitsgrund gemäss § 281 Z. 9b

St.P.O. nicht begründet.

War jedoch die Verfolgung überhaupt ausge-schlossen, dann ist es gleichgiltig, ob es sich um das Ver-gehen gegen die Sicherheit der Ehre, oder um die Uebertretungder Vernachlässigung der pflichtmässigen Sorgfalt gehandelthat und ob gewisse Beweise hätten zugelassen werden sollenoder nicht. Es ist daher nicht notwendig, sich noch separatmit den Nichtigkeitsgründen gemäss § 281 Zl. 4 und 7 St.P.O. zu befassen. Im Uebrigen war die Frage der Auslegung des § 18des E.Sch.Ges. in der Entscheidung des Obersten Gerichtes Z. 5670der Sammlung bereits grundsätzlich erläutert und der Beschwerdeführung auf die in dieser Entscheidung angeführten Begründungverwiesen / Anmerkung: es handelt sich um die jüngst publizierteEntscheidung in dem durch die Kanzlei Dr. Meissner, Dr. Sommer ge-führten Prozess /.

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Privatanklägers war daher unter den Voraussetzungen des Gesetzes Nr. 56/33 be-reits in nichtöffentlicher Verhandlung abzuweisen.

Was den Ausspruch über die Kosten betrifft,ist Folgendes zu sagen: Das Recht gewisser Personen und Grup-pen im Falle des Ablebens des Privatanklägers nach der Ueber-reichung des Ansuchens um Strafverfolgung auf Strafverfolgungzu beharren, wurde abweichend von der bisherigen Gesetzgebung/ § 495 St.G. / im § 15 Abs. 3 E.Sch.Ges. neu geregelt.

In der Kostenfrage enthält dieses Gesetz keiner-lei separate Bestimmungen, wie auch aus dem § 34 Abs. 2 des Ge-setzes hervorgeht, in welchem nur die Frage der Haftung für dieKosten in dem Falle geregelt wird, wenn Privatkläger eine Or-ganisation ist, die keine juristische Person ist. Es gelten da-her für den Fall des § 15 Abs. 3 Ges. 108/33 zweifellos die Vor-schriften der St.P.O., welche diesbezüglich weder abgeändert,noch aufgehoben worden sind. Es muss daher der Privatankläger,der bei der Strafverfolgung beharrt, sicherlich die Folgen die-ser seiner Erklärung tragen und gemäss § 390 Abs. 1 St.P.O. alle

Kosten tragen, insbesondere gemäss § 393 Abs. 3 St.P.O. alleKosten der Verteidigung, wenn es zu einem freisprechenden Er-kenntnisse gekommen ist. / ohne Berücksichtigung des Fallesdes § 34, Abs. 4 E.Sch.Ges., welcher hier alledings nicht inBetracht kommt.

Für die Richtigkeit dieses Standpunktesspricht auch der Inhalt des Motivenberichtes / Zl. 830. 1930 /,in welchem auf Seite 27 angeführt ist, dass „die angeführtenPersonen – zu verstehen sind die im § 15 Abs. 1 genannten Per-sonen – in die Rechte des Verstorbenen eintreten“.

Es war daher in diesem Falle dem Privatan-kläger – dem Bruder des verstorbenen Privatklägers Karl Krausder Ersatz aller Kosten und zwar nicht nur der des Nichtig-keitsverfahrens, sondern auch des Strafverfahrens überhaupt,aufzuerlegen.

Dadurch wird auch der Beschluss des erken-nenden Gerichtes über die Kosten in ersten Instanz vom 15.IV.1936 gegenstandslos, welcher unter ganz anderen Voraussetzun-gen herausgegeben wurde, nämlich in einem Zeitpunkte, in wel-chem der ursprüngliche Privatkläger Karl Kraus noch am Leben war.Dieser Beschluss hat infolge der Nichtigkeitsbeschwerde unddes Kostenrekurses bisher keine Rechtskraft erlangt.

Durch diese Entscheidung ist auch der vonder Klagspartei gegen diesen Kostenbeschluss der I. Instanz überreichte Rekurs gegenstandslos geworden.

Brünn, am 23. Dezember 1936.