125.116 Klagebeantwortung (eingereicht von RA Richard Pressburger beim Landesgerichts für Z.R.S. Wien, G.Z. 7 Cg 322/32)

Schreiberhände:

  • Oskar Samek, roter Stift
  • Karl Kraus, Bleistift
  • Oskar Samek, Bleistift

Materialitätstyp:

  • Typoskript mit handschriftlichen Annotationen
Datum: 20. August 1932
Stempel: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien
Seite von 14

7 Cg 322/323

An dasLandesgericht für Z.R.S.Wien.

Klagende Partei: Verlag „Die Fackel“ Herausgeber KarlKraus prot. Firma in Wien III.,Hintere Zollamtsstrasse 3 durch: Dr. Oskar Samek, RechtsanwaltWien I., Schottenring 14

Beklagte Partei: Die Stadt Frankfurt a/Main als Konzes-sionärin der Frankfurter städtischenBühnen, zu Händen des Magistrates Frank-furt a/Main.durch: Dr. Richard Pressburger Wien I., Kärntnerring 12

wegen RM 2.000,–Feststellung u. Rechnungslegung Mk 1000,–zus. Mk 3.000,– Streitwert S 5.000,–

Klagebeantwortung:

2 fach1 Rubrik

In offener Frist wird hiemit nachstehendeKlageantwortung erstattet:

I.

Die bei der ersten Tagsatzung eingewendete örtlicheUnzuständigkeit ist gegeben, weil die Parteien des Aufführung-Vertrages vom 23.V.29 Mitglieder der Vertragsorganisation,Deutscher Bühnen Verein einerseits und Vereinigung deutscherBühnenverleger andererseits sind und daher der Tarifvertraggilt, der zwischen dem Deutschen Bühnen Verein, dem Verban-der der deutschen Bühnenschriftsteller und Bühnen Komponisten und der Vereinigung der Bühnenverleger abgeschlossen wurde.

In diesem Tarifvertrag heisst es: im § 9, Ziffer 1:

Alle Streitigkeiten aus Ausführungsverträgen und überAufführungsverträge zwischen Mitgliedern der vertragschlies-senden Verbände entscheiden unter Ausschluss des ordentli-chen Rechtsweges die von den vertragsschliessenden Verbän-den eingesetzten Schiedsgerichte in Berlin und Wien.Zuständig ist das Schiedsgericht des Landes, in welchem derBeklagte zur Zeit der Klageerhebung seinen Wohnsitz oderseine Betriebsstätte oder in Ermanglung dieser, seinen Auf-enthalt hat“.

Ist die Bestimmung dieses Tarifvertrages, der am12.11.30 zwischen den bereits erwähnten Vertragspartnern ab-geschlossen wurde, sind also beide Teile, sowohl Kläger als auchBeklagter als Mitglieder der beiden Vertragsorganisationengebunden, sodass der klägerische Verlag in Berlin hätte klagenmüssen.

Dies hat der klägerische Verlag auch getan und dieZuständigkeit des Berliner Schiedsgerichtes wortwörtlich in derKlage an dieses Gericht wie folgt begründet:

Der Verlag ‚Die Fackel‘ ist Mitglied der Vereinigungder Bühnenverleger E.V. Der zwischen den Parteien abge-schlossene Aufführungsvertrag unterliegt den Bestimmungendes Tarifvertrages zwischen dem Deutschen Bühnenverein dem Verbande Deutscher Bühnenschriftsteller etc. vom 12.II.30. Hieraus folgte Zuständigkeit des angerufenen Gerich-tes (Bühnen Schiedsgericht Berlin)

Beweis: Der Tarifvertrag vom 12.II.30.

Die vom klägerischen Verlag beim Bühnenschieds-gericht in Berlin vorzulegende Klage.Parteienvernehmung.

Der klägerische Verlag hat über Einwendung der be-klagten Bühnenleitung die Klage beim Bühnenschiedsgerichtin Berlin zurückgenommen, wobei jedoch diese Rücknahmeder Klage nicht wegen Unzuständigkeit des Gerichtes erfolgtist, sondern hauptsächlich wegen absoluter Nichtigkeit desAufführungsvertrages.

Jedenfalls ist die Zurücknahme der Klage seitensdes klägerischen Verlages noch kein Präjudiz für die effek-tive Unzuständigkeit des Berliner Bühnen-Schiedsgerichtes, dader Tarifvertrag vom 12.II.30 die Zuständigkeit des Bühnen-Schiedsgerichtes in Berlin ausdrücklich normiert.

Die örtliche Unzuständigkeit des Landesgerichtesfür Z.R.S. in Wien erscheint damit voll und ganz bewiesen.

I. b)

Ganz abgesehen jedoch von der örtlichen Unzuständig-keit liegt auch die sachliche Unzuständigkeit oder richtig aus-gedrückt Unzulässigkeit des Rechtsweges vor, weil laut demzwischen der Klägerin und der beklagten Bühnenleitung abgeschlos-senen Aufführungsvertrage vom 23.V.29 es im Punkt VIII.)2. Absatz heisst:

Die zwischen den Mitgliedern des Bühnen Vereins, demVerbande Deutscher Bühnenschriftsteller und Bühnen Kompo-nisten E.V. und der Vereinigung der Bühnenverleger verein-barten ‚allgemeinen Bestimmungen für den Geschäftsverkehr‘bilden einen wesentlichen Bestandteil dieses Vertrages.

Wenn aber die allgemeinen Bestimmungen für den Ge-schäftsverkehr als wesentliche Bestandteile des Aufführungs-vertrages gelten, so gilt auch der § 10 dieser Bestimmungen.Dortselbst heisst es:

§ 10 Aenderungen, Gerichtsstand.Abänderungen des Vertrages und Nebenabreden haben nur Gül-tigkeit, wenn sie schriftlich vereinbart sind. Als Gericht-stand gilt das zwischen den vertragsschliessenden Parteienvereinbarte Schiedsgericht.

Wenn also schon auf Grund der urkundlichenVereinbarung des Erfüllungsortes Wien als Gerichtsstand gilt,was, wie noch näher ausgeführt werden wird, begründeterMassen ganz entschieden bestritten wird, wäre lediglichdas Bühnenschiedsgericht in Wien für diesen Rechtsstreit zu-ständig. Das ordentliche Gericht ist eben durch den unterPunkt I a) erwähnten Tarifvertrag laut Punkt IX., Ziffer 1.jedenfalls; ausgeschlossen, weil sowohl die Klägerin wie diebeklagte Bühnenleitung in diesem Tarifvertrage gebunden sind.Wenn also schon die Vereinbarung des Erfüllungsortes Wien imSinne des § 10 I. Absatz der allgemeinen Geschäftsbedingungenerlaubt ist, so nur in der Richtung, dass eben statt desSchiedsgerichtes Berlin das Bühnenschiedsgericht in Wien zuständig ist.

Beweis: Die allgemeinen Bestimmungen für denGeschäftsverkehr zwischen den Mitglie-dern des Deutschen Bühnen Vereins etc.vom 31.XII.24, Tarifvertrag vom 12.III.30; Parteienvernehmung.

Ueberdies ist die Klausel des § 9 Aufführungs-vertrages vom 23.V.29: Erfüllungsort Wien ein Unding, weilnach der Absicht der Parteien und nach den Bestimmungen desVertrages der Vertrag gemäss § 2 seitens der Beklagten inFrankfurt a/Main zu erfüllen war.

Das was der klägerische Verlag offenkundig mitdiesen § 9 des Vertrages erreichen wollte, war die Vereinba-rung des Gerichtsstandes Wien gemäss § 104 J.N. aber nichtdie Vereinbarung des Gerichtsstandes des Erfüllungsortesgemäss § 88 J.N., denn nach Uebereinkunft der Parteien warder Vertrag von der beklagten Bühnenleitung nicht in Wien,sondern in Frankfurt a/Main zu erfüllen.

Die beklagte Partei ist auch ihrer Aufführungs-pflicht als essentielle Vertragsverpflichtung und Hauptver-

bindlichkeit voll und ganz nachgekommen. Es ist also ganzabgesehen von der Unzulässigkeit des Rechtsweges, derGerichtsstand gemäss § 88 J.N. nicht gegeben und in Ermanglungeiner Gerichtsstands-Klausel gemäss § 104 J.N. Jedenfallsder Wohnsitz der Beklagten für die Bestimmung des Gerichts-standes massgebend .

Beweis: Der Vertrag vom 23.V.29 Parteienvernehmung.

II.

In der Sache selbst werden sämtliche Klagsangabensoweit sie im Nachfolgenden nicht ausdrücklich zugegebenwerden, bestritten

Zwecks übersichtlicher Lösung der einzelnen stritti-gen Fragen, sei folgende Unterteilung vorgenommen:

1.) Mit welchen Abänderungen ist der Aufführungsver-trag vom 23.V.29 endgültig in Kraft getreten?

2.) Ist das klägerische Begehren auf eine Konventional-strafe von Mk 2.000.– berechtigt?

3.) Ist Punkt II. des Klagebegehrens formell und ma-teriell begründet?

4.) Ist Rechnungslegung seitens der Beklagten erfolgt?

Richtig ist, dass die Beklagte mit dem klägerischenVerlage den Vertrag vom 23.V.29 abgeschlossen hat, der danndurch das Schreiben des Anwaltes der klagenden Partei vom30.I., 3.II. und 3.III.31 und die Antwortschreiben des Theater-Direktors der beklagten Bühnenleitung, Dr. Kronacher vom 9.II.,25.II. und 12.III.31 eine Abänderung erfahren hat.

Hier sei nur auf die naturgemässe wichtigste Abän-derung des Vertrages vom 23.V.29 eingegangen, und zwar aufdie beiderseitigen Schreiben vom 3.III.31 des Anwaltes der

klagenden Partei und auf das Schreiben vom 12.III.31 sei-tens der beklagten Bühnenleitung, weil mit diesen beiden Schrei-ben die Vertragsabänderungsverhandlungen beendet wurden.

Das Schreiben des Anwaltes der klagenden Partei vom 3.III.31 stellt sich juristisch als eine Offerte dar.Die beklagte Bühnenleitung hat dieses Vertragsanbot innerhalbder Erklärungsfrist nicht mit einem vorbehaltlosen „einver-standen“, sondern mit einer neuen Offerte beantwortet.Dies geht aus dem Schreiben der beklagten Bühnenleitung vom12.III.31 einwandfrei hervor. Der Inhalt des Briefes des An-waltes der klagenden Partei vom 3.III.31 wurde von der beklagten Bühnen-leitung nicht zustimmend zur Kenntnis genommen, sondern diebeklagte Partei erklärt in diesem Sinne expressis verbis,womit sie einverstanden ist.

Insoweit sich also der Inhalt des Briefes derbeklagten Bühnenleitung mit dem Inhalte des Schreibens desKlagsanwaltes vom 3.III.31 nicht deckt, stellt sich dasSchreiben der beklagten Partei als neues Vertragsanbot dar.Insbesondere gilt dies vom Termine zur Aufführungsverpflich-tung, den die beklagte Partei ausdrücklich in die nächsteSpielzeit verlegt.

Dass aber unter „nächste Spielzeit“ nicht derHerbsttermin bis Weihnachten zu verstehen ist, bedarf keinerweiteren Erklärung.

Beweis: Die Briefe des Anwaltes der klagendenPartei von 3.III. und die Antwort derbeklagten Bühnenleitung vom 12.III.31.Direktor Dr. Kronacher, Direktor desFrankfurter Schauspielhauses, Frankfurt a/M als Zeuge.

Die klagende Partei hat auf das Schreiben derbeklagten Bühnenleitung vom 12.III.31 nicht mehr geantwortet.Gemäss § 863 abGB konnte also die beklagte Bühnenleitung

das Einverständnis der klagenden Partei mit dem Schreibender Beklagten vom 12.III.31 annehmen.

Es ergibt sich also, dass der Vertrag vom 23.V.29 mit der Abänderung in Wirksamkeit getreten ist, – von demformellen Mangel der Wirksamkeit dieses Vertrages war bereitseingangs die Rede – dass „Die Unüberwindlichen“ in der näch-sten Spielzeit 1931/32 zur Aufführung gelangen.

Die beklagte Partei hat sich verpflichtet, dendefinitiven Termin 2 Monate vorher bekanntzugeben, wobeigleich hier der Sinn dieser Bestimmung erklärt werden muss.Sinn und Zweck der vorherigen Bekanntgabe der Aufführung miteinem Zeitraume von 2 Monaten vor derselben, war die Voraus-setzung, dass dem Autor die Möglichkeit der Teilnahme an derProbenarbeit geboten werden sollte. Nur für diesen Fall warnach den selbstverständlich geltenden Bühnengewohnheiten die-se 2 monatige Frist vereinbart worden undfür die Nichteinhaltung dieser Bestimmung die Konventional-strafe von Mk 2.000,– bedungen. De facto war aber aneine Aufführung durch das Ensemble der Stadt Frankfurt nichtzu denken, wie noch ausgeführt werden wird, und musste daherdie Aufführung durch ein Ensemble des Leipziger Komödienhau-ses bestritten werden.

Hier sei unter Beweis gestellt, dass der AutorKarl Kraus selbst die Proben des Leipziger Komödienhau-ses hinsichtlich des Stückes „Die Unüberwindlichen“ geleitethatte, sodass es geradezu sinnlos gewesen wäre, schon 2 Mo-nate vor der Frankfurter Aufführung durch das Leipziger Komö-dienhaus den Autor zu verständigen.

Das Ensemble des Leipziger Kömödienhauses führte dann auch „Die Unüberwindlichen“ nach den genauenVerfügungen des Autors auf, sodass die Voraussetzung für dieVerständigung des Autors 2 Monate vor der Aufführung umsoweniger gegeben war, als der Autor selbst das Ensemble des

Leipziger Komödienhauses einstudierte und die Spielart diesesEnsemble vor der faktischen Aufführung in Frankfurt am10.II.32 genau kannte.

Beweis: Paul Verhöven, Frankfurt a/MGrüner Burgweg 39

Dr. Kronacher, Direktor desFrankfurter Schauspielhauses,Sachverständige

ad 2.)

Schon aus den Ausführungen unter 1.) ergibt sich,dass das Begehren der Konventionalstrafe wegen nicht fristge-rechter Aufführung überhaupt ins Leere fällt. Hatte dochdie beklagte Bühnenleitung gemäss § 2 des Aufführungsvertra-ges lediglich die Verpflichtung das WerkDie Unüberwindlichen“ im städtischen Schauspielhaus in Frank-furt a/M in der nächsten Spielzeit zur Aufführung zu bringen.

Dies ist auch geschehen.

Das Begehren auf Zahlung der Mk 2.000.– wegennicht fristgerechter Verständigung, 2 Monate vor der Auffüh-rung ist aber unbegründet, was im Vorstehenden bereitserörtert wurde.

Zum Beweis über den Zweck und die Notwendig-keit der vorherigen Verständigung des Autors im Allgemeinenund die Ueberflüssigkeit der Verständigung 2 Monate vorder Aufführung im Besonderen gegebenen Falle wirdbeantragt,Sachverständige aus der Branche der Bühnen Direktoren zu ver-nehmen, insb. über die Tatsache, dass der Autor über dieAufführung des Leipziger Komödienhauses völlig im Bilde undmit dieser Aufführung im Grossen und Ganzen einverstanden war,wirdbeantragt den Direktor Dr. Kronacher, Frankfurter Schauspielhaus

und den Regisseur Paul Verhöven als Zeugen zu ver-nehmen.

Beweis: Direktor Dr. Kronacher, Adressewie oben

Paul Verhöven, Adresse wie obenSachverständige.

Ganz abgesehen jedoch davon, dass die Beklagte angesichts der Aufführung durch ein Ensemble des LeipzigerSchauspielhauses nach den Bühnengewohnheiten gar nicht ver-pflichtet war, den Kläger schon 2 Monate vor der Aufführungzu verständigen, erscheint die, wenn auch für diesen Fall(der Aufführung des Stückes durch Gastspiel-Ensemble) nichtvereinbarte Konventionalstrafe in der verlangten Höhe vonMk 2.000.– geradezu horrent, und im Hinblick auf die Schwie-rigkeiten, mit denen die beklagte Bühnenleitung tatsächlichdie Aufführung durchsetzen musste und in Anbetracht desSchadens, den die beklagte Bühnenleitung hiedurch erlittenhat, als übermässig.

Die beklagte Bühnenleitung hat nun ihrer Auf-führungsverpflichtung genügt, sofern eine solche überhauptbestanden hat. Das Stück „Die Unüberwindlichen“ ist am 10.II.32 – also in der guten Theaterzeit – mit dem Erfolg aufgeführtworden, dass die bare Tageseinnahme den Betrag von Mk 141.65erbrachte, während allein für das Gastspiel-Ensemble desLeipziger Komödienhauses der Betrag von Mk 1750.– bezahltwerden musste.

Dass das Stück im übrigen in der heutigen Zeltvöllig unaufführbar ist, werden die dem Gerichte vorzulegendenAusschnitte aus der Frankfurter Presse ergeben.

Vor einem Misserfolg wäre das Stück auch dannnicht zu bewahren gewesen, wenn es etwa unter Mitwirkung desAutors mit den Kräften des Frankfurter Schauspielhauses ein-

studiert worden wäre.

Der Grund hiefür liegt in der bedauerlichen Tat-sache, dass der Autor in völliger Verkennung der vielenFaktoren, von welchen die Führung eines Theaters heute ab-hängig ist, auf die Aufführung seines Stückes bestanden hat.Die beklagte Bühnenleitung war daher gezwungen die Inszenie-rung der Aufführung einem nach den Weisungen des Autors einstudierten Ensemble zu übertragen. Dies war das Ensembledes Leipziger Komödienhauses, das unter persönlicher Mit-Wirkung des AutorsDie Unüberwindlichen“ in Leipzig inSzene setzte. Für jede Änderung in der Inszenierung hatder Autor sich vom Leipziger Komödienhaus eine Vertrag-strafe von Mk 1500.– versprechen lassen, wobei wohl dahin-gestellt bleiben mag, ob ein solches Verhalten nicht überhaupt gegen die guten Sitten verstösst.

Jedenfalls zeigt es davon, dass der Autor nichtdas geringste Verständnis für die Möglichkeiten einer bühnen-wirksamen Aufführung besitzt. Dementsprechend kam es auchbei der Berliner Aufführung dazu, dass die Berliner Volks-Bühne, die gewiss über vorzügliche Kräfte verfügt, mit ihrerInszenierung die Ungnade des Autors erregte .

Beweis: Regisseure und Direktoren des LeipzigerSchauspielhauses, deren Namen wir nochbekanntgeben werden.Paul Verhöven, Adresse wie oben.

Unter diesen Umständen wäre eine Neueinstudierungmit den eigenen Kräften des Frankfurter Schauspielhauses sinnlos gewese. Die reichsdeutschen Bühnen sind nicht bestimmtWiener Skandalaffären des Jahres 1927 wortgetreu ihrem ver-ständnislosen Publikum vorzusetzen. Soweit das Stück „DieUnüberwindlichen“ Allgemeingültiges zun Ausdruck bringt, kanndies in einer west-deutschen Bühnen wirksam nur in einer frei-!en Inszenierung geschehen. Dieser Gedanke war ausschlagge-bend bei der Annahme des Stückes im Mai 1929.

Es gründet sich auf § 7, lb der allgemeinen

Bestimmungen für den Geschäftsverkehr, wonach die Auffüh-rung berechtigte Bühnenänderungen vornehmen darf, für wel-che der Autor seine Zustimmung nach Treu und Glauben nichtversagen kann. Ausserdem ist es anerkannter Theaterbrauch,dies sogar die Verpflichtung der Bühnenleitung eines Theaters,für eine bühnenwirksame Aufführung unter Berücksichtigungder örtlichen Verhältnisse, insb. der Einstellung des Publikums besorgt zu sein.

Da der Autor sich entgegen dem Vertragsinhaltum dem anerkannten Theaterbrauch auf den entgegengesetztenStandpunkt stellte, blieb dem Frankfurter Schauspielhaus nur die Möglichkeit, der etwa bestehenden Aufführungsverpflich-tung durch eine von Herrn Kraus selbst approbierte Einstudie-rung zu genügen.

Beweis: Dr. Kronacher, Adresse wieoben als Zeuge.

Die beklagte Bühnenleitung muss aber auch denStandpunkt vertreten, dass es nach Treu und Glauben bei dennotorisch völlig veränderten politischen und sonstigen Ver-hältnissen die schliesslich erfolgte Einhaltung des Vertragesund die Erfüllung der Aufführungspflicht vor allem von demGesichtspunkte aus beurteilt werden muss, dass das StückDie Unüberwindlichen“ bei Vertragsabschluss als tragbaranzusehen war, jedoch zur Zeit der Aufführung auf die allerschärfste Ablehnung bei weiten Kreisen des Publikums stiess.

Dass Letzteres der Fall war, geht nicht nur ausden Presseauschnitten hervor, sondern auch aus zahllosenschriftlichen und mündlichen Protesten, aus angekündigtenAbbonomentbestellungen und dgl., welche die Aufführung „DieUnüberwindlichen“ im Frankfurter Schauspielhaus spontan ausge-löst hat.

Beweis: Dr. Kronacher, Frankfurter Schauspielhaus Zeitungsausschnitte, Rezensionen und

schriftliche Proteste, die vorgelegt werden.

Zusammenfassend kann wohl gesagt werden, dass derAnspruch auf eine Konventionalstrafe mit Rücksicht auf dieseveränderte Situation überhaupt nicht gegeben ist, dass aber,selbst bei Annahme dieses Anspruches dem Grunde nach, mit Rück-sicht auf das richterliche Mässigungsrecht der Konventional-strafe in allen Fällen gemäs § 1336 abGB mit Rück-sicht auf diesen speziellen Fall bis auf ein Minimum des ver-langten Betrages herabgegangen werden muss.

Von einem Verfall der Vertragsstrafe kann auchdeshalb keine Rede sein, weil sich aus dem Schreiben desIntendanten Dr. Kronacher vom 25.II.31 ergibt, dass dasFrankfurter Schauspielhaus bereit war im Frühjahr 31 das Stückaufzuführen.

Nur mit Rücksicht auf den im Schreiben vom 3.III.31 vom Autor geäusserten Wunsch wurde die Aufführung indie Spielzeit 1931/32 verschoben. Im Jahre 1931 hätte dasStück leichter vor einem Misserfolg bewahrt werden können.

ad 3.)

Aus dem unter 1.) und 2.) Gesagten geht klar her-vor, dass wir unserer Aufführungspflicht im Rahmen der Möglich-keit voll und ganz nachgekommen sind.

Wir haben den § 2 des Aufführungsvertrages er-füllt und ist daher das klägerische Begehren auf Feststellunglaut Punkt 2 des Klagebegehrens meritorisch abzuweisen. Reinformell ist aber die Klägerin gar nicht berechtigt ein Feststel-lungsbegehren zu stellen, da das alsbaldige Interesse aufFeststellung ihr ermangelt und überdies das Feststellungsbege-ren schon deshalb nicht erfolgen kann, weil der Klägerin die Leistungsklage ohne weiters möglich ist, wenn sie be-hauptet durch nicht genaue Erfüllung des Vertrages seitensder beklagten Bühnenleitung geschädigt zu sein.

Jedenfalls ist das Klagebegehren ad 2.) rein

prozessual im Sinne des § 228 Z.P.O unzulässig und daherabzuweisen.

ad 4.)

Was schliesslich das Begehren auf Rechnungsle-gung anlangt, ist auch dieses abzuweisen, da die beklagteBühnenleitung am 21.V.32 der Stadthaupt-Kassa den Betragvon RM 95.20 an Tantiemen zur Zahlung an die Klägerin aufgegeben hat. Damit war auch eine ziffermässige Aufstellung der Einnahmen verbunden .

Beweis: Der Zahlungsbeleg der Stadt-Haupt-Kassa Frankfurt Dr. Kronacher, Adresse wie obenAntrag an die klagenden Partei zurVorlage dieses Zahlungsbeleges.

Sohin wird derAntrag gestellt, auf kostenpflichtige Abweisung des Klagebegehrens.

Wien, am 20. August 1932

Städt. Bühnen, Frankfurt a/M durch:Pressburger

abschreiben

3. SEP 1932FackelFrankf. städt. Bühnen