194.6 Brief Samek an RA Johann Turnovsky

Materialitätstyp:

  • Durchschlag

Sender

Oskar Samek
Reindorfgasse
XIV., Penzing
Datum: 5. April 1936
Betreff: Kraus – Dr. Schwelb
Diktiersigle: Dr.Sa/Bl.

Empfänger

An: Herrn | Dr. Johann Turnovsky, | Advokat
Vodičkova 33
Prag II.
Seite von 2

Sehr geehrter Herr Kollege!

Ich bestätige mit bestem Danke, auchvon Seiten des Herrn Kraus, den Empfang Ihres freundl.Briefes vom 2. April 1936. Wenn es Ihnen nicht aus demGrunde bedenklich erscheint, die Ehrenbeleidigungsklagewegen des Schriftsatzes einzubringen, dass die Gegen-seite eine ähnliche Verschleppungstaktik wie in demHauptprozess versuchen könnte und wieder ein uferlosesVorbringen und Beweiserhebungen sich daraus ergeben,so möchte Herr Kraus sie wünschen. Wenn Sie aber derar-tige Befürchtungen nicht haben, so bitte ich Sie, die Kla-ge vorzubereiten. Herr Kraus wird bereits am Mittwoch,längstens aber am Donnerstag nach Prag kommen und allesmit Ihnen mündlich besprechen. Er bittet Sie, dem HotelPalace seine Ankunft für einen dieser Tage anzuzeigen,damit ein passendes Zimmer frei ist.

Bezüglich der auch hier auftauchendenFrage, ob ein Vorbehalt für die Verfolgung notwendig ist,möchte ich Ihnen das Folgende zu bedenken geben: Sieschliessen diese Notwendigkeit aus, weil der Berechtigte

im Sinne des § 18 Herr Kraus und nicht Sie sind, und er vonder strafbaren Handlung erst nach Abschluss des Beweisverfah-rens Kenntnis erlangt hat. Diese Argumentation erscheint mirnicht ganz stichhaltig, denn ich glaube nicht, dass ein Gerichtdie Kenntnis des Vertreters des Privatklägers nicht seinereigenen gleichhalten wird. Für kräftiger halte ich die Argu-mentation, dass Sie selbst den Inhalt der Beweisanträge vorder Urteilsfällung nicht gekannt haben. Zu befürchten ist aber,dass die Protokollierung des Umstandes, der gegnerische Be-weisantrag sei vorgelesen worden, wenn es auch in Wirklich-keit nicht der Fall war, dem Gerichte einen Anhaltspunkt ge-ben könnte, das Verfolgungsrecht auszuschliessen. Ich für meinePerson habe es immer so gehalten, dass ich nur ganz aussichts-reiche Sachen für Herrn Kraus wirklich zum Gegenstand einerAnklage gemacht habe, weil ein gewonnener Prozess, selbst wenner aus formalen Gründen gewonnen wurde, der Gegenseite dieMöglichkeit gibt, einen Wirbel zu machen.

Ich wäre Ihnen auch sehr verbunden, wenn Siemir bei Gelegenheit mitteilen wollten, ob Herr Dr. Schwelb gegen das Urteil Berufung ergriffen hat.

Indem ich Sie herzlichst grüsse, zeichne ichmit vorzüglicher, kollegialer Hochachtung.

Ihr ergebener

KrausDr. Schwelb