196.134 Brief RA Felix Gallia an Samek

Materialitätstyp:

  • Typoskript

Sender

Dr. FELIX GALLIA
MASARYKSTRASSE 25/27
BRÜNN
Datum: 10. November 1936
Betreff: Kraus – Arbeiterzeitung.
Diktiersigle: Dr..G/b

Empfänger

An: Wohlgeboren Herrn | Dr. Oskar Samek, | Rechtsanwalt
Reindorfgasse 18
Wien XIV.
Datum: 11. NOV. 1936
Seite von 2

Sehr geehrter Herr Kollege.

In Erwiderung Ihres gesch. Schreibens vom 6. d.M. gestatte ich mir folgendes mitzuteilen:

Ich teile Ihre Ansicht, dass die beim Bezirks-gericht verhandelte Sache gegen Schramek auf Grund der AussageDr. Křepelkas zu einem Freispruch dieses Angeklagten führen dürfte.Ob wir allerdings aus diesem Grund die Bezirksgerichtsklage gegenSchramek zurückziehen sollen, weiss ich nicht, da aller Wahrschein-lichkeit nach die Sache bei der nächsten Verhandlung beendet werdendürfte und die Kosten dieser einen Verhandlung nicht beträchtlichesind. Wie Sie wissen dürften, ist der Normalsatz für Ehrenbeleidi-gungsverhandlungen Kč 40.–, das Kostenrisiko also ein recht gerin-ges.

Zu der weitern Frage eines allfälligen Vorgehensgegen Herrn Dr. Ečer möchte ich bemerken, dass ich mir von dieserMassnahme nicht viel verspreche, da Dr. Ečer vermutlich den Stand-punkt einnehmen würde, er habe den Schriftsatz, der die Grundlageder Bezirksgerichtssache ist, überhaupt nicht gelesen, wei-ters, was mir wichtiger erscheint, dass durch die von seinem Kon-zipienten bei der Hauptverhandlung vom 18. Feber 1936 abgegebeneErklärung, dass Schramek den Wahrheitsbeweis hinsichtlich desSonkaschen Gedichtes nicht antrete, klar zu erkennen gewesen sei,

dass sich Schramek mit dem Inhalt des gegnerischen Schriftsatzes nicht identifiziere. Ich habe Ihnen hierüber mit meinem Schreibenvom 24.II. l.J., 4. Seite, letzter Absatz, berichtet. Es liegt hierzweifellos ein gewisser Widerspruch vor, denn nach dem Protokollder Hauptverhandlung vom 18.II.1936 hat Dr. Křepelka als Vertei-diger beider Angeklagten einerseits im Namen beider Angeklagtenden Inhalt seines Beweisantrages wiederholt, gleich darauf jedoch imNamen Josef Schrameks erklärt, dass dieser hinsichtlich des Gedich-tes „Zeitgeister“ weder den Wahrheitsbeweis noch den Beweis ent-schuldbaren Irrtums antrete oder durchführe. Uebrigens: da Schramek,wie ich Ihnen am 4. d.M. mitteilte, auch zu dem inkriminierten Ar-tikel „der Racheakt der Polizei gegen Braunthal“ den Wahrheits-beweis nicht antreten will, ist seine Verurteilung im Hauptprozesswohl ausser jedem Zweifel.

Ich erwarte Ihre freundlichen Nachrichten und zeichne mitden besten Grüssen

Ihr ganz ergebenerDr. Gallia

KrausArbeiterzeitung 11. NOV. 1936