194.7 Brief RA Johann Turnovsky an Samek

Materialitätstyp:

  • Typoskript mit handschriftlichen Annotationen

Schreiberhände:

  • Bleistift
  • schwarze Tinte

Sender

JUDr. JOHANN TURNOVSKY | Advokat
Vodičkova 33
Prag II.
Datum: am 6.IV.1936
Betreff: Kraus – Dr. Schwelb

Empfänger

An: P.T. | Herrn Dr. Oskar Samek, | Advokat
Reindorfgasse 18
Wien – XIV
Seite von 4

Sehr geehrter Herr Doktor.

Ich bestätige mit bestem Dank den EmpfangIhres freundlichen Schreibens vom 5. d.M., zu dessen Inhaltich Folgendes bemerken möchte:

Die in dem Schriftsatze des Gegners enthal-tenen Ehrenbeleidigungen bestehen wiederum aus der Be-hauptung von Tatsachen, für welche Dr. Schwelb sicherlich denWahrheitsbeweis anbieten wird. Man muss sicherlich damitrechnen, dass im Zuge des Verfahrens ähnliche Behauptungenvorgebracht werden, wie im Hauptprozesse und dass sich alsoBeweiserhebungen daraus ergeben. Nun glaube ich aber, dassdas Bezirksgericht bei der Entscheidung über den Inhalt undUmfang des Wahrheitsbeweises sachlicher vorgehen wird, alsder Pressesenat und einer Verschleppungstaktik des Gegners auch energischeren Widerstand leisten wird.

Was nun die Frage betrifft, ob die Unter-lassung des Vorbehaltes in diesem Falle die Verfolgung aus-schliesst, glaube ich annehmen zu dürfen, dass man wohl dieVorschrift des § 18, Absatz 1 / letzter Satz / hier zur Anwen-dung bringen muss. Der Fall liegt doch anders, als im Haupt-prozesse und in dem durch den Vergleich vom 27.I.1936 erle-digten Prozesse.

Dort konnte es sicherlich keinem Zweifel unterlie-gen, dass Herr Kraus von dem beim Abschlusse des Vergleichesvon den durch den im Hauptprozesse inkriminierten Artikel er-folgten Beleidigungen Kenntnis hatte.

Wenn also der § 18 auch auf andere als gegenseitigeKlagen Anwendung finden durfte und der Vorbehalt beim Abschlus-se eines Vergleiches gemacht werden müsste, selbst wenn es sichnicht um die Verfolgung neuer, sondern früherer Delikte handelt,die bereits verfolgt werden, so könnte man die Anwendbarkeitdes § 18 auf den Hauptprozess wohl eher annehmen, als im Falleder durch den Inhalt des Schriftsatzes des Dr. Schwelb begange-nen Ehrenbeleidigung. Ich bin wohl zur Vertretung des HerrnKraus im Ehrenbeleidigungsprozesse ca. Dr. Schwelb bevollmäch-tigt gewesen, muss aber nicht das Recht haben, Aeusserungenüber meinen Mandanten betreffende Handlungen abzugeben, vondenen dieser überhaupt keine Kenntnis hat.

Ueberdies glaube ich, dass der Richter den Fall inguter Erinnerung haben und daher wissen wird, dass ich den In-halt des Schriftsatzes tatsächlich bis zur Urteilsfällung nichtgekannt habe.

Ich teile ganz Ihre Ansicht, dass es unbedingt ver-mieden werden soll, für Herrn K. Prozesse zu führen, die nichtganz aussichtsreich scheinen. Von diesem Standpunkte aus müss-te man sich allerdings überlegen, ob man den neuen Prozess gegenDr. Schwelb anstrengen soll. Ich habe jedenfalls den Entwurf derKlage vorbereitet und schliesse ihn hier bei, damit Sie nochvor der Abreise des Herrn K. mit diesem in der Angelegenheit

sprechen können. Herr Dr. Schwelb hat durch seinen Verteidigerbei der Urteilsverkündung die Berufung nicht angemeldet.

Ich nehme an, dass Ihre Mitteilung über dieAnkunft des Herrn K. so zu verstehen ist, dass er diesen Mitt-woch oder Donnerstag, d.i. 8. oder 9. d.M. nach Prag kommt.

Ich werde seine Ankunft im Palace-Hotel avi-sieren

Mit dem Ausdrucke vorzüglichster Hochachtungund besten Grüssen Ihr ergebener: Dr. Turnovsky

1 Beilage

Kraus – Dr. Schwelb7. APR. 1936