196.147 Brief RA Felix Gallia an Samek

Materialitätstyp:

  • Typoskript

Sender

Dr. FELIX GALLIA
MASARYKSTRASSE 25/27
BRÜNN
Datum: 21. Jänner 1937
Betreff: Kraus – Sonka, Bezirksgerichtsprozess.
Diktiersigle: DrG/K

Empfänger

An: Wohlgeboren Herrn | Dr. Oskar Samek, Rechtsanwalt
Reindorfgasse 18
Wien XIV.
Datum: 22. JAN. 1937
Seite von 4

Sehr geehrter Herr Kollege.

Es freut mich ausserordentlich, Ihnenmitteilen zu können, dass bei der Berufungsverhandlung das erst-gerichtliche Urteil in jenem Teil, auf den es besonders ankam,bestätigt wurde. Es handelt sich um den von Sonka Herrn K. ge-machten Vorwurf, Herr K. habe sich dahin geäussert, dass die čsl.Nation keinen Anspruch auf Selbständigkeit habe. Allein dieserTeil unserer Bezirksgerichtsklage war ja für den Pressprozessvon Wichtigkeit.

Was es das weitere inkriminierte Faktumanlangte, dass die Fackel in zweifacher Auflage, in einer für dieČSR bestimmten und in einer oesterreichischen erscheine, wurdedas Urteil des Bezirksgerichtes abgeändert und Sonka in diesemPunkt freigesprochen. Die Strafe, die das Berufungsgericht verhängthat war die gleiche wie die des Erstgerichtes. Auch der Ausspruchüber die bedingte Verurteilung und die Bewährungsfrist bliebenaufrecht. Die Kosten des Verfahrens beider Instanzen wurden ge-genseitig aufgehoben.

In der recht ausführlichen Begründung, dieich Ihnen seinerzeit noch nach Ausfertigung des schriftlichenUrteiles in deutscher Uebersetzung werde zukommen lassen, hat derSenatsvorsitzende ausgeführt, dass Sonka der Wahrheitsbeweisnicht gelungen sei und dass auch ein Exkulpierungsgrund nach § 6des Ehrenschutzgesetzes nicht gegeben wäre. Sonka hat nach Ansicht

des Berufungsgerichtes die Grenze der zulässigen Verteidigungüberschritten urd es war daher das Berufungsgericht ebenso wieder Erstrichter der Ansicht, dass die Behauptungen des Punktes IX/des gegnerischen vorbereitenden Schriftsatzes aus dem Presseprozessden Tatbestand nach § 2 des Ehrenschutzgesetzes herstellen.

Von der Anklage, eine Ehrenbeledigung dadurch begangenzu haben, dass er behauptet hätte, die Fackel erscheine je nach demLand wo sie verbreitet werde, in verschiedenen Auflagen, wurde Sonka deshalb freigesprochen, weil das Berufungsgericht der Ansicht ist,aus der blossen Bezeichnung „österreichische Ausgabe“ der Fackel könne noch nicht geschlossen werden, dass Sonka in dieser Hinsichtdie ihm zur Last gelegte Ehrenbeleidigung begangen hätte.

Der freisprechende Teil des Urteiles des Berufungsge-richtes ist offenkundig falsch, doch bin ich mit dem Ergebnis derVerhandlung trotzdem vollkommen zufrieden, da ich nach einer längerenUnterredung, die ich heute vor der Verhandlung mit einem Mitglied des Senats hatte, befürchten musste, dass Sonka zur Gänze freigespro-chen wird.

Von der Schwierigkeit, die mit Führung eines Prozesses,wie des vorliegenden, bei unserem Berufungssenat verbunden ist, wer-den Sie sich, sehr geehrter Herr Kollege, vielleicht aus folgendemVorfall, der sich bei der heutigen Verhandlung zugetragen hat, einBild machen können. Der Senatsvorsitzende hat die Stelle aus derFackel Nr. 912/915 vorgelesen, aus der Sonka die Wahrheit seiner An-würfe ableiten will. Die Verlesung hat er mit den Worten einge-leitet: „Meine Herren, passen Sie jetzt gut auf, ob in der Stelle, dieich verlesen werde, das Wort ‚Čsl. Republik‘ vorkommt. Ich finde esnicht. Was ich vorlesen werde, werden Sie ja ohnedies nicht verstehen,

ich bitte also nur zuzuhören und mir dann zu sagen, ob Sie denAusdruck ‚Čsl. Republik‘ gehört haben.“

Dem Kostenrekurs, den ich überreicht habe, wird statt-gegeben werden. Allerdings werde ich versuchen, in der Kosten-frage, die sich ja nur auf Schramek bezieht, mit Dr. Ečer noch zueiner Einigung zu gelangen, da ich darum von dem Senat ersuchtwurde.

Ich begrüsse Sie herzlichstals Ihr ganz ergebenerDr. Gallia

KrausArbeiterzeitung 22. JAN. 1937