196.146 Brief Samek an RA Felix Gallia

Materialitätstyp:

  • Durchschlag

Sender

Oskar Samek
Reindorfgasse
XV., Rudolfsheim-Fünfhaus
Datum: 19. Januar 1937
Betreff: Kraus – Arbeiterzeitung
Diktiersigle: Dr.S/Fa.

Empfänger

An: Herrn | Dr. Felix Gallia, | Advokat
Masarykstrasse 25-27
Brünn
Seite von 2

Sehr geehrter Herr Kollege!

Mit dem besten Dank bestätige ich denEmpfang Ihres freundlichen Schreibens vom 18. Januar 1937. Ichbedauere, dass mir die Berufung des Herrn Sonka so spät zu Ge-sicht kam, ich hätte Ihnen zu Ihrer Unterstützung eine ausführ-liche Gegendarstellung gegeben. So bin ich mit Rücksicht aufdie Kürze der Zeit nur in der Lage, Sie auf die groben Entstel-lungen, die die Berufung enthält, aufmerksam zu machen. DieNummern der Fackeln, auf die es hier besonders ankommt, nämlichdie Nr. 514–518 und 912–915, habe ich Ihnen am 23. April 1936 über-senden lassen. Sie sind die Beilagen 5 und 36 zu dem grossenSchriftsatz. Auf diesen Schriftsatz muss ich auch hinweisen zurWiderlegung der Behauptung des Gegners, Kraus habe der Tschecho-slowakei den Anspruch auf Selbständigkeit abgesprochen. DieNiedertracht aus dem aus dem Zusammenhang gerissenen Satz derNr. 514/18, Seite 25: „wenn Prag die Hauptstadt von Oesterreich-Ungarn wird …“ eine Meinung von Karl Kraus zu konstruieren, erhabe die Berechtigung auf Selbständigkeit der tschechoslowakischenRepublik verneint, kann nicht genug unterstrichen werden, undich würde empfehlen, dem Gericht den ganzen Abschnitt von Seite24 angefangen bis auf Seite 26 zur Kenntnis zu bringen, zumalda die jetzige europäische Situation mehr denn alles andere denprophetischen Blick von Karl Kraus dartut, weil es ja leider

wirklich dazu gekommen ist, dass „Europa das Opfer der Selbstver-preussung“ auf sich genommen hat. Was der sowohl in dem seiner-zeitigen Schriftsatz als auch in der Berufungsschrift enthalteneSatz sagen will, „dass doch eine Differenz zwischen der tschecho-slowakischen und der österreichischen Ausgabe existiert und zwargerade in der Angabe des Preises“ kann ich nicht herausbekommen.Er ist der Gipfelpunkt der Schwachköpfigkeit. Im Uebrigen kannman wirklich nichts tun, als hoffen, dass die Richter trotz derSchwierigkeit der Diktion die Haltung von Karl Kraus verstehenwerden, besonders, wenn man sie auf die Beziehungen von Kraus zudem Präsidenten Masaryk aufmerksam macht, über welche die Belegein Ihrer Hand sind.

Mit besten Grüssen und vorzüglicher kollegialerHochachtung bin ich

Ihr ergebener

KrausArbeiterzeitung 19.1.37