195.8 Brief Samek an RA Johann Turnovsky

Materialitätstyp:

  • Durchschlag

Sender

Oskar Samek
Reindorfgasse
XIV., Penzing
Datum: 16. Oktober 1934
Betreff: Kraus – Aufruf
Diktiersigle: Dr.S/Fa

Empfänger

An: Herrn | Dr. Johann Turnovsky, | Advocat
Vodickova 33
Prag II.
Seite von 4

Sehr geehrter Herr Kollege!

Nach seiner Rückkehr, die vor zwei Tagenerfolgte, hatte ich Gelegenheit Herrn Kraus den Klagsentwurf vorzulegen, um mit ihm den Entwurf einer Erklärung zu be-sprechen. Beim Durchlesen der Klage sind nun Herrn Kraus Be-denken bezüglich der Richtigkeit respektive Verständlichkeitder folgenden Stellen aufgefallen:

1.) Er meint, dass der von mir eingefügte Satz: „… bezeich-net die Zurückweisung seiner Erwartung auf einen ‚Aufruf‘ alseine Verunglimpfung …“ dem Richter nicht genügend verständ-lich sein wird und dass man entweder bei der mündlichen Ver-handlung oder vorher in einem Schriftsatz weiter ausführen müs-se, der Angeklagte habe den (der ganzen Sorte gemachten) Vor-wurf der Sensationserwartung als Verunglimpfung bezeichnet, dienoch schwerer wäre, wenn nicht … Es muss der Richter davonabgelenkt werden, anzunehmen, dass man das Wort „Verunglimpfung“am Ende als Beleidigung empfunden habe. Falls Sie der Ansichtsind, dass es in einem Schriftsatz zu geschehen habe, so er-bitte ich mir Ihre Ansicht. Ich werde dann mit Herrn Kraus be-sprechen, wie dieser abgefasst werden soll.

2.) Zu der vierten inkriminierten Stelle meint Herr Kraus, dass

wir sie missverstanden haben. Die Stelle lautet: „Der, der nur‚um den Graben geht‘ hat durch ‚lukrative‘ Umschlagtitel immernoch nicht genug verdient, um grosse Sprünge machen zu können,zum Beispiel um durch langes Nichterscheinen und Akkumulierungder Spannung Aufmerksamkeit zu multiplizieren.“ Damit wollteder Angeklagte nun offenbar nicht aus drücken, dass der Privat-ankläger durch die geschickten und eindrucksvollen Umschlag-titel seiner Zeitschrift viel Geld verdient habe, ihm das abernicht zu genügen scheine, weshalb er, um noch mehr zu verdienen,das Erscheinen der Fackel zurückzuhalten und dadurch bei seinenLesern eine Spannung hervorgerufen habe, die einen erhöhtenAbsatz der Fackel und dadurch ein erhöhtes Einkommen des Privat-anklägers zur Folge haben müsse, sondern diese Stelle heisstso viel, dass der „Aufruf“ es sich nicht leisten könne, gleichdem Privatankläger durch langes Nichterscheinen und Akkumulie-rung der Spannung Aufmerksamkeit zu multiplizieren und denmateriellen Erfolg zu erzielen, weil er trotz seinen lukrativenUmschlagtiteln, (die er gleichsam zugibt), die ihm in der Fackel zum Vorwurf gemacht werden, immer noch nicht genug verdient hat,um grosse Sprünge zu machen.

Auch zu diesem Punkt erbitte ich mir dieAntwort, ob der Sachverhalt bei der mündlichen Verhandlung oderschon vorher in einem Schriftsatz richtiggestellt werden soll.

Bei dieser Gelegenheit frage ich Sie, obSie es nicht für angezeigt hielten, zur Informierung der Justiz über ein doch offenbar verzerrtes geistiges Charakterbild dietschechischen Aeusserungen, deren Zusendung an Sie ich veran-lasst habe, gegebenenfalls vorzulegen.

Ferner erbitte ich mir eine gefällige Mit-

teilung, ob in dieser Sache eine Vergleichstagsatzung anbe-raumt war und wie sie verlaufen ist.

Den Entwurf der Erklärung werde ich erstin der nächsten Woche mit Herrn K. besprechen können und Ihnendann einsenden. Herr K. hat mich auch ersucht, Ihnen für alleIhre Berichtschreiben seinen besten Dank auszudrücken.

Ich zeichne

mit vorzüglicher kollegialerHochachtung

Betr. KrausAufrufexp. 16.10.1934.