112.12 Brief RA Botho Laserstein an Kraus

Materialitätstyp:

  • Typoskript mit handschriftlichen Annotationen
  • Kopie

Schreiberhände:

  • Karl Kraus, Bleistift

Sender

Dr. jur. Botho Laserstein | Rechtsanwalt
Landsberger Allee 55
Berlin NO 18
Datum: DEN 12. Dezember 1928

Empfänger

An: Herrn | Karl Kraus
Hintere Zollamtsgasse 3
Wien III
Seite von 2

Sehr geehrter Herr Kraus,

zu meiner großen Verwunderung bin ich auf meine letzten?Briefe noch ohne eine Antwort und habe insbesondere nichterfahren, ob Sie mit meinem Schriftsatz vom 3. Dezember d.Js.einverstanden waren. Den Erfolg meines Schriftsatzes sehen Sieaus anliegendem Beschluß, von dem ich eine Abschrift zurück-behalten habe, sodaß Sie den Beschluß also behalten können.

Nach § 17 Pressgesetz ist es jedoch höchst zweifelhaft,ob Sie jetzt schon den Beschluß veröffentlichen dürfen. Ichmöchte dringend davon abraten.

Gleichzeitig, hat das Gericht an mich folgenden Brief ge-schrieben:

In der Privatklagesache Kraus ./. Wolff, erscheint esdem Gericht mit Rücksicht auf Umfang und Auswirkung derSache, zweckmäßig, sich zunächst in einem anzuberaumendenTermin über den Umfang der Beweisaufnahme in Benehmen zusetzen. – Es wäre wünschenswert – ohne daß das persönlicheErscheinen angeordnet wird – daß beide Parteien diesemTermin nach Möglichkeit persönlich beiwohnen. – Es

wird um Mitteilung gebeten, welche – möglichst mehrere – Terminezu diesem Zwecke vorgeschlagen werde. Das Gericht hat Sitzung je-den Dienstag, Donnerstag und Sonnabend, jedoch fallen der 25.–27.Dezember und der 1.1.1929 durch Feiertage aus.

Das Gericht wünscht also das persönliche Erscheinender Parteien in diesem Vortermin. Ich frage daher an, ob Sie imJanuar zu einem solchen Termin nach Berlin kommen können. Je-denfalls muß ich aber in dieser Sache von Ihnen umgehend Nach-richt haben.

Für die Uebersendung der letzten „Fackel“, die ein groß-artiges Erlebnis für mich war, danke ich herzlichst. Gleichzeitigwürde ich mich freuen, wenn sie den Verlag veranlassen würden,mir die Noten zum Schoberlied zu übersenden.

In der Prozessache bin ich noch immer nicht im Besitzder Erklärung, die nach Ihrem Wunsch dem Gericht übermitteltwerden soll.

Im letzten Termin in der Hauptsache hat das Gericht übrigens die öffentliche Zustellung beschlossen, was meinesErachtens ein neuer flagranter Rechtsbruch ist, da das Gericht und der Gegner sich überhaupt nicht bemüht haben, Ihre Wiener Privatadresse (Zustellungsadresse) durch Nachfrage beim Wiener Einwohnermeldeamt zu ermitteln. Aus allen diesen Gründen bin ichnach wie vor dafür, daß wir in der Hauptsache ein Ablehungsgesuchvorbringen und uns dann erst kontumazieren lassen. Hierdurchentstehen nicht ein Pfennig Mehrkosten. Neuer Termin steht AnfangFebruar an. – Ich hoffe, daß Sie nunmehr in allen Sachen auf demlaufenden sind und bin in

großer Wertschätzung Ihr ergebenerDr. Laserstein Rechtsanwalt.