167.17 Revisionsschrift der klagenden Partei (eingereicht von Otto Gustav Wächter beim Landesgerichts für Z.R.S. Wien, G.Z. 16 Cg 552/31)

Schreiberhände:

  • Oskar Samek, roter Stift
  • Oskar Samek, blauer Stift

Materialitätstyp:

  • Typoskript mit handschriftlichen Annotationen
Datum: 14. April 1932
Stempel: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien
Seite von 7

16 Cg 552/5114

An dasLandesgericht für ZRS.,WIEN.

Klagende Partei: Lothar Rübelt, Photograph in Wien, I.,Wollzeile Nr.14.Durch: Wächter

Beklagte Partei: Karl Kraus, Eigentümer, Herausgeber undverantwortlicher Redakteur d. ZeitschriftDie FackelWien, III., Hintere Zollmatsstraße 3.Durch: Dr. Oskar Samek, Rechtsanwalt in Wien, I.

Wegen: Verletzung des Urheberrechtes(Streitwert 2.000 S)

REVISIONSSCHRIFT DER KLAGENDEN PARTEI!

Ich erhebe durch meinen bereits ausgewiesenen Vertreter gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien vom 2. März 1932,16 Cg 552/31/13 in offener FristRevision an den Obersten Gerichtshof.

Das Urteil wird seinem gesamten Inhalte nach angefochten.

Als Revisionsgrund mache ich unrichtige rechtliche Beurtei-lung der Streitsache geltend.

Ich stelle denRevisions-Antrag auf Abänderung des angefochtenen Urteiles unter Stattgebungder Klage im Sinne des Klagebegehrens sowie auf Verfällungder beklagten Partei in die Kosten der drei Instanzen.

Revisionsgründe:

Das Landesgericht für ZRS. hat als im vorliegenden Fallentscheidende I. Instanz die sämtlichen von der beklagtenPartei gegen mein Klagebegehren erhobenen Einwände für recht-lich unerheblich erklärt. Das angefochtene Urteil stimmt inseiner Begründung mit der Rechtsansicht des Erstgerichtes,was die Mehrzahl der Einwendungen betrifft, überein, kommtaber schließlich zu einer anderen Entscheidung und zwar le-diglich unter Bezugnahme auf § 34 Z. 4 im Zusammenhang mit§ 36 U.R.G. Es wird daher in vorliegender Revision lediglichzu diesem, von der Berufungsinstanz entgegen dem Ersturteil eingenommenen Rechtsstandpunkt Stellung genommen.

Das angefochtene Urteil meint, daß die Aufnahme des vonmir geschaffenen und unter meinem Urheberrecht stehendenphotographischen Bildes in den Artikel des Beklagten keineVerletzung meines Rechtes bedeute, da das Bild „bloß zurErläuterung des Textes“ in das Schriftwerk Aufnahme gefundenhabe.

Diese Rechtsansicht des Oberlandesgerichtes ist irrig.

Es mögen die Ausführungen auf Seite 8 des angefochtenenUrteiles zutreffen und der Artikel „Rothschild muß sich

einschränken“ aus, nach einem einheitlichen Gesichtspunkte aus,gruppierten Zitaten dritter Zeitungen bestehen, in welche das vor-liegende Bild organisch eingepaßt erscheint; es mag auch zutreffen,daß im vorliegenden Falle das Schriftwerk als die Hauptsache er-scheint. Es mag weiter zugegeben werden, daß die Aufnahme des Bildesden Artikelanschaulicher“ mache. – Diese sämtlichen Tatsachengenügen für die Anwendung des § 34 Z. 4 URG. nicht und sind für dienach dem Wortlaut und Sinn des Gesetzes entscheidende Frage, obnämlich die Aufnahme des Bildes bloß zur Erläuterung des Texteserfolgte, belanglos.

Daß sich das Bild nach Anschauung des Berufungsgerichtes selbstals ein Zitat darstellt, ist gleichfalls unbeachtlich, da vorliegendnicht das Recht des Zitates im Sinne des § 25 Z. 2 URG. zur Diskus-sion steht, welches Recht im Hinblick auf § 36 URG. auch nach An-sicht des Berufungsgerichtes hier nicht in Frage kommt, sondernlediglich das Recht der „Erläuterung“ im Sinne des § 34 Z. 4

Grundsätzlich ist zur Auslegung der entscheidenden Worte des§ 34 Z. 4: „bloß zur Erläuterung des Textes“ folgendes fest-zuhalten:

Ein fundamentaler Grundsatz der Österreichischen Gesetzgebungist die Anerkennung des Eigentumsrechtes; der Schutz der eigenengeistigen und manuellen Arbeit und des Produktes dieser Arbeitvor dem Zugriff Fremder an dieser Arbeit nicht Beteiligter.

Dieser Grundsatz wird nur in ganz besonderen Ausnahmsfällendurchbrochen, wenn das Interesse der Allgemeinheit, das Interessedes einzelnen Bürgers übersteigt. Es darf die Arbeit eines Drittennur dann von dem daran Unbeteiligten ausgenützt werden, wenn diesim Interesse der Allgemeinheit notwendig, bzw. erforderlich ist.

Dieser Grundsatz gilt auch im österreichischen Urheberrecht,das ja gerade zum Schutze des geistigen, künstlerischen und ma-nuellen Arbeit des Einzelnen geschaffen wurde. Auch hier werdendiese Schutzbestimmungen nur dann durchbrochen, wenn dies imSinne des allgemeinen Interesses notwendig und erforderlich ist.

Nur in diesem Sinne wird im § 34 Z. 4 URG. eine Durchbrechungdes Schutzes der geistigen Arbeit zugelassen, indem die Aufnahme

von Nachbildungen erschienener Werke einen Eingriff in dasUrheberrecht des Schöpfers dieses Werkes nicht bedeutet, wenndie Aufnahme: „bloß zur Erläuterung des Textes“ erfolgte. –

Die Textierung dieser Gesetzesstelle und die Aufnahme desWörtchens „bloß“ kennzeichnet ganz besonders die einschränkendeAbsicht des Gesetzgebers.

Hinzu kommt und muß hier gleichfalls ausdrücklich festgehaltenwerden, daß das Urheberrechts-Gesetz als Spezialgesetz keinesfallsausdehnend interpretiert werden darf, daß vielmehr darin enthalteneDurchbrechungen des allgemeinen Grundsatzes auf Schutz des Eigen-tums nur einengend zu interpretieren sind.

Entscheidend ist sohin die Auslegung des Wortes „Erläuterung“,welche bloß die Aufnahme der Nachbildung rechtfertigen kann.

Als „Erläuterung“ kann aber nicht das „anschaulichmachengelten, wie es das angefochtene Urteil auf Seite 9 vermeint, ins-besondere dann nicht, wenn das Wort Erläuterung strenge auszulegenist, wie dies nach dem Vorausgeführten zweifellos der Fall ist.

Die gegenständliche, in den an sich nicht sehr zugkräftigen Artikel der „Fackel“ aufgenommene Aufnahme bedeutet zweifelloseine Ausschmückung, eine Verschönerung und eine Belebung des Ar-tikels. Die wohl gelungene Aufnahme des mißvergnügten Geldmannes bedeutet zweifellos ein Schmackhaftmachen des zähen Literaten-produktes; ja die Aufnahme und der Inhalt des Artikels rechtfer-tigen die hiemit ausgesprochene Annahme, daß die beklagte Partei erst bei Ansichtigwerden dieses trefflichen Bildes und wohlgelun-genen photographischen Schnappschusses auf den Gedanken kam, Ex-zerpte aus anderen Zeitungen um dieses Bild zu sammeln und damitseine nicht sehr begehrte Zeitschrift zu beleben. Das, was Mager auf Seite 1434 des Kommentars von Altmann zitiert, daß nämlich derText ein Mäntelchen um die Nachbildung wäre ,scheint hier offenbarvorzuliegen.

Hält man diese letztere Annahme für begründet, oder im Sinne desBerufungsgerichtes (Seite 9) für unbegründet, die Tatsache bleibtjedenfalls bestehen, daß es sich hier um eine Nachbildung handelt,welche zur Verschönerung, Belebung und Ausschmückung des Artikels

dient, welche ihn augenfälliger und schmackhafter macht, welcheihn aber nicht erläutert, und welche schließlich und entscheidendzur Erläuterung, zum Verständnisse, zur Verdeutlichung des Textesnicht notwendig und nicht erforderlich ist.

Diese beiden Voraussetzungen ergeben sich aber aus der obengeschilderten Abfassung dieses Gesetzes und diese Voraussetzungenwerden auch von der Rechtslehre gefordert. (Dr. Seiller, Urheber-recht, Seite 121)

Ausgezeichnet und prägnant hat auch der Herr Erstrichter dasNichtvorliegen einer „Erläuterung“ in die Worte gekleidet:Der Text läßt sich genau so gut auch ohne das Bild lesen undverstehen. Damit ist die Berufung auf § 34 Z. 4 hinfällig.

Sinn der Ausnahmsbestimmung des § 34 Z. 4 ist und bleibt der,daß eine Nachbildung nur dann ohne Genehmigung des Urhebers ge-bracht werden darf, wenn sonst das betreffende Werk, der betreffendeArtikel nicht verständlich wäre. Sinn und Zweck der Ausnahmsbe-stimmung ist nicht der, daß ein Literat sich, ohne die üblichenHonorare für Photographien zu bezahlen, diese aus Zeitungen, indenen sie honoriert erschienen sind, entnimmt und seine Geistes-produkte bzw. Zitatsammlungen mit fremden, auf diese Weise konku-renzlos billigen und damit um so willkommeneren Federn schmückt. –Würde diese, von der beklagten Partei geübte Praxis, im Literaten-gewerbe weitere Ausbreitung finden, wäre die Arbeit des Photographenund insbesondere des Reportage-Photographen für fremde Taschengeleistet. Daß eine solche abwegige Praxis nicht eingreift, zu die-sem Zwecke wurde die gegenständliche Klage eingebracht und zudiesem Zwecke, somit zum Schutze des Photographengewerbes, wirdhiemit an den Obersten österreichischen Gerichtshof appelliert.

Daß der Sinn der in Geltung kommenden urheberrechtlichen Be-stimmungen und die oben vorgenommene Auslegung zutrifft, wirdentgegen der Annahme des Berufungsgerichtes auch von dem im ange-fochtenen Urteil zitierten Kommentar (Mager S 1422, 1423 u. 1434)bestätigt.

Gerade dieser Kommentar sagt auf Seite 1422, daß eine Einschrän-kung der Unverletzlichkeit des Urheberrechtes „nur dann Platz

greifen kann, wenn der mit der Wiedergabe eines fremden Geistes-produktes verbundene Zweck das zu schützende Interesse desUrhebers überwiegt.“ Im vorliegenden Fall ist der Zweck „dieErläuterung“, welche mit der geschehenen Aufnahme des Bildesnicht erfolgt und noch weniger zum Schutze eines überwiegendenInteresses erforderlich war.

Wenn Mager auf Seite 1423 sagt: „Das Gesetz darf nichtmißbraucht werden, unter dem Deckmantel eines literarischenoder künstlerischen Zweckes Eingriffshandlungen zu begehen;so gilt dieser Satz auch für § 34 Z. 4. Auch hier darf unterdem Vorwande einer Erläuterung, welche weder notwendig noch er-forderlich ist, nicht in das Urheberrecht eines Dritteneingegriffen werden.

Wien, 14. April 1932.Lothar Rübelt

An Kosten verzeichne ich:Revisionsschrift verfaßt 120 S – g+ 10% Einheitssatz 12 S – g = S 132.–- 10% Krisenabschlag S 13.20S 118.80+ 2% W.U.St. S 2.38Stempel S 19.50S 140.68

KrausRübelt18. APR. 1932