125.124 Beschluss des Oberlandesgerichts Wien (G.Z. R 823/32, Viktor Hoyer)

Materialitätstyp:

  • Typoskript
Datum: 21. Dezember 1932
Stempel: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien
Seite von 4

1 R 823/3210

177 Cg 322/3210

Das Oberlandesgericht Wien als Rekursgerichthat in der Rechtssache der klagenden Partei VerlagDie Fackel Herausgeber Karl Kraus,prot. Firma in Wien III., Hintere Zollamtsstrasse 3,vertreten durch Dr. Oskar Samek, Rechtsanwalt in Wien,wider die beklagte Partei: Die Stadt Frank-furt am Main als Konzessionärin der Frank-furter städtischen Bühnen, zuHänden des Magistrates Frankfurt am Main, vertreten durch Dr. Richard Pressburger, Rechts-anwalt in Wien, wegen Feststellung und Rechnungslegungund wegen Bezahlung von 2.000 RM samt Nebengebühren in-folge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschlussdes Landesgerichtes für ZRS. Wien vom 4. November 1932,GZ. 7 Cg 322/32/7, denBeschluss gefasst:

Dem Rekurse wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihres erfolglo-sen Rechtsmittels selbst zu tragen.

Begründung:

Die klagende Partei hat die Zuständigkeit des an-gerufenen Landesgerichtes für ZRS. Wien auf die im Ver-trage vom 23. Mai/25. Juli 1929 im § 9 getroffene Verein-barung, dass „Wien Erfüllungsort“ sei („§ 88 JN.“),gestützt.

Die beklagte Partei hat die Einrede der Unzulässigkeitdes Rechtsweges sowie die Einrede der sachlichen undörtlichen Unzuständigkeit und die Einrede der entschie-denen Streitsache erhoben.

Der Rechtsweg sei deshalb unzulässig, weil zwischenden Parteien als vereinbart anzusehen sei, dass die ausdem gegenständlichen Vertrage entspringenden Streitigkei-ten vor das Bühnenschiedsgericht Berlin oder Wien zu brin-gen seien. Jedenfalls liege aus diesem Gesichtspunkte min-destens sachliche Unzuständigkeit des angerufenen Gerich-tes vor. Endlich komme örtliche Zuständigkeit eines Wie-ner Gerichtes deshalb nicht in Betracht, weil die Klauseldes § 9 des Aufführungsvertrages vom 23. Mai 1929Erfül-lungsort: Wien“ nach der Sachlage ein Unding sei, weildoch gemäss § 2 dieses Vertrages die Aufführungen (und diessei doch der wesentlichste Bestandteil der Erfüllung) inFrankfurt am Main zu erfolgen haben.

Der Erstrichter hat die erhobenen Einreden durchausfür unstichhältig erklärt. Dagegen richtet sich der Rekursder beklagten Partei, jedoch zu Unrecht. Zunächst gehtdie Argumentation des Rekurses fehl, die sich darzutunbemüht, dass die prozessualen Handlungen der Parteien,welche vor dem Berliner Bühnenschiedsgericht am 2. März1932 zum dortigen Aktenzeichen Sch 23/32 (siehe Beila-ge W) vorgenommen wurden, noch keine rechtserzeugendeWirkung in Bezug auf die Zuständigkeitsfrage für den Fallder neuerlichen Anbringung dieser Rechtssache gebaut haben.

In Wahrheit ist der prozessuale Sachverhalt der fol-gende: Vor dem Bühnenschiedsgericht in Berlin hat diebeklagte Parteiden Einwand der Unzuständigkeit“ desSchiedsgerichtes mit der Begründung erhoben, dass KarlKraus nicht Mitglied eines der in Frage kommenden Verbände

sei.

Daraufhin hat der Vertreter der klagenden Parteiletztere Tatsachenbehauptung anerkannt und die Klagebeim Bühnenschiedsgericht zurückgenommen. Die Klägerin hat also der genannten Einrede gegenüber submittiert.Damit ist für die Frage dieser Zuständigkeit zwischenden Parteien bezüglich der gegenständlichen Rechtssa-che endgültig die Kompetenz des Schiedsgerichtes ne-giert.

Der Erstrichter hat deshalb durchaus recht, wenner sagt, dass beide Teile „einerseits durch die Einwen-dung der Zuständigkeit vor dem Berliner Schiedsgericht und andererseits durch die daraufhin erfolgte Klags-rücknahme seitens des Klägers die schiedsgerichtliche Kompetenz ausgeschlossen haben“.

Damit entfällt aber die Notwendigkeit einer weite-ren Untersuchung, ob die klagende Partei aus dem Ge-sichtspunkte der Zugehörigkeit oder Nichtzugehörig-keit des Inhabers des Verlages „Die Fackel“ an denTarifvertrag (siehe Beilage Nr. 2) sowie die „All-gemeinen Bestimmungen desselben für den Geschäftsver-kehr“ (ebenfalls Beilage 2) gebunden war.

Recht hat der Erstrichter übrigens auch darin,dass die Einrede, die Parteien hätten sich vereinbarungs-gemäss auf ein Schiedsgericht geeinigt, nicht die Einrededer Unzulässigkeit des Rechtsweges, sondern jene dersachlichen Unzuständigkeit des Gerichtes darstelle(siehe JM. zu § 240, Abs. 3 ZPO., sowie Jud.B. Nr. 26,bei § 577 ZPO.).

Ferner hat der Erstrichter auch die Einrededer örtlichen Unzuständigkeit mit Recht verworfen.Die Ausführungen des Rekurses sind nicht geeignet,

gegenüber der unbestrittenen Klausel des § 9 desgegenständlichen Aufführungsvertrages (Beilage E)Erfüllungsort: Wien“ sowie der Gesetzesbestimmungdes § 88 JN. daran zweifeln zu lassen, dass hinsicht-lich der geltend gemachten Klagsansprüche der Gerichts-stand des Erfüllungsortes Wiens vereinbart – gegeben ist.

Aber auch im Kostenpunkte entspricht der angefochte-ne Beschluss dem Gesetze; denn es handelt sich angesichtsder über Parteieneinverständnis erfolgten Einschrän-kung der Verhandlung auf die geltend gemachten Einre-den um einen Indizienstreit, so dass über die Kosten des-selben gemäss den §§ 41 und 52.1 ZPO. schon vom Erst-richter zu entscheiden war. Der Rekurs hat wohl erklärt,den erstgerichtlichen Beschluss seinem ganzen Inhaltenach anzufechten, so dass formell auch die Entschei-dung, wonach der Einrede der rechtskräftig ent-schiedenen Streitsache keine Folge gegeben wird, alsangefochten zu gelten hat. Der Rekurs hat es aber un-terlassen, diese Anfechtung irgendwie auszuführen.

Aus diesen Gründen erweist sich der Rekurs alsdurchaus unstichhältig, so dass ihm keine Folge zu ge-ben war.

Der Ausspruch über die Rekurskosten beruht auf§§ 40, 50 ZPO.

Oberlandesgericht Wien, Abt. 1,am 21. Dezember 1932.Chmilevsky

20. JAN. 1933Kraus Frankf. städt. Bühnen