196.145 Berufung [Übersetzung] von Hugo Sonnenschein

Materialitätstyp:

  • Durchschlag
Datum: 18. Januar 1937
Seite von 4

Uebersetzung.

Berufung:

Ich fühle mich durch den Ausspruch des ange-fochtenen Urteils in der Frage der Schuld beschwert.

Durch die Ueberreichung des vorbereitendenSchriftsatzes vom 18.II.1936 habe ich bloss mein Verteidigungs-recht ausgeübt und die Grenzen dieser Berechtigung habe ichin keiner Weise überschritten. Ueber die Behauptung sub IX, dass näm-lich K.K. der Ansicht war, der čsl. Nation gebühre nicht derAnspruch auf Selbstständigkeit, habe ich als Beweis die österr.Ausgabe der Zeitschrift die Fackel Nr. 912–915 angeboten.

Das Erkenntnisgericht hat jedoch festgestellt,dass angeblich in den angeführten Nummern jener Passus überdie Partei, welche den Hausherrn hinausgeworfen hat, nicht ent-halten sei.

Zunächst muss betont werden, dass eingeklagtwurde meine Behauptung über K., dass nach seiner Meinung diečsl. Nation angeblich meinen Anspruch auf Selbstständigkeit ge-habt habe, keineswegs mein weiterer Passus über die Partei,welche den Hausherrn hinausgeworfen hat.

Die gerade erwähnte Behauptung ist auf derletzten Seite des Artikels „Die Handschrift des Magiersim Heft 912/915 zu finden. In diesem Artikel führt der Ver-storbene K.K. aus: „Wenn das jetzige Oesterreich, das …/ es folgt das Zitat dieses Absatzes bis zu den Worten: dubios

abgeschrieben ward.

Der Privatkläger hat sich zwar bemüht in seinem vorbe-reitenden Schriftsatz dieses Zitat als Vorwurf zu erklären,welcher der sozialdemokratischen Partei gemacht wurde, dasssie Bekessy, den grössten Revolverjournalisten in Wien, inSchönbrunn einquartiert hatte und dass sich nur auf diesen dergerade angeführte Passus „über die Wohnungsfrage“ bezog.Aber diese Auslegung Ks. überzeugt überhaupt nicht. Denn eskann durch die nicht die gerade vorhergehende Erwähnung überdie Gespensterfurcht erklärt werden. Demgegenüber hat K.K. das gleiche Wort in seinen Artikel mit der UeberschriftGespenster“ im Fackelheft Nr. 514/518 gebraucht, in demer auf die Glückwünsche Karl Seitz’ zur Erreichung des 20.Jahres der Fackel reagiert. Gerade in diesem Artikel benützter jene Bezeichnung „Gespenster“ von den Habsburgern. Ineinem ähnlichen antihabsburgischen Sinne hat sich K.K. auchin der Fackel Nr. 561/567 geäussert.

Der oben gesperrt zitierte Ausdruck Ks. / Anmerkung:gesperrt erscheinen die Worte: eine Wohnungsfrage zu Gunstender Besitzer entscheidet / über die Frage der Wohnungen, diezu Gunsten der Besitzer gelöst wurde, hat keinen andern Sinn,als dass K.K. die Habsburger als rechsgiltige Besitzer be-zeichnete, welche Oesterreich bis zum Jahre 1918 besassen.Wenn K.K. seine Behauptung über die Besitzerrechte den nun-mehrigen Besitzern gegenüberstellt, wobei er als diese dieNachfolgestaaten des jetzigen Oesterreichs meint, muss er notwendigerweisedieselbe Meinung auch über die übrigen Nachfolgestaaten derösterr. ung. Monarchie und daher auch über die Č.S.R. haben.

Anerkennt er doch durch den oben zitierten Artikel einzig dieBesitzerrechte der Habsburger als gerechtfertigt und bestreitetdadurch allen Nachfolgestaaten den Anspruch auf Selbstständig-keit. Schliesslich im Heft der Fackel 514/18 auf Seite 25 sagteK.K.: „Wenn Prag die Hauptstadt von Oesterreich Ungarn wird …“,woraus am besten hervorgeht, was für eine Meinung K.K. von derČ.S.R. hatte.

Es ist daher meine Ansicht gerechtfertigt, dass K.K. dieAnsicht hatte, die čsl. Nation habe keinen Anspruch auf Selbst-ständigkeit.

Was es endlich die österr. Ausgabe der Zeitschrift die Fackel anlangt, betone ich, dass ich die oben zitierte Aeusserung in derösterr. Ausgabe las und ich kann nichts dafür, dass ich jeneMeinung des Privatklägers gerade in der österr. Ausgabe gelesenhabe. Aus dem Umstand, dass in meinem vorbereitenden Schriftsatz jene österr. Ausgabe mit grossem Buchstaben angeführt ist, wasübrigens auch nicht richtig ist, weil mit grossen Buchstaben dortalle Beweise angeführt sind, die an erster Stelle genannt wurden,kann mir noch keine Herabsetzungsabsicht zugeschrieben werden.Wurde doch jener vorbereitende Schriftsatz auf der Maschine inder Kanzlei meines Verteidigers in meiner Abwesenheit und ohnemeine Ingerenz geschrieben. Ich kann daher nichts dafür, dassdie Kanzlei jenes Wort etwa mit grossem Buchstaben geschriebenhat.

Schliesslich hat der Privatkläger selbst zugegeben, dassdoch eine Differenz zwischen der čsl. und der österr. Ausgabeexistiert und zwar gerade in der Angabe des Preises. Es wurdemir in keiner Weise nachgewiesen, dass ich tatsächlich absicht-

lich meinem Verteidiger den Auftrag gegeben hätte, er mögedurch eine auffällige Niederschrift des Wortes „österrei-chische“ dem angeführten Beweis irgend eine beleidigendeFärbung geben.

Ueber alle angeführten Umstände, insbesondere über dieRichtigkeit des Sinnes des im Anfang zitierten Artikels Ks.biete ich die Zeugenschaft des Dr. Franz Brügel, des Privat-sekretärs des Gesundheitsministers in Prag an.

Schliesslich mache ich das hohe Berufungsgericht daraufaufmerksam, dass die Schriftsätze des Privatklägers in einemso scharfen Ton geschrieben sind, dass ich genötigt war, beider Niederschrift des Schriftsatzes einen schärfern Ton zubenützen. Durch diese Klage bemüht sich jedoch der Privatan-kläger um jeden Preis mich von der Durchführung einer wirksa-men Verteidigung abzuschrecken, was nach der Bestimmung des§ 6 Abs. 1 des Ehrenschutzgesetzes diese Gesetzesbestimmunggerade ausschliessen will. Ich behaupte daher, dass ichden inkriminierten Ausdruck gerade im Rahmen der zitiertenVorschrift nur zur Durchführung meiner notwendigen Verteidi-gung gebraucht habe.

Aus allen angeführten Gründen beantrage ich …