194.8 Entwurf einer Ehrenbeleidigungsklage gegen Dr. Schwelb [Übersetzung]

Schreiberhände:

  • schwarze Tinte

Materialitätstyp:

  • Typoskript mit handschriftlichen Überarbeitungen
Datum: 6. April 1936
Seite von 5

Entwurfder Ehrenbeleidigungsklage gegen Dr. Schwelb.

Der Privatkläger hat den Angeklagten subT X 46/36 vor diesem Gerichte wegen der Uebertretung nach§ 1 und 2 des Ehrenschutzgesetzes belangt. Dieser Uebertre-tung hat sich der Angeklagte dadurch schuldig gemacht, dasser vor dem Anwalte des Privatklägers über diesen Tatsachenangeführt und mitgeteilt hat, die ihn in der allgemeinenMeinung verächtlich machen und herabsetzen mussten. Erwurde auch bei der am 26. März 1936 abgehaltenen Hauptver-handlung der Uebertretung des § 2 des Ehrenschutzgesetzes schuldig erkannt und zu einer Arreststrafe von 3 Tagen, ver-schärft durch einen Fasttag, mit einer einjährigen Bewährungs-frist bedingt verurteilt.

Beweis: die Akten dieses Gerichtes T X 46/35.

Bei der Hauptverhandlung vom 26.III.1936erklärte der Verteidiger des Angeklagten, er habe einenschriftlichen Beweisantrag überreicht und diesen dem Anwal-te des Privatklägers, der ihn allerdings vor der Verhand-lung nicht erhalten hatte, direkt zustellen lassen. DieserBeweisantrag befand sich bei der Hauptverhandlung noch nichtbei den Prozessakten und der Verhandlungsleiter, Herr L.G.R. Dr.Udržal liess sich vom Verteidiger den Durchschlag des vondiesem angeblich überreichten Beweisantrages vorlegen, umden Inhalt des Schriftsatzes zu konstatieren.

Erst nach Verkündigung des Urteiles fand derAnwalt des Privatklägers das ihm am gleichen Tage per Postzugestellte Pare des Beweisantrages in der Kanzlei vorund konstatierte dessen Inhalt. Mit Brief vom 26.III.1936erstattete der Anwalt des Privatklägers diesem durch Vermittlungdiesem des Wiener Anwaltes H. Dr. Oskar Samek Bericht über den Ver-lauf der Hauptverhandlung. Diesem Berichte war die Ueber-

setzung des Beweisantrages beigeschlossen. Dieses Bericht-schreiben langte beim Wiener-Anwalte des Privatklägers am27.III.1936 ein und wurde, ebenso wie die beigeschlosseneUebersetzung des Beweisantrages des Angeklagten, dem Pri-vatkläger am ….III.1936 übergeben.

Beweis: Die Prozessakten T X 46/36. Der Durchschlagdes Beweisantrages mit der Präsentations-stampiglie, Zeuge Dr. Johann Turnovsky, AdvokatPrag–II, Vodičkova 33.

Der Privatkläger hat also von dem In-halte des Beweisantrages am …. März 1936 Kenntnis er-langt und festgestellt, dass in diesem Beweisantrage überihn folgende ehrenrührige Behauptungen aufgestellt sind:

1./ „Ich / der Angeklagte / habe in dieserBehauptung die Aeusserung einer unwürdigen Art erblickt,durch welche der Privatkläger seine literarischen Fehdenerledigen will.

2./ Ich gestehe ein, dass das Wort „Lumperei“gefallen ist. Ich habe diesen Ausdruck im Affekt für demVerhalten und der Gesinnung des Privatklägers adäquat an-gesehen.

3./ Als dann dieses selbe Regime, nicht an-ders als in Deutschland, die Verfassung aufgehoben und dieGesetze gegen den Willen des Volkes ausgelöscht hat, alssich dann das Volk dagegen auflehnte, gehorsam unter anderemdem Hasse und den Verwünschungen des Karl Kraus, und alsdann die Schutzverbände mit der Waffe in der Hand unter-legen sind – da plötzlich hat der Privatkläger seine Hal-tung geändert und aus dem Verkünder reiner Freiheit wardder Anhänger des alt-neuen Regimes, der Verteidiger seinerGewalttaten und Hinrichtungen, der Lobredner der Männer,welche die Macht an sich gerissen haben, um durch sie alleszu vernichten, was frei, menschlich und demokratisch war.

Dieser plötzliche Umschwung in den Ansichten des Privat-klägers, dessen unbeugsame Ethik einst der Stolz seinerAnhänger war, und seine plötzliche Sympathie für die Herr-schenden hatte ich im Sinne.

4./ „Ich bemerke, dass die mir zur Last gelegtenHandlungen nicht unter die Bestimmungen des § 2 des GesetzesNr. 108/33 der Gesetzesammlung subsumiert werden können.Wenn mir auch konkrete Tatsachen bekannt waren, aus denenich meine Ansicht über das Verhalten und die Gesinnung desPrivatklägers geschöpft habe, so habe ich über ihn keineTatsachen angeführt, welche der § 2 im Sinne hat, ich habenur allgemein über sein Verhalten gesprochen;

5./ „Ich bereue meine Tat deswegen, weil sie dem Kläger dieMöglichkeit einer Genugtuung vor dem Gerichte eines demo-kratischen Staates gewährt hat und weil diese für einelediglich formale Beleidigung erwirkte Genugtuung von weni-ger informierten Lesern als Rehabilitierung des literari-schen Verhaltens des Privatklägers aufgefasst werden kann.

Beweis: der hier beigeschlossene Beweisantrag des An-geklagten.

Es muss bemerkt werden, dass der Autor die-ses Beweisantrages nicht der Verteidiger des Angeklagten,durch dessen Kanzlei dieser Antrag im Auftrage des Angeklag-ten überreicht und dem Anwalte des Privatklägers zugestelltwurde, sondern der Angeklagte selbst ist.

In diesem Beweisantrage hat er den Privatkläger durch Lächer-lichmachung an der Ehre gekränkt, über ihn vor dritten Per-sonen, d.i. vor dem Richter, vor dem Anwalte des Privatklä-gers, sowie vor dem Personal des Anwaltes, Tatsachen angeführt, diegeeignet sind, den Privatkläger in der allgemeinen Meinungverächtlich zu machen und ihn herabzusetzen.

Er hat in diesem Beweisantrage, dessen

Inhalt – wie gesagt –, dritten Personen zur Kenntnis gelangensollte und gelangt ist, zu den Beleidigungen, derentwegener zu einer Freiheitsstrafe verurteilt werden musste, neueschwere Beleidigungen des Privatklägers hinzugefügt.

So hat er behauptet, der Privatkläger wolle in unwürdiger Art seine literarischen Fehden erledigen, er habe mit dem Worte „Lumperei“ den adäquaten Ausdruck für das Verhalten und die Gesinnung des Privatklägers verwendet. Der Privat-kläger, einst der unbarmherzige Gegner des alten Regimes, etc.,habe, als die Schutzverbände mit der Waffe in der Hand unter-legen sind, plötzlich seine Haltung geändert und aus demVerkünder der reinsten Wahrheit sei der Anhänger des alt-neuen Regimes, der Verteidiger seiner Gewalttaten und Hin-richtungen und der Lobredner jener Männer geworden, welchedie Macht ergriffen haben, um durch sie alles zu vernichten,was frei, menschlich und demokratisch war. Diese Wandlung inden Abschauungen des Privatklägers habe der Angeklagte, ebensowie die plötzlichen Sympathien zu dem herrschenden Regime imAuge gehabt, als er das Verhalten des Privatklägers alsLumperei“ bezeichnet und sich über ihn dahin geäusserthabe, er sei höchstens ein Paar Ohrfeigen wert. Er sagtferner, dass ihm zwar konkrete Tatsachen bekanntgewesenseien, aus denen diese seine Ansicht über das Verhalten unddie Gesinnung des Privatklägers geschöpft habe. Schliesslichbemerkt er noch, dass er seine Tat nur deswegen bereue, weiler durch sie dem Privatkläger die Möglichkeit gegeben habe,vor dem Gerichte eines demokratischen Staates Genugtuung zufinden, was von uneingeweihten Lesern fälschlich so ausgelegtwerden könnte, dass durch die Verurteilung des Beklagten imersten Prozesse eine tatsächliche Rehabilitierung des litera-rischen Verhaltens des Privatklägers erfolgt sei.

Es muss ausdrücklich bemerkt werden, dass der Angeklagte

bei der Verfassung dieses Schriftsatzes wusste und wissenmusste, dass der sogenannte Beweisantrag, in welchem aller-dings gar keine Beweise angeboten worden sind, keineswegs zuseiner Verteidigung dienen kann und eigentlich nur neue Be-leidigungen des Privatklägers enthält, die er unter dem Vor-wande, sich gegen die Anklage verteidigen zu wollen,vorbringen wollte, nur zu dem Zwecke, um den Privat-kläger vor den Augen des Richters, des Anwaltes und allerPersonen, zu deren Kenntnis der Beweisantrag gelangen musste,verächtlich zu machen und herabzusetzen. Der Inhalt des so-genannten Beweisantrages geht weit über das hinaus, wasüberhaupt und insbesondere in dem betreffenden Ehrenbelei-digungsprozesse Gegenstand einer Beweisführung sein könnte.

Es kann daher keinem Zweifel unterliegen, dasssich der Angeklagte der Uebertretung der §§ 1 und 2 schul-dig gemacht hat und zwar in einer Weise, die umso strafwürdi-ger ist, als die hier gesetzte strafbare Handlung in ihrenFolgen beabsichtigt war, die Fortsetzung der strafbarenHandlungen darstellt, derentwegen der Angeklagte verurteiltwerden musste und durch eine vorgetäuschte Verteidigungmaskiert werden sollte.

Deswegen wird der Strafantrag gestellt,der Angeklagte möge unter Berücksichtigung der erschweren-den Umstände der §§ 43, 44 lit b und c St.G. nach § 1 und § 2 des Gesetzes über den Ehrenschutz schuldig erkannt undbestraft werden, ferner möge ihm der Ersatz der Kosten,des Gerichtsverfahrens, sowie der Rechtsvertretung binnen14 Tagen unter Exekutionsfolgen auferlegt werden.

Prag, am …