196.99 Brief Samek an Heinrich Fischer

Materialitätstyp:

  • Durchschlag mit handschriftlichen Überarbeitungen

Schreiberhände:

  • Oskar Samek, Bleistift

Sender

Oskar Samek
Reindorfgasse
XV., Rudolfsheim-Fünfhaus
Datum: 17. Mai 1936
Betreff: Kraus – Arbeiterzeitung.
Diktiersigle: Dr.Sa/Ma.

Empfänger

An: Herrn | Heinrich Fischer
Slezska 115
Prag, XII.
Seite von 2

Sehr geehrter Herr Fischer!

Sie werden in den nächsten Tagen eine Ladungvor das Prager Gericht erhalten, um in der Angelegenheit desHerrn K. gegen die „Arbeiterzeitung“ als Zeuge vernommen zu werden.Ursprünglich sollten Sie nur über ihr Wissen von eine s m Verkehresdes Herrn K. in Berlin im Jahre 1925 in kommunistischen Kreiseneinvernommen werden und über eine Rede des Herrn Sonnenschein-Sonka bezüglich des Abwehrkampfes des österreichischen RegimesDollfuss und Schuschnigg, von der Sie Herrn K. Mitteilunggemacht haben. Nachträglich hat Herr Dr. Gallia, der BrünnerVertreter des Herrn K., den Plan gefasst, Gegenzeugen gegen dievon den Angeklagten behaupteten Tatsachen eines angeblichenGesinnungswechsels und insbesondere etwaiger unlauterer Motivezu führen. Leider ist der Akt schon nach Prag abgegangen, sodasses Herrn Dr. Gallia unmöglich war, auf die weitere FragestellungEinfluss zu nehmen. Er empfiehlt aber, dass Sie die zwei weiterenFragen, die er an Sie zu stellen gehabt hätte, ohne gefragt zuwerden, zum Gegenstande ihrer Aussage machen, und erwartet, dassSie dabei keinem Widerstand des Untersuchungsrichters zubegegnen haben werden. Wenn also Ihre Aussage auch in dieserRichtung möglich sein wird, so bitte ich Sie, sie abzulegen undauch als genauer und langjähriger Leser der Fackel auszusagen,

welches was der Inhalt der Stelle aus der Nr 912–915, Seite61f., letzter Absatz, ist, von der die Angeklagten behaupten,sie enthalte eine Aeusserung des Herrn K. über „die tschecho-slowakische Nation und ihren Kampf um die Befreiung in demSinn, es hätte ‚die Partei den Hausherrn hinausgeworfen‘.Als Hausherrn bezeichnet er die Habsburger und Partei istzufolge der beseelten Ansicht des Privatklägers offenkundigdie tschechoslowakische Nation, die seiner Ansicht nachoffenbar keinen Anspruch auf Selbständigkeit gehabt habe“.Es wäre ausführlich darzulegen, was in diesem Absatz steckt,insbesondere wäre der der sozialdemokratischen Partei gemachteVorwurf, den Bekessy in Wien eingebürgert und Herrn MaxReinhardt eine Wohnung in Schönbrunn und in der Hofburg ein-geräumt zu haben, deutlich herauszuarbeiten. Sollten Sieirgendwelche Schwierigkeiten bei der Ablegung der Zeugenaussagein dieser Richtung haben, weil sie bisher nicht Gegenstandeines Antrages war, so bitte ich, es mir unverzüglich mitzu-teilen, damit Herr Dr. Gallia das Nötige veranlassen kann, wasallerdings zur Folge hätte, dass Sie eine zweite Aussageabzulegen hätten. Es wäre vielleicht auch vorteilhaft, dassSie Ihre Zeugenaussage vorher mit Herrn Dr. Turnovsky besprächen,der im Besitze einer Abschrift seines Schriftsatzes an dasBrünner Gericht ist.

Mit besten Grüssen undvorzüglicher Hochachtung