195.27 Brief Samek an RA Johann Turnovsky

Materialitätstyp:

  • Durchschlag

Sender

Oskar Samek
Reindorfgasse
XIV., Penzing
Datum: 18. Februar 1935
Betreff: Kraus – Aufruf
Diktiersigle: Dr.Sa/Ma

Empfänger

An: Herrn | Dr. Johann Turnovsky
Vodickova 33
Prag II.
Seite von 2

Sehr geehrter Herr Kollege!

Ich danke Ihnen vielmals für Ihr freundlichesSchreiben vom 11. Februar 1935 und die diesem beigelegte Ueber-setzung des Schriftsatzes der Beklagten. Ich bedaure sehr, dassSie sich zu dem Schriftsatz nicht geäussert haben, weshalb ichnicht sofort entscheiden kann, ob der Ausgleichsantrag derGegenseite anzunehmen oder abzulehnen ist. Es wird gewiss IhrerAufmerksamkeit nicht entgangen sein, dass einige von den zahl-reichen Zitaten falsch, andere aus dem Zusammenhang gerissenunverständlich sind und insbesondere, dass sich sämtliche Zitatenicht auf die Person des Ing. Butschowitz beziehen, sondern aufdritte Personen oder auf die Partei, dass aber merkwürdigerweisegerade der Teil der Fackel, der sich mit Herrn Ing. Butschowitz resp. mit Herrn Verneau selbst beschäftigt (Seite 66ff. desJuliheftes), gar nicht angeführt worden ist. Da ich die Bestim-mungen des tschechischen Gesetzes nicht kenne, bin ich mir nichtim Klaren, ob nach den Gesetz oder nach den Entscheidungen dieMöglichkeit besteht, dass der Angeklagte sich auf eine Erregungausredet, die dadurch entstanden ist, dass Andere, seien esauch Partei- oder Gesinnungsgenossen, beleidigt worden sind,während er die ihm selbst zugefügte Behandlung als nicht beleidigendausser Betracht lässt. Würde die Gefahr bestehen, dass Herr Ing.Butschowitz tatsächlich freigesprochen wird, weil die sozial-demokratische Partei und Gesinnungsgenossen von ihm beleidigtworden waren, so könnte man selbstverständlich den Prozess nichtweiterführen, sondern müsste die angebotene Ehrenerklärungannehmen. Ich möchte auch weiters fragen, ob, was ich für selbst-verständlich halte, aber was von Ihnen nicht ausdrücklich mit-geteilt worden ist, in diesem Falle die Gegenseite die Kosten

zu tragen bereit ist. Ferner möchte ich fragen, ob Ihnen zurVorlage der Uebersetzung des beleidigenden Artikels eine Fristgesetzt worden ist, oder ob dies in Ihrem Belieben steht. NachBeantwortung dieser Frage werden Herr K. und ich erst zu entschei-den in der Lage sein, ob der Prozess weitergeführt werden soll.

Damit vielleicht manche Frage meinerseits überflüssigwerde, wäre es zweckmässig, wenn Sie mir das tschechoslovakischeGesetz über die Beleidigungen mit Entscheidungen einsenden,woferne dies in deutscher Sprache erhältlich ist.

Indem ich Sie herzlichst grüsse und Ihnen auch dieGrüsse des Herrn K. und seinen besten Dank übermittle, zeichneich

mit vorzüglicher kollegialer HochachtungIhr ergebener

KrausAufruf / 18.2.1935