125.121 Beschluss des Landesgerichts für Z.R.S: Wien (G.Z. 7 Cg 322/32, Oberlandesgerichtsrat Rudolf Chamrath)

Materialitätstyp:

  • Durchschlag
Datum: 4. November 1932
Stempel: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien
Seite von 6

7 Cg 322/327

Beschluss

Das Landesgericht für Z.R.S. Wien hat inder Rechtssache der klagenden Partei Verlag „Die Fackel“ Herausgeber Karl Kraus, prot. Firma in Wien III. Hintere Zoll-amtsstrasse 3 vertreten durch Dr. Oskar Samek, RA. Wien I.,Schottenring 14 wider die beklagte Partei: Stadt Frankfurtam Main als Konzessionärin der Frankfurter städt. Bühnen,zu Handen des Magistrates Frankfurt am Main, vertreten durchDr. Richard Pressburger, RA. Wien I. Kärtnerring 12 wegenS 5.000.– s.A. auf Grund der mit beiden Parteien durchge-führten abgesonderten mündlichen Verhandlung folgendenBeschlussgefasst:

Der von der beklagten Partei erhobenen Einrededer Unzuständigkeit des Rechtsweges bezw. Unzuständigkeit desGerichtes sowie der rechtskräftig entschiedenen Streitsachewird keine Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der kla-genden Partei die mit 114 S 78 g bestimmten Kosten des In-zidenzstreites binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Begründung:

Gegenstand des vorliegenden Prozesses istein Aufführungsvertrag, laut welchem sich die beklagte Partei verpflichtet, das Werk „Die Unüberwindlichen“ von Karl Kraus innerhalb einen bestimmten Zeitraumes zur Aufführung zubringen und im Falle der Nichteinhaltung dieses Termines eineVertragsstrafe von 2000 RM. an die klagende Partei zu bezahlen.

Die klagende Partei begehrt nunmehr Fest-stellung, dass die Gegenseite ihre vertraglichen Verpflich-tungen nicht erfüllt nabe, sowie Verurteilung zur Bezahlungder Vertragsstrafe und zum Kostenersatz. Die Zuständigkeitdes Gerichtes ergebe sich gem. § 88 J.N., da im Aufführungs-vertrag Wien als Erfüllungsort vereinbart sei.

Die beklagte Partei wendet Örtliche und sach-liche Unzuständigkeit bzw. Unzulässigkeit des Rechtsweges,sowie rechtskräftig entschiedene Streitsache ein. Die ört-liche Unzuständigkeit sei dadurch gegeben, dass die Kon-trahenten des obgenannten Aufführungsvertrages Mitgliederder Vertragsorganisation Deutscher Bühnenverein einerseitsund der Vereinigung deutscher Bühnenverleger andererseitsseien und dass laut des zwischen diesen beiden Verbändenbestehenden und für deren Mitglieder verbindlichen Tarif-vertrages Streitigkeiten aus Aufführungsverträgen unterAusschluss des ordentlichen Rechtsweges die von den Ver-bänden eingesetzten Schiedsgerichte in Wien und Berlin zuentscheiden hätten. Zuständig sei das Schiedsgericht desLandes des Beklagten und wäre daher die vorliegende Klagein Berlin anzubringen gewesen.

Die sachliche Unzuständigkeit bezw. Unzu-lässigkeit des Rechtsweges werde darin erblickt, dass gem. denzwischen den deutschen Bühnenverein, dem Verband deutscherBühnenschriftsteller und Bühnenkomponisten und der Ver-einigung der Bühnenverleger E.V. vereinbarten „AllgemeinenBestimmungen über den Geschäftsverkehr“, welche durch dieStreitteile zu einem wesentlichere Bestandteil des Auffüh-rungsvertrages gemacht wurden, als Gerichtsstand das zwi-schen den vertragschliessenden Teilen vereinbarte Schiedsgericht

gelte. Wenn also Wien als Erfüllungsort gelte, so wärelediglich das Bühnenschiedsgericht in Wien zuständig. Dasordentliche Gericht sei aber jedenfalls ausgeschlossen,da die Prozessparteien an den früher genannten Tarif-vertrag gebunden seien. Ueberdies sei die Klausel des Auf-führungsvertrages, wonach Wien Erfüllungsort sei, einUnding, da der Vertrag seitens der beklagten Partei inFrankfurt am Main zu erfüllen gewesen sei.

Die Einwendung der Unzulässigkeit des Rechts-weges durch den Beklagten erachtet das Gericht für nichtbegründet; denn die Vereinbarung, wonach die Entscheidungeiner Streitigkeit einem Schiedsgerichte zugewiesen wer-den soll, begründet lediglich die Einrede der Unzuständig-keit, nicht aber die der Unzulässigkeit desRechtsweges.

Was nun die Frage der Zuständigkeit anlangt, sohat die klagende Partei den vorliegenden Streitfall schonseinerzeit beim Bühnenschiedsgericht in Berlin anhängig ge-macht, hat aber über die von der beklagten Partei dort mitder Begründung, der Kläger sei nicht Mitglied des VerbandesDeutscher Bühnenschriftsteller und Bühnenkomponisten oder derGemeinschaft dramatischer Schriftsteller und Komponisten,erhobene Einrede der Unzuständigkeit, die Klage zurück-gezogen, sodass eine meritorische Entscheidung nichtgefällt wurde. Der von der beklagten Partei nunmehr wiedereingenommene Standpunkt, das Berliner Schiedsgericht seizuständig, ist unhaltbar. Gewiss ist die Entscheidung derFrage der Zuständigkeit dadurch kompliziert, dass einer-seits der Verlag „Die Fackel“ Mitglied der Vereinigungder Vereinigung der Bühnenverleger ist, dass aber

andererseits der Alleininhaber dieses Verlages Karl Kraus keinem der Verbände angehört, für welche die „allgemeinenBestimmungen für den Geschäftsverkehr“ bindend sind. Dochhaben beide Teile einerseits durch die Einwendung der Un-zuständigkeit vor dem Berliner Schiedsgericht und vondererseits die schiedsgerichtliche Kompetenz ausgeschlos-sen.

Es war endlich noch die Frage zu entscheiden, obdas hiesige Gericht für diesen Streitfall zuständig sei.Die Bestimmung des Aufführungsvertrages, wonach Wien Er-füllungsort sei, bezieht sich selbstverständlich lediglichauf die Zahlung der Vertragsstrafe, nicht aber auf die inFrankfurt am Main geplante Aufführung des Theaterstückes.Dass diese Vertragsstrafe aber in Wien geleistet werdenkann, darüber besteht wohl kein Zweifel. Allerdings wendetdie beklagte Partei ein, dass die Vertragsstrafe inReichsmark festgesetzt sei und dass eine derartige Lei-stung mit Rücksicht auf die geltenden Devisenvorschriftenunmöglich sei. Dieser Umstand kann aber höchstens verhin-dern, dass die Zahlung in ausländischen Valuta, nicht aberdass sie in Wien geleistet werde. Die Frage, ob infolge derDevisenvorschriften die Vertragsstrafe tatsächlich inReichsmark geleistet werden kann, ist bei der Entschei-dung der Zuständigkeitsfrage überhaupt nicht zu erörtern.Es handelt sich nur darum, dass sie unter normalen Ver-hältnissen in Wien zu leisten wäre oder hier geleistet wer-den könnte. Diese letztere Frage ist aber zweifellos zubejahen.

Bei der ersten Tagsatzung wurde auch noch mitRücksicht auf den angeblich beim Bühnenschiedsgericht in

Berlin zur Zahl Noh Sch 23/32 gefällten Schiedsspruch dieEinrede der rechtskräftig entschiedenen Streitsache er-oben. Diese Einrede ist aber nicht begründet, da, wie bereitserwähnt wurde, vom Bühnenschiedsgericht in Berlin einSchiedsspruch überhaupt nicht gefällt, vielmehr die dorteingebrachte Klage über die erhobene Einrede der Unzustän-digkeit zurückgezogen wurde.

Die Entscheidung über die Kostenstützt sich auf §§ 41 und 52 ZPO.

Landesgericht für Z.R.S. Wien Abt. 7Wien, am 4. November 1932.

Schweitzer

Fackelstädt. Bühnen 24. NOV. 1932