125.114 Klage des Verlages Die Fackel gegen die Stadt Frankfurt am Main als Konzessionärin der Frankfurter Städtischen Bühnen, zu Handen des Magistrats Frankfurt am Main (an das Landesgerichts für Z.R.S. Wien, G.Z. 7 Cg 322/32)

Materialitätstyp:

  • Durchschlag
Datum: 19. Mai 1932
Stempel: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien
Seite von 6

19. Mai 1932.

Dr.S/Fa.

An dasLandesgericht für ZRS.Wien.

Klagende Partei: Verlag „Die Fackel“ Herausgeber KarlKraus prot. Firma in Wien III., HintereZollamtsstrasse Nr. 3,durch:

Beklagte Partei: Die Stadt Frankfurt am Main als Konzes-sionärin der Frankfurter städtischenBühnen, zu Handen des Magistrats Frankfurtam Main.

wegen Rmk. 2.000.–Feststellung und wegen RechnungslegungStreitwert Mk. 1.000.– zusammenRmk. 3.000 ist S 5.000.–

2 fach1 Rubrik1 Vollmacht1 Beilage im Original(Nr. 4)41 Beilagen in Abschrift(Nr. 2, 3. u. 5 bis 43)

Klage.

Zwischen den Parteien wurde im Mai 1929ein Aufführungsvertrag bezüglich des Werkes von Karl Kraus Die Unüberwindlichen“ abgeschlossen. Der Aufführungsterminwurde von Seiten der Beklagten immer wieder hinausgeschobenund zuletzt kam durch die Schreiben des Anwaltes der klagen-den Partei vom 30. Jänner, 3. Februar und 3. März 1931 und dieAntwortschreiben des Theaterdirektors der beklagten Parteivom 9. Februar, 25. Februar und 12. März 1931 eine Abänderungdes Aufführungstermines dahin zustande, dass die Aufführung,die ursprünglich schon in der Spielzeit 1929–1930 stattfindenhatte sollen, nunmehr in die Spielzeit vom 1. Oktober bis31. Dezember 1931 verlegt wurde, jedoch nicht in der Zeit zwi-schen 8. und 21. Dezember 1931 gestattet war. Gleichzeitig ver-pflichtete sich die Beklagte, die auf 2.000 Reichsmark (gegen-über 1.000 Reichsmark des Aufführungsvertrages vom 25. Mai 1929)erhöhte Vertragsstrafe von 2.000 Reichsmark zu bezahlen, wenndie Aufführung nicht fristgemäss stattfinde und ferner auch,wenn der definitive Aufführungstermin nicht mindestens zweiMonate vorher mitgeteilt worden sei. Da nun bis zum 30. Oktober1931 der Aufführungstermin der Erstaufführung, die spätestensam 31. Dezember 1931 hätte stattfinden sollen, nicht mitgeteiltwurde, ist unser Anwalt mit Schreiben vom 17. November 1931 andie Beklagte mit der Aufforderung herangetreten, die bereitsverfallene Vertragsstrafe von 2.000 Reichsmark für die nicht-einhaltung der Verpflichtung, den definitiven Aufführungsterminspätestens zwei Monate vorher mitzuteilen, zu bezahlen. DieBeklagte stellte sich daraufhin mit Schreiben vom 23. November 1931 auf den allerdings unhaltbaren Standpunkt, dass sie noch nichtin Verzug geraten sei, da in Ihrem Schreiben vom 12. März ledig-

lich davon gesprochen worden sei, „Die Unüberwindlichen“ inder nächsten Spielzeit herauszubringen. Sie kündigte neuer-dings an, den definitiven Aufführungstermin zwei Monate vor-her mitzuteilen. Dieser Standpunkt ist jedoch vollständigunhaltbar. Wie aus der hiemit vorgelegten Gesamtkorrespondenzhervorgeht, ist das Schreiben vom 12. März eine Antwort aufdas Schreiben unseres Anwalts vom 3. März 1931 und lautet wört-lich, dass sich die beklagte Partei mit dem Inhalt des Schrei-bens vom 3. März einverstanden erkläre, das Stück „Die Unüber-windlichen“ in der nächsten Spielzeit herauszubringen. Danun in dem Schreiben vom 3. März und in den vorhergehendenSchreiben vom 30. Jänner und 3. Februar der Aufführungsterminfür die nächste Spielzeit begrenzt war, so hat sich die beklag-te Partei mit ihrem Antwortschreiben mit dem begrenzten Auf-führungstermin der nächsten Spielzeit einverstanden erklärt.Dass sich die beklagte Partei auch bewusst war, dass es sichum den Aufführungstermin im Herbst handle, geht aus dem zwei-ten Absatz dieses Schreibens hervor, in weichem angekündigtwurde, die Beklagte werde sich erlauben, im Herbst nochmalsum die freundliche Ueberlassung der Partitur zu bitten. Essei auch noch darauf hingewiesen, dass die Beklagte im vor-hergehenden Schreiben, so z.B. in dem vom 25. Februar 1931, Vor-schläge, die ihr nicht passten, ausdrücklich ablehnte, wiedas Verlangen nach Festsetzung der Vertragsstrafe in einernotariellen Urkunde. Hätte also die beklagte Partei wirklichdurch die Worte „in der nächsten Spielzeit“ eine Abweichungvon der ihr im Schreiben vom 3.3.1931 gestellten Bedingung imSinne gehabt, so hat sie die Nichtannahme der ihr gestelltenBedingungen nicht ausgedrückt, vielmehr durch die Worte „er-

klären uns damit einverstanden“ die Annahme vorgetäuscht, sicheines undeutlichen Ausdruckes bedient, den sie nach § 869 abGB. zu verantworten hat.

Am 25. Januar 1932 kündigte nun die beklagtePartei an, dass sie das Stück am 10. Februar 1932 durch dasLeipziger Komödienhaus aufführen lassen werde, trotzdem gegendiese Art dar Vertragserfüllung ausdrücklich Protest erhobenund verlangt worden war, dass die Beklagte das Stück selbstzur Aufführung bringe, bereits durch das Schreiben vom 15. De-zember 1931 fragte die Beklagte bei unserem Anwalte an, wiesich der Autor und die klagende Partei zu einer Aufführung desStückes durch ein Gastspiel des Leipziger Komödienhauses imFrankfurter Schauspielhaus stellen würde. Unser Anwalt antwortete mit Schreiben vom 18.12.1931 für den abwesenden Autor, dasser eine definitive Antwort erst nach dessen Rückkehr geben kön-ne, aber schon jetzt bemerken müsse, dass die Aufführung durchein Gastspielensemble nicht die Möglichkeit gebe, das Stück so oft zu spielen, wie es der eventuelle Erfolg verlange. Am30. Dezember 1931 liessen wir der Beklagten durch unseren An-walt erklären, wir seien nicht damit einverstanden, dass dieBeklagte ihrer Aufführungspflicht durch ein Gastspiel desLeipziger Komödienhauses nachkomme. Obwohl die Beklagte vorherausdrücklich ihren Entschluss von der Zustimmung des Autors abhängig gemacht hatte, setzte sie sich nun auf einmal überunsere Ablehnung hinweg und erklärte im Schreiben vom 8. Jänner1932, dass sie ihrer Aufführungsverpflichtung durch jenesLeipziger Gastspiel nachkommen werde.

Es bedarf kaum noch einer Begründung, warumdie geschehene Aufführung durch die Beklagte vertragswidrig war.

Die Beklagte war sich, wie aus ihrem Schreiben vom 15. De-zember 1931 deutlich hervorgeht, selbst klar darüber, dasssie zu dieser Aufführung die Zustimmung des Autors bedurfte.In sachlicher Beziehung ist es aber klar, dass gegenüber demFrankfurter Schauspielhaus das Ensemble des kleinen Leip-ziger Theaters nicht als gleichberechtigt erachtet werdenkann und erachtet wird. Uebrigens braucht sich ein Autor ge-wiss nicht gefallen zu lassen, dass ein Theater, das einStück zur Aufführung angenommen hat, ihre Verpflichtung durchein anderes Ensemble erfüllen lässt. Hievon ganz abgesehen,hat die Beklagte dieses Gastspiel des Leipziger Komödienhauses als ein einmaliges von vorneherein vereinbart und daher jedeMöglichkeit einer Auswertung des Erfolges, zu der die Be-klagte verpflichtet gewesen wäre, vereitelt.

Beweis: Der Vertrag vom 23. Mai / 25. Juli 1929, die ge-samte Korrespondenz.

Die Vertragsstrafe von 2.000 Reichsmark istauf jeden Fall bereits verfallen. Die Beklagte hat das Werk nicht bis zum 31. Dezember 1931 aufgeführt und den Aufführungs-termin nicht zwei Monate vorher bekanntgegeben. Die Aufführungvom 10. Februar 1932 war vertragswidrig und, selbst wenn sieVertragserfüllung zu gelten hätte, verspätet. Auch wäre,ganz abgesehen von diesen Umständen, die Vertragsstrafe ver-fallen, weil der Aufführungstermin vom 10. Februar erst am25. Jänner, also nicht zwei Monate vorher, mitgeteilt worden war.

Die Beklagte hat auch über die Aufführung vom10. Februar niemals Rechnung gelegt und die Tantiemen nicht be-

zahlt.

Beweis: Parteienvernehmung.

Wir stellen durch unseren mit beiliegenderVollmacht ausgewiesenen Anwalt das Begehren auf Fällung desUrteils:

1.) Die Beklagte ist schuldig, der Klägerin den Betragvon Reichsmark 2.000.–samt 7% Zinsen seit 1.11.1931zu bezahlen;

2.) Es wird festgestellt, dass die Aufführung des StückesDie Unüberwindlichen“ durch die Beklagte am 10. Februar 1932keine Erfüllung ihrer Aufführungspflicht gemäss dem Vertragevom 23. Mai 1929 vorstellt.

3.) Die Beklagte ist schuldig, der klagenden Partei über dieAufführung vom 10. Februar 1932 Rechnung zu legen.

4.) Die Beklagte ist schuldig, der klagenden Partei dieProzesskosten zu bezahlen, all dies binnen 14 Tagen bei son-stiger Zwangsvollstreckung.

Die Zuständigkeit dieses Gerichtes gründetsich auf die im Vertrage vom 23. Mai/25. Juli 1929 im § 9getroffenen Vereinbarung, dass Wien Erfüllungsort sei.(§ 88 J.N.)

Die Klage war schon vorher beim Bühnen-schiedsgericht in Berlin eingebracht worden, das sich je-doch über Einwendung der beklagten Partei als unzuständigerklärte, weil der Autor des Stückes „Die Unüberwindlichenkeiner Schriftstellerorganisation angehört.

Verlag „Die Fackel“ Herausgeber Karl Kraus.

städt. Bühnen 20.5.32