103.6 Brief RA Max Hirschberg an Samek

Materialitätstyp:

  • Typoskript

Sender

Dr. MAX HIRSCHBERG
Kaufingerstraße 30
München 2 C
Datum: 12. Juli 1928
Diktiersigle: 2 F

Empfänger

An: Herrn | Rechtsanwalt Dr. Oskar Samek
Schottenring 14
Wien I
Seite von 4

Sehr geehrter Herr Kollege!

In Sachen Schardt (Fränkischer Kurier)habe ich Herrn Justizrat Dr. Süssheim zum Termin fürMandanten aufgestellt. Dieser hat die Vertretung über-nommen und ein Sonderhonorar von 50 RM – auf Grund meinesErsuchens um besonderes Entgegenkommen – neben den Gebührenverlangt, mit dem Vorbehalt, im Falle eines Vergleichs vonGegner ein bedeutend höheres Honorar zu fordern.

Kurz vor dem Termin hat der Gegenanwalt denanliegenden Schriftsatz abgegeben, den ich zurückerbitte.Es ergibt sich daraus der höchst ungewöhnliche Sachverhalt,dass der Beklagte seinen eigenen Kollegen als Verfasserdes Artikels benennt. Dieses Verhalten ist nach deutschenBegriffen ein ungewöhnlich schwerer Verstoss gegen dieGepflogenheiten der Redakteure. Derartige Methoden werdennach den Standesbegriffen der Redakteure als standes-widrig erachtet.

Nach § 21 II Pressgesetz bleibt die Bestrafungdes verantwortlichen Redakteurs, Verlegers und Druckersausgeschlossen, wenn sie als den Verfasser oder Einsender,

mit dessen Einwilligung die Veröffentlichung geschehenist, eine Person bis zur Verkündung des Urteils nachweisen,welche in dem Bereich der richterlichen Gewalt einesdeutschen Bundesstaates sich befindet.

Nachdem der Beklagte unter höchst auffallenderAbweichung von den Gepflogenheiten der Presse denVerfasser benannt hat, muss ich raten, die Klage gegenSchardt zurückzuziehen und in München gegen Hohenstatter zu klagen. Die Antragsfrist ist selbstverständlich ge-wahrt, da der Name des Täters erst durch den gegnerischenSchriftsatz vom 30.6., zugestellt 3.7.28, mir bekanntgeworden ist und erst von dem Tage an die dreimonatlicheAntragsfrist läuft, an welchem der Beleidigte den Namendes Täters erfährt. Die Gegenpartei würde sich sonst einVergnügen daraus machen, die von ihr benannten Zeugen imTermin vernehmen zu lassen und die Abweisung der Klagedadurch zu erzielen. Die Kosten der Hauptverhandlung ein-schliesslich der Reise des Hohenstatter würden HerrnKraus zur Last fallen.

Ich bitte, mir von Herrn Kraus die Ermächtigungzu besorgen, einigen grösseren Zeitungen von dem Verhaltender Gegenpartei zu berichten, damit dieses Verhaltenöffentlich bekannt gemacht wird. Die Gegenpartei wirdsich in den Augen der anständigen Journalisten dadurchausserordentlich schädigen.

Durch die Zurücknahme der Klage gegen Schardt würden die bisher entstandenen Kosten Herrn Kraus

zur Last fallen. Der Gegenanwalt kann aber bisher nur20 RM berechnen, die Gerichtskosten sind ganz gering.Die gesetzlichen Gebühren des Herrn Justizrat Süssheim würden ebenfalls ca. 20 RM betragen, es dürfte aberangemessen sein, ihm einen höheren Betrag zu bewilligen.Ich kann aber leider nichts anderes raten.

Neuer Termin steht auf2. August 1928an. Rechtzeitig vorher muss die empfohlene Zurücknahmeder Klage erfolgen. Für den Fall, dass sofort gegenHerrn Hohenstatter in München geklagt werden soll,lege ich Vollmacht bei. Da dieser Artikel noch vielschwerere Beleidigungen enthält als der des VölkischenBeobachters, dürfte die Verurteilung in München glatt sein.

Hochachtungsvollergebener KollegeDr. Hirschberg Rechtsanwalt.

2 Anl.

KrausFränkischer Kurier 14. JULI 1928