196.100 Brief RA Johann Turnovsky an Samek

Materialitätstyp:

  • Typoskript

Sender

JUDr. JOHANN TURNOVSKY
Vodičkova 33
Prag
Datum: 18. Mai 1936
Betreff: Kraus – Varia

Empfänger

An: Herrn | JUDr. Oskar Samek, | Rechtsanwalt
Reindorfgasse 18
Wien XIV.
Seite von 4

Sehr geehrter Herr Doktor!

Betrifft: Arbeiterzeitung.

Ueber Herrn Dr. Richard Liška habe ich Folgendeserfahren:

Er war bereits unter Oesterreich in diplomatischenDiensten, während des Krieges im Aussenministerium in Wien und wurdenach dem Umsturze vom tschechischen Staate in die Dienste desAussenministeriums übernommen. Hier hat er sich sehr bewährt und esbis zum Chef der Wirtschaftssektion gebracht. Ende 1925 hat er sichfreiwillig pensionieren lassen, da ihm das Beamtenrestriktionsgesetzdie Möglichkeit der Erlangung einer angemessenen Pension / cca Kč 2200.–monatlich / gewährt hat. Nach seiner Pensionierung hat er seine medi-zinischen Studien beendet und übt jetzt seine Praxis als Arzt aus.Er soll ziemlich viel zu tun haben, und bei seinen Patienten sehr be-liebt sein. Er wird als in jeder Hinsicht einwandfreier und sehrgeachteter Mann geschildert. Beim Aussenministerium hat er sichnichts zu schulden kommen lassen, im Gegenteil er soll dort gros-ses Ansehen genossen haben. Er gehört keiner politischen Parteian und ist also politisch in keiner Weise diskreditiert.

Nach dieser von seriöser Seite erteilten Auskunftbesteht kein Hindernis, Herrn Dr. Liška in Prozessen des Herrn K.

als Zeugen zu führen. Da Sie schreiben, dass der genannte Herr ein fanatischer Anhänger des Herrn K. ist, könnte ich doch wohl mitihm selbst sprechen und ihn fragen, ob er bereit wäre, als Zeugeaufzutreten und bei dieser Gelegenheit in entsprechender Weiseaus ihm herausholen, ob er selbst der Ansicht ist, dass die Geg-ner gegen seine Person keinerlei Einwendung erheben können.

Betrifft: Sozialdemokrat.

Auf Ihr w. Schreiben vom 15. d.M. gestatte ichmir mitzuteilen, dass nach meiner Ansicht der im „Sozialdemokraterschienene Prozessbericht zum Gegenstande einer Anklage gegenDr. Schwelb und Dr. Strauss gemacht werden sollte. Ich bin über-zeugt, dass der ganze Prozessbericht von Dr. Schwelb verfasst wor-den ist und dass an ihm keine redaktionellen Veränderungen vorge-nommen worden sind. Dr. Schwelb wäre auch sonst für den Bericht verantwortlich, weil er nicht behaupten kann, er sei nicht der Infor-mator des „Sozialdemokrat“ gewesen. Viel schwieriger wäre es, ihnwegen der im „Prager Tagblatt“ erschienenen Berichtigung zu belan-gen. Ich sende Ihnen daher die Uebersetzung des Klagsentwurfes ein und bitte mir mitzuteilen, ob die Klage nach diesem Entwurfeoder mit allfälligen Abänderungen überreicht werden soll. Da ichvon Ihnen keine Mitteilung darüber erhalten habe, ob das zweiteBerichtigungsschreiben mit Widerruf der ersten Berichtigung abge-sendet werden soll, nehme ich an, dass Herr K. von der Absendungdieses Briefes absehen will.

Betrifft: Prager Tagblatt.

Die Erklärung dieses Blattes wird Herr K. wohl gelesen haben. Es ist mir nicht klar, inwiefern der ersteAbsatz der dem Tagblatt eingesendeten Erklärung Veranlassung

zur Ueberreichung einer Ehrenbeleidigungsklage gegen dieses Blatt seitens dritter Person geben könnte. Die Streichung – – – – – – – – – –dieses ersten Absatzes ist wohl auch als beabsichtigte Vereitelungdes von Herrn K. angestrebten Zweckes zu deuten. Trotzdem weissich nicht, ob man die Angelegenheit weiter verfolgen soll; dieUeberreichung der Ehrenbeleidigungsklage scheint mir nicht sehraussichtsreich.

Betrifft: Aufruf, Dr. Bill, Ing. Butschowitz.

In dieser Sache habe ich wiederholt wegen Anordnungder Hauptverhandlung interveniert. Immer wieder hat Dr. Bill dieAnordnung der Verhandlung dadurch aufgeschoben, dass er in Eingabenund bei persönlichen Interventionen darauf hingewiesen hat, dassIng. Butschowitz krank ist und daher bei der Verhandlung vorläufignicht erscheinen kann. Auf meine letzte Eingabe, in welcher ichmit der Aufsichtsbeschwerde gedroht habe, wurde endlich die Haupt-verhandlung zum 8.VI. l.J. angeordnet.

Ich muss bemerken, dass sowohl der „Aufruf“, als auchdie „Europäischen Blätter“ vereinigt mit dem „Aufruf“, die nach demEingehen des ersten Blattes herausgegeben worden sind, eingegangensind, sodass sich für den Fall eines Vergleiches oder Urteiles dieFrage ergeben wird, in welchem Blatt die Veröffentlichung einer Sa-tisfaktionserklärung oder des Urteiles vorgenommen werden soll./ „Prager Tagblatt“, „Sozialdemokrat“? /

Ich erbitte mir die Aeusserung des Herrn K. zu denhier enthaltenen Anfragen, bitte, ihm meine besten Grüsse zu bestel-len und zeichne mit herzlichem Gruss an Sie und mit dem Ausdrucke dervorzüglichsten Hochachtung Ihr ergebener

Dr. Turnovsky

Kraus – diverses19. MAI 1936