103.31 Beschluss des Amtsgerichts München (P.R. Av. 99/28)

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Datum: 2. Oktober 1928
Seite von 2

Abschrift.

Beschluss

P.R.Av.99/28 Die Privatklage des Schriftstellers KarlKraus in Wien gegenden Schriftleiter Dr. Ernst Hohenstatter in München wegen Beleidigungvom 23. August 1928 wird zurückgewiesen;

Der Privatkläger hat die Kosten des Verfahrenszu tragen und die dem Beschuldigten erwachsenen notwendigenAuslagen zu erstatten.

Gründe:

I.Gegenstand der Privatklage ist der in Nr. 65 der Zeitung „Fränkischer Kurier“ vom 5. März 1928 enthaltene Artikel:Antinationaler Skandal in München.

Dieser seinem vollen Umfang nach hierherbezogeneArtikel beginnt: „München, 3. März. (Spez. Dep. uns. Münch.Schriftltg.)

Am Kopfe der ersten Seite der Nr. 65 der Zeitung „FränkischerKurier“ vom 5. März 1928 sind die auswärtigen Schriftleitungendieser Zeitung, darunter „München, Kaiserplatz 9, Fernspr.33930“ angegeben.

II.Der Privatkläger hat gegen den für den einschlägigen Teilder Zeitung verantwortlichen Schriftleiter Oskar FranzSchardt in Nürnberg wegen Beleidigung Privatklage beimAmtsgerichte Nürnberg erhoben.

III.Da die Klage gegen Oskar Franz Schardt schon im April1928 erhoben worden ist, hat der Privatkläger den Artikel im April 1928 vollständig gekannt. Er hat von der Handlungund von der Person des Täters schon um diese Zeit Kenntnisgehabt; er behauptet zwar den Namen des Täters erst durchden in dem Privatklageverfahren Kraus gegen Schardt wegenBeleidigung abgegebenen Schriftsatz vom 30. Juni 1928 erfahrenzu haben. Das mag sein.

Die Kenntnis von der Person des Täters setzt nichtnotwendig das Wissen des Namens voraus; es genügt, dass der

Strafantragsberechtigte eine solche Kenntnis der Person er-langt hat, welche ihn in den Stand setzt, den Täter in einerfür die Strafverfolgungsbehörde erkennbaren Weise individuellzu bezeichnen.“ Der Privatkläger hatte eine solche Kenntnisvon der Person des Täters.

Wie unter I ausgeführt, ist am Eingang des Ar-tikels ausdrücklich angegeben, woher der Artikel stammt und amKopfe der Nr. 65/28 der Zeitung „Fränkischer Kurier“ der Sitzder Münchener Schriftleitung genau mitgeteilt. Das genügt.Der am 25.8.28 beim AG. München eingegangene Strafantrag istalso nicht binnen 3 Monaten, sondern verspätet gestellt.

Die Privatklage ist demgemäss mit der ausgesprochenenKostenfolge zurückzuweisen.

§§ 185, 196, 194, 61 RSTGB., § 20 Abs. 2 Pressgesetz, Entsch.des Reichsgerichts in Strafsachen Bd. 27 Seite 34, 35, §§ 158Abs. 2, 464, 471 STPO.

München, den 2. Oktober 1928Amtsgericht München, Abteilung Strafgericht.Amtsgerichtspräsident:gez. Frank Zur BeglaubigungDer Urkundsbeamte:lt. Siegel gez. Bauer