Register der Stellenkommentare

Tatsächlich finden Hitler beziehungsweise der Nationalsozialismus in der Fackel im Jahrzehnt vor der Dritten Walpurgisnacht mehrfach und in unterschiedlichen Zusammenhängen Erwähnung. Schon 1921 sah Kraus in Deutschland das Hakenkreuz „über den Trümmern des Weltbrands rag[en]“ (Weihnachtsgeschenke, F 557, 59). Den noch verhältnismäßig bedeutungslosen Hitler nannte er schon im Juni 1923 namentlich: In Mussolinis Bezähmung taucht Hitler in einer Reihe mit Mussolini und Horthy auf (F 622, 5–7). 1923 kam Kraus noch einmal auf Hitler zu sprechen: Den Anlass bildete eine völkische Großveranstaltung, der „Deutsche Tag“ am 1. und 2. September 1923 in Nürnberg, dessen eigentliche Honoratioren Rupprecht von Baiern und Erich Ludendorff waren. Hier fand die Gründung des „Deutschen Kampfbundes“ statt, der für den gescheiterten Hitlerputsch in München sechs Wochen später verantwortlich zeichnete. Während Kraus Ludendorffs Äußerungen als inhaltsleer abtat, stellte er über Hitler die Vermutung an, dieser als Einziger könnte „in dem Vorschlag, dem anderen das Gesetz der Vaterlandsliebe aufzuzwingen, etwas Gegenständiges empfinden und wissen, wie man es anstellt. Er meint natürlich den Gummiknüttel, mit dem einem die Vaterlandsliebe beizubringen ist […]“ (Sehnsucht eines Schweidnitzers, mit seinen Gedanken allein zu sein, F 632, 43). Noch am 12. November desselben Jahres wurde Hitler in einer von Kraus’ Lesungen genannt, in einer Zusatzstrophe zu Nestroys So gibt es halt allerhand Leut’ auf der Welt (F 640, 109). Erwähnungen Hitlers in den folgenden Jahren fallen in politischen, kulturellen und publizistischen Zusammenhängen sowie im Rahmen eines Hinweises auf einen gegen den Völkischen Beobachter gewonnenen Rechtsstreit (F 800, 50).

Quellen

Edward Timms: Karl Kraus. Apocalyptic Satirist. The Post-War Crisis and the Rise of the Swastika. New Haven u. London: Yale University Press 2005, S. 16–18

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... Anfang Mai 1933 Mir fällt zu Hitler nichts ein. Ich bin mir bewußt, daß ich mit diesem Resultat längeren Nachdenkens und viel...

Absatz 1

Registereintrag

Die ‚Machtergreifung‘: Von Hitlers Ernennung zum Reichskanzler bis zum Ermächtigungsgesetz

Am 30. Jänner 1933 wurde Hitler zum deutschen Kanzler ernannt. Obwohl die NSDAP die stärkste Reichstagsfraktion war, waren nur zwei nationalsozialistische Minister Teil der Regierung: Hermann Göring als Reichsminister ohne Geschäftsbereich (sowie Reichskommissar für das preußische Innenministerium) und Wilhelm Frick als Innenminister. Franz von Papen war Vizekanzler und vorerst weiterhin Reichskommissar für Preußen, Alfred Hugenberg Wirtschaftsminister. Schon am 1. Februar erfolgte auf Hitlers Wunsch die Auflösung des Reichstags durch Hindenburg; bei den anstehenden Neuwahlen strebten die Regierungsparteien die für das Ermächtigungsgesetz nötige Zweidrittelmehrheit an. Am 4. Februar wurde mittels einer Notverordnung die (schon in den Vorjahren auf diesem Wege verminderte) Versammlungs- und Pressefreiheit weiter stark eingeschränkt. Am 20. Februar fand ein Treffen Hitlers, Görings sowie Hjalmar Schachts mit Industriellenvertretern statt, bei dem Hitler sein Programm vorstellte und die Industriellen einer Wahlkampfspende in der Höhe von 3 Millionen RM an die NSDAP zustimmten. Als am 27. Februar der Reichstag brannte, erfolgten noch in der Nacht Massenverhaftungen von KPD-Mitgliedern sowie die Schließung aller KPD-Büros; am Tag darauf wurde die „Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat“ („Reichstagsbrandverordnung“) erlassen, die „bis auf weiteres“ die Grundrechte der Weimarer Verfassung suspendierte: Die Freiheit der Person, die Meinungsfreiheit, die Pressefreiheit, das Vereins- und Versammlungsrecht, das Brief- und Fernsprechgeheimnis wurden eingeschränkt, Hausdurchsuchungen und Beschlagnahmungen ermöglicht. Bei den unter diesen Bedingungen stattfindenden Reichstagswahlen am 5. März errang die Regierung aus NSDAP sowie Deutschnationaler Volkspartei (DNVP) und „Stahlhelm“ (die gemeinsam die „Kampffront Schwarz-Weiß-Rot“ bildeten) dennoch nur eine knappe Mehrheit von 51,9 Prozent. Am 23. März stimmte der Reichstag dem Ermächtigungsgesetz – dem „Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich“ – zu; die nötige Mehrheit kam durch Versprechungen und Drohungen gegenüber der Zentrumspartei zustande. Damit war der Reichstag entmachtet, die gesetzgebende Macht lag nun allein bei der Regierung.

Quellen

Enzyklopädie des Nationalsozialismus. Hg. v. Wolfgang Benz, Hermann Graml u. Hermann Weiß. 5., akt. u. erw. Aufl. München: Deutscher Taschenbuch Verlag 2007, darin: Reiner Pommerin: Eintrag „Machtergreifung“, S. 633–634
Michael Grüttner: Gebhardt. Handbuch der deutschen Geschichte. Bd. 19: Das Dritte Reich 1933–1939. 10., völlig neu bearb. Aufl. Hg. v. Wolfgang Benz. Stuttgart: Klett-Cotta 2014, S. 47–55
Deutsches Historisches Museum, Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland u. Bundesarchiv (Hg.): LEMO – Lebendiges Museum Online. [Relaunch 2014]. URL: https://www.dhm.de/lemo, darin: Dorlis Blume u. Manfred Wichmann: Eintrag „Chronik 1933“. 2015. URL: https://www.dhm.de/lemo/jahreschronik/1933

Ereignisse

Die nationalsozialistische „Machtergreifung“

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LeMO: Chronik 1933

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...rsönliche Erschlaffen bei Erweckung einer Nation und Aufrichtung einer Diktatur, die heute alles beherrscht außer der Sprache. Daß der Versuch zu einer geist...

Absatz 1

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Belastung der deutschen Wirtschaft durch die ‚Machtergreifung‘

Die ‚Machtergreifung‘ der Nationalsozialisten sowie ihre Aktionen und Maßnahmen gegen wirtschaftliche und politische Feindbilder wirkten sich vielfach negativ auf die deutsche Wirtschaft aus. Die Vermögen der politischen Gegner – kommunistische und sozialdemokratische Verlage, Immobilien, Druckereien und mehr – wurden enteignet und weit unter Wert an dem Regime nahestehende Privatpersonen verkauft (die jedoch die Schulden der solcherart erworbenen Unternehmen nicht beglichen). Für Mitglieder von Parteiorganisationen wurden Posten erzwungen, politisch „unzuverlässige“ Angestellte entlassen, jüdische Geschäftsleute zum Kauf von „Schutzbriefen“ genötigt. Als Hebel gegen missliebige Industrielle diente vielfach ein vorgeblicher Korruptionsverdacht. Der „Kampfbund für den gewerblichen Mittelstand“ organisierte Boykottaktionen gegen Warenhäuser, Konsumvereine und Kapitalgesellschaften. Auch die unklare Kompetenzverteilung zwischen den verschiedenen Formationen und Stellen innerhalb des Machtapparats und die oftmals widersprüchlichen Vorgaben und Forderungen trugen zur Verunsicherung der Wirtschaftstreibenden bei. Mehrfach beklagte sich Koalitionspartner Hugenberg bei Hitler über Angriffe auf DNVP-Mitglieder und -Einrichtungen; in einem Artikel vom 20. April forderte er ein Einschreiten gegen „eigenmächtige Umbildungen“ im Wirtschaftsleben; eine ähnliche Intervention erfolgte durch Reichsbankpräsident Hjalmar Schacht. Für den deutschen Export erwies sich die internationale Besorgnis über die in Deutschland herrschende Gesetzlosigkeit und die Gewalt gegen Juden und politische Gegner als Hürde. Der Boykott jüdischer Geschäfte am 1. April 1933, der erste Höhepunkt der seit den Reichstagswahlen herrschenden Ausschreitungen, wurde international zum Anlass, zum Boykott deutscher Waren aufzurufen. Dazu kam das Problem der jüdischen Auswanderung: Die in die Emigration mitgenommenen Mittel griffen den Devisenvorrat der Reichsbank an, allein im Oktober 1933 betrug der Verlust 11 Millionen RM. Darüber hinaus litt die Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Exports auch darunter, dass die Reichsbank der Abwertung von Pfund und Dollar nicht folgte, um die Rückzahlung der deutschen Auslandsschulden zu erleichtern. Auf der Berliner Gläubigerkonferenz im Mai 1933 scheiterte Reichsbankpräsident Hjalmar Schacht zudem mit dem Ansuchen um Aussetzung des deutschen Schuldendienstes; ein Grund für die harte Linie der Gläubiger kann auch in der antisemitischen Politik Deutschlands gesehen werden.

Quellen

Wolfgang Benz: Geschichte des Dritten Reichs. 3. Aufl. München: dtv 2005, S. 41f.
Peter Longerich: Hitler. München: Siedler 2015, S. 323
Tim Schanetzky: Kanonen statt Butter. Wirtschaft und Konsum im Dritten Reich. München: Beck 2015 (= Die Deutschen und der Nationalsozialismus, Bd. 5), S. 18–28, S. 49
Adam Tooze: Ökonomie der Zerstörung. Die Geschichte der Wirtschaft im Nationalsozialismus. Übers. v. Yvonne Badal. München: Pantheon 2008, S. 100–103

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... ein Wandel, der die Handelsinteressen zwar berührt, aber nicht berücksichtigt, unbeschadet eines Aufsehens der Umwelt, worin sich Neid nicht ohne Schadenfre...

Absatz 1

...its doch mit der größten Energie Eingriffen ins Wirtschaftsleben entgegentritt. Der wenngleich erfolglose Versuch, sich’s mit den Antwerpener Diamantenhändle...

Absatz 45

Registereintrag

Maßnahmen gegen die „Eingriffe ins Wirtschaftsleben“

Schon ab dem Frühjahr 1933 sah sich die deutsche Führung mehrfach zu Maßnahmen gegen die wirtschaftlichen Folgen der eigenen Politik genötigt. Der designierte Reichskommissar für Wirtschaft, Otto Wagener, stellte Ende April alle Eingriffe in die Wirtschaft unter seine Kontrolle, eine Maßnahme, die gegen die unter Parteimitgliedern vorherrschende Eigenmächtigkeit wirkungslos blieb; Ende Mai folgte eine Warnung Hitlers per Erlass, um das „Gefühl der Vogelfreiheit“ bei Wirtschaftsführern zu bekämpfen. Am 6. Juli 1933 hielt Hitler eine Rede an die Reichsstatthalter, in der er feststellte, in der Wirtschaft seien die Fähigkeiten wichtiger als die Parteizugehörigkeit. Anstelle der Revolution müsse nun die Evolution einsetzen. Nach einem Protestschreiben Görings und Hugenbergs hatten Wagener und Adrian von Renteln, Reichsführer des „Kampfbunds für den gewerblichen Mittelstand“, dem „Kampfbund“ schon die zahllosen Eingriffe in die Wirtschaft – von der Einsetzung von Kommissaren bis zur Beseitigung unliebsamer Personen – verbieten müssen; unter Hugenbergs Nachfolger Schmitt wurde Wagener abgesetzt, weitere Aktionen gegen Warenhäuser und Konsumvereine wurden untersagt.

Quellen

Tim Schanetzky: Kanonen statt Butter. Wirtschaft und Konsum im Dritten Reich. München: Beck 2015 (= Die Deutschen und der Nationalsozialismus, Bd. 5), S. 28f., S. 47
Gerhard Schulz: Die nationalsozialistische Machtergreifung. Studien zur Errichtung des totalitären Herrschaftssystems in Deutschland 1933/1934. Bd. II: Die Anfänge des totalitären Maßnahmenstaates. Frankfurt am Main, Berlin u. Wien: Ullstein 1974, S. 324–330

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...its doch mit der größten Energie Eingriffen ins Wirtschaftsleben entgegentritt. Der wenngleich erfolglose Versuch, sich’s mit den Antwerpener Diamantenhändle...

Absatz 45

..., weil ihre »dauernden Eingriffe in die Wirtschaft unerträglich geworden« sind, klingt bereits wie eine Forderung, die gegenüber einem verflossenen Regime er...

Absatz 62

Registereintrag

Die ‚Gleichschaltung‘ der deutschen Presselandschaft

Vor dem 30. Jänner 1933 gab es in Deutschland rund 3.400 Zeitungen mit meist kleiner Auflage und Reichweite; NS-Zeitungen hatten noch Ende 1932 einen Marktanteil von bloß drei Prozent. Durch die Reichstagsbrandverordnung wurde die Pressefreiheit außer Kraft gesetzt. In der Folge wurden sozialdemokratische und kommunistische Zeitungshäuser – sie verlegten etwa 200 Titel mit einer Auflage von an die 2 Millionen – gestürmt und verwüstet. Ihre entschädigungslose Enteignung im Lauf des Frühjahrs 1933 kam oft Gauverlagen zugute. In Privatbesitz verbliebene, bürgerliche Zeitungen übten Selbstzensur. Das „Schriftleitergesetz“ von Oktober 1933 definierte Pressearbeit als patriotischen Dienst am Staat; verboten war nun jede Meldung, welche „die Kraft des Deutschen Reiches nach außen oder im Innern“ oder etwa auch die Wehrhaftigkeit schwächte. Für Journalist:innen wurde die Eintragung in eine Berufsliste der Landesverbände der deutschen Presse verpflichtend, Nicht-Arier:innen sowie mit Nicht-Arier:innen Verheirateten wurde die Mitgliedschaft verwehrt. Verstöße gegen die politischen Vorgaben konnten von den Berufsgerichten des Reichsverbandes mit Berufsverbot geahndet werden. Dieses Gesetz diente nicht zuletzt der personellen Säuberung, 1.300 Journalisten mussten ihren Beruf aufgeben. Darüber hinaus waren in den Jahren 1933 und 1934 40 verschiedene staatliche und nichtstaatliche Stellen mit der Zensur von Druckerzeugnissen beschäftigt.

Quellen

Enzyklopädie des Nationalsozialismus. Hg. v. Wolfgang Benz, Hermann Graml u. Hermann Weiß. 5., akt. u. erw. Aufl. München: Deutscher Taschenbuch Verlag 2007, darin: Heiko Pollmeier: Eintrag „Presse“, S. 714–715, darin: Wolf Kaiser: Eintrag „Zensur“, S. 882
Michael Grüttner: Gebhardt. Handbuch der deutschen Geschichte. Bd. 19: Das Dritte Reich 1933–1939. 10., völlig neu bearb. Aufl. Hg. v. Wolfgang Benz. Stuttgart: Klett-Cotta 2014, S. 341–344

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...dahingestellt, ob die Welt an einem Wesen, dessen Presse bloß gleichgeschaltet, aber nicht beseitigt wurde und dessen Heilkraft überhaupt bestritten ist, in ...

Absatz 2

... der Meinungsgeschäfte und deren rassenmäßiger Erneuerung an Haupt und Gliedern nichts zu schaffen hat und solche Allotria überdauern wird — daß dieser Kampf...

Absatz 8

...ie »Gleichschaltung« der Presse als politischen Eingriff, so bedeutet sie nur ihre eigene letzte ...

Absatz 64

Registereintrag

Repressionen gegen Journalist:innen in der Folge der ‚Machtergreifung‘

Nach dem Reichstagsbrand fielen zahlreiche Journalist:innen einer Verhaftungswelle zum Opfer, eine weitere folgte nach der Reichstagswahl. Nach der Beschlagnahmung des SPD-Parteivermögens wurde im Mai bzw. Juli die Enteignung der KPD- und SPD-Presse legalisiert. Doch trafen die Repressionsmaßnahmen nicht nur den politischen Gegner; so wurden zahlreiche jüdische Journalist:innen aus ‚rassischen‘ Gründen verhaftet. Auch die Verbreitung von Zeitungen ohne Parteibindung wurde vielfach eingeschränkt: Im Februar wurde Ullsteins Tempo verboten, andere Verbote betrafen etwa das Berliner Tageblatt, die Deutsche Allgemeine Zeitung und viele mehr. Zahlreiche Blätter – darunter die demokratisch orientierten Zeitungen Berliner Tageblatt, Vossische Zeitung, Frankfurter Zeitung – waren Anfang 1933 schon wirtschaftlich angeschlagen, was sich durch Erscheinungsverbote und Beschlagnahmungen noch verschärfte. Die Verlage reagierten vielfach u. a. mit Personalwechsel. Unter den katholisch-konservativen Blättern waren es etwa die Münchner Neuesten Nachrichten, die durch Verhaftungen unter Druck gesetzt wurden; Himmler installierte hier einen SS-Sturmbannführer als neuen Leiter, 50 Personen wurden entlassen. Die nationalkonservative Deutsche Allgemeine Zeitung war zwar schon seit Sommer 1932 für eine Regierungsbeteiligung Hitlers eingetreten, handelte sich jedoch durch einen Kommentar zum „Bruderzwist“ zwischen Hitler und Dollfuß ein dreimonatiges Verbot ein, das erst nach dem Austausch des Chefredakteurs Fritz Klein vorzeitig aufgehoben wurde.

Quellen

Norbert Frei u. Johannes Schmitz: Journalismus im Dritten Reich. 3., überarb. Aufl. München: C. H. Beck 1999, S. 16–17, 26–28, 39–44, 56, 59–60, 208–210

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... der Meinungsgeschäfte und deren rassenmäßiger Erneuerung an Haupt und Gliedern nichts zu schaffen hat und solche Allotria überdauern wird — daß dieser Kampf...

Absatz 8

Registereintrag

Der „Judenboykott“

Ab Anfang März 1933 wurden vielerorts erste Boykottaktionen gegen zumeist jüdische Kaufleute organisiert. Vor Geschäftslokalen wurden Demonstrationen abgehalten, uniformierte SA- und SS-Posten dienten der Abschreckung der Kundschaft. Schon am 10. und 13. März riefen Hitler und Reichsinnenminister Frick zur Eindämmung der „Einzelaktionen“ auf.

Als Vorwand des offiziellen Boykotts diente die Abwehr vermeintlicher „jüdischer Hetze“ gegen Deutschland, tatsächlich waren jüdische Organisationen in den ersten drei Monaten eher zurückhaltend in ihren Reaktionen auf das Regime. Das tatsächliche Motiv war vermutlich der Versuch, die ungeregelte Gewalt auf den Straßen zu kanalisieren bzw. neu zu entfachen.

Während Hitler ursprünglich einen Judenboykott mit offenem Ende wünschte, intervenierten Schacht und Neurath unter wirtschaftlichen und diplomatischen Gesichtspunkten, sodass der offizielle Boykott schließlich auf einen Tag, den 1. April 1933, beschränkt wurde.

Tatsächlich hatte der Boykott teilweise schon an den Tagen davor eingesetzt. Kunden „jüdischer“ Geschäfte und Dienstleister wurden mit Stempeln mit beschimpfenden Parolen gekennzeichnet, fotografiert, die Fotos publiziert; es kam zu Vandalismus, Gewalttätigkeiten und Plünderungen. Zur Reaktion der Passanten liegen Berichte von Solidaritätsbekundungen, aber auch von Schadenfreude und Gleichgültigkeit vor. Nach seinem offiziellen Ende wurde der Boykott vielfach auf lokaler Ebene fortgesetzt, vor Geschäftslokalen wurden Posten zur Abschreckung der Kundschaft plaziert. Propaganda-Aktionen in der Presse und auf Plakaten, Aktionen zur Anprangerung von Kunden und dergleichen dauerten, da sie im Widerspruch zur offiziellen Reichspolitik standen, meist nur wenige Tage. Stattdessen setzte ein stiller Boykott ein: Jüdische Geschäfte wurden durch Nachbarn und Konkurrenten beobachtet, es kam zu Einschüchterungen, zu Massenaussendungen an Kund:innen jüdischer Geschäfte; jüdische Geschäftsleute konnten keine Inserate mehr drucken lassen und erhielten keine kommunalen Aufträge mehr, Gutscheine und Bedarfsdeckungsscheine konnten in ihren Geschäften nicht mehr eingelöst werden. So begann die sukzessive Verdrängung der jüdischen Bevölkerung aus dem Wirtschaftsleben.

Zu den von Seiten des Regimes unerwünschten Folgen des Boykotts gehörten die wirtschaftlichen Nachteile nichtjüdischer Angestellter ‚jüdischer‘ Unternehmen, außerdem wurde deutlich, dass die Unterscheidung zwischen ‚jüdischen‘ und ‚nichtjüdischen Unternehmen‘ vorerst noch große praktische Probleme bereitete. Darüber hinaus wurde die Boykottaktion in ausländischen Medien noch stärker kolportiert als die vorangegangenen „Einzelaktionen“, in jüdischen wie nichtjüdischen Kreisen wurde im Gegenzug zum Boykott deutscher Waren aufgerufen – allerdings mit schwer einzuschätzendem, vermutlich nur geringem Erfolg.

Quellen

Hannah Ahlheim: „Deutsche, kauft nicht bei Juden!“ Antisemitismus und politischer Boykott in Deutschland 1924 bis 1935. Göttingen: Wallstein 2011, S. 243
Avraham Barkai: Vom Boykott zur „Entjudung“. Der wirtschaftliche Existenzkampf der Juden im Dritten Reich 1933–1943. Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch 1988, S. 27, S. 28f., S. 31
Ian Kershaw: Hitler. 1889–1936. Stuttgart: Deutsche Verlags-Anstalt 1998, 598f.
Peter Longerich: Politik der Vernichtung. Eine Gesamtdarstellung der nationalsozialistischen Judenverfolgung. München u. Zürich: Piper 1998, S. 26–28, S. 39–41
Tim Schanetzky: Kanonen statt Butter. Wirtschaft und Konsum im Dritten Reich. München: Beck 2015 (= Die Deutschen und der Nationalsozialismus, Bd. 5), S. 24–26

Ereignisse

Judenboykott

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... dem Rausch geboren ward, für die Volkswirtschaft versorgt mit dem Judenboykott und darüber hinaus mit den Weisungen der Norne Verdhandi, welche das Seiende ...

Absatz 7

...ch die schreibenden schöpferischen Teile des Volkes nicht schon zum Boykott-Tag an jüdischen Schaufenstern ausgegeben haben, da und dort günstige Ansätze. Da...

Absatz 14

...rlin stark begehrt, als die Gemüter noch von der Genugtuung jenes Boykott-Tages erregt waren, dessen volkswirtschaftlicher Erfolg an den moralischen nicht hi...

Absatz 15

...hlten mir ein paar behäbige Kirchengänger lachend, wie sie am Tage des Boykotts ihren Spaß gehabt hätten mit einem Krämer, den zwei SA.-Männer mit vorgehalte...

Absatz 18

...hen Ärzte und Anwälte gedruckt hat⁠ ⁠; die am 31. März, am Vortag des Boykotts, die Feststellung einer Firma brachte, daß im Bereich ihrer Organisation, die ...

Absatz 23

...r seiner Konstatierung⁠ ⁠! Es waren Telegramme vom 31. März⁠ ⁠: als der Boykott längst angesagt war. Aber tatsächlich mußten solche Dokumente gerade nachher ...

Absatz 23

... die sie in Einem photographierten und dementierten, als »Folge der Propaganda« zugegeben⁠ ⁠? Wird nicht mindestens nachträglich wahr gemacht, was zuerst »ge...

Absatz 24

...sen und Dilettanten. Was bedeutet denn gegen die Nationalfeier des Boykott-Tags jener Mummenschanz der Bücherverbrennung, dem ja ein europäischer Lacherfolg ...

Absatz 25

...ternde »schlagartig«, womit sowohl das Einsetzen wie der Abbruch eines Boykotts bezeichnet werden kann, je nachdem⁠ ⁠? Und vor allem na...

Absatz 27

...als Tag der nationalen Ehre empfindet und selbst nicht den Abbruch als Schmach. Und von jeglicher Niederlage bis zum Triumph der Sinnentäuschung — immer die ...

Absatz 42

...fünfzig Prozent der Produktion sich auf Länder erstrecken, die dem Judenboykott abhold sind, ließ sich, mit Hochachtung vor den gegenseitigen Lebensrechten u...

Absatz 45

...n den Tumben, der mitten in die Panik, die sich des Auslands nach dem Boykottag bemächtigt hatte, mit der Forderung trat⁠ ⁠: in der ganzen Welt Freunde für d...

Absatz 47

...hm lachend erwiderte, daß die Juden zur besseren Durchführung des Judenboykotts auf Anforderung dieselben freiwillig zur Verfügung gestellt und sich obendrei...

Absatz 63

...iz freigesprochen wurde. Er soll mit dem Urheber eines radikalern Judenboykotts identisch sein, der dann allerdings auch eingeschränkt wurde. Wie ...

Absatz 64

Registereintrag

Der „Judenboykott“

Quellen

Hannah Ahlheim: „Deutsche, kauft nicht bei Juden!“ Antisemitismus und politischer Boykott in Deutschland 1924 bis 1935. Göttingen: Wallstein 2011, S. 243
Avraham Barkai: Vom Boykott zur „Entjudung“. Der wirtschaftliche Existenzkampf der Juden im Dritten Reich 1933–1943. Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch 1988, S. 27, S. 28f., S. 31
Ian Kershaw: Hitler. 1889–1936. Stuttgart: Deutsche Verlags-Anstalt 1998, 598f.
Peter Longerich: Politik der Vernichtung. Eine Gesamtdarstellung der nationalsozialistischen Judenverfolgung. München u. Zürich: Piper 1998, S. 26–28, S. 39–41
Tim Schanetzky: Kanonen statt Butter. Wirtschaft und Konsum im Dritten Reich. München: Beck 2015 (= Die Deutschen und der Nationalsozialismus, Bd. 5), S. 24–26

Ereignisse

Judenboykott

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... dem Rausch geboren ward, für die Volkswirtschaft versorgt mit dem Judenboykott und darüber hinaus mit den Weisungen der Norne Verdhandi, welche das Seiende ...

Absatz 7

...ch die schreibenden schöpferischen Teile des Volkes nicht schon zum Boykott-Tag an jüdischen Schaufenstern ausgegeben haben, da und dort günstige Ansätze. Da...

Absatz 14

...rlin stark begehrt, als die Gemüter noch von der Genugtuung jenes Boykott-Tages erregt waren, dessen volkswirtschaftlicher Erfolg an den moralischen nicht hi...

Absatz 15

...hlten mir ein paar behäbige Kirchengänger lachend, wie sie am Tage des Boykotts ihren Spaß gehabt hätten mit einem Krämer, den zwei SA.-Männer mit vorgehalte...

Absatz 18

...hen Ärzte und Anwälte gedruckt hat⁠ ⁠; die am 31. März, am Vortag des Boykotts, die Feststellung einer Firma brachte, daß im Bereich ihrer Organisation, die ...

Absatz 23

...r seiner Konstatierung⁠ ⁠! Es waren Telegramme vom 31. März⁠ ⁠: als der Boykott längst angesagt war. Aber tatsächlich mußten solche Dokumente gerade nachher ...

Absatz 23

... die sie in Einem photographierten und dementierten, als »Folge der Propaganda« zugegeben⁠ ⁠? Wird nicht mindestens nachträglich wahr gemacht, was zuerst »ge...

Absatz 24

...sen und Dilettanten. Was bedeutet denn gegen die Nationalfeier des Boykott-Tags jener Mummenschanz der Bücherverbrennung, dem ja ein europäischer Lacherfolg ...

Absatz 25

...ternde »schlagartig«, womit sowohl das Einsetzen wie der Abbruch eines Boykotts bezeichnet werden kann, je nachdem⁠ ⁠? Und vor allem na...

Absatz 27

...als Tag der nationalen Ehre empfindet und selbst nicht den Abbruch als Schmach. Und von jeglicher Niederlage bis zum Triumph der Sinnentäuschung — immer die ...

Absatz 42

...fünfzig Prozent der Produktion sich auf Länder erstrecken, die dem Judenboykott abhold sind, ließ sich, mit Hochachtung vor den gegenseitigen Lebensrechten u...

Absatz 45

...n den Tumben, der mitten in die Panik, die sich des Auslands nach dem Boykottag bemächtigt hatte, mit der Forderung trat⁠ ⁠: in der ganzen Welt Freunde für d...

Absatz 47

...hm lachend erwiderte, daß die Juden zur besseren Durchführung des Judenboykotts auf Anforderung dieselben freiwillig zur Verfügung gestellt und sich obendrei...

Absatz 63

...iz freigesprochen wurde. Er soll mit dem Urheber eines radikalern Judenboykotts identisch sein, der dann allerdings auch eingeschränkt wurde. Wie ...

Absatz 64

Registereintrag

Der „Judenboykott“

Quellen

Hannah Ahlheim: „Deutsche, kauft nicht bei Juden!“ Antisemitismus und politischer Boykott in Deutschland 1924 bis 1935. Göttingen: Wallstein 2011, S. 243
Avraham Barkai: Vom Boykott zur „Entjudung“. Der wirtschaftliche Existenzkampf der Juden im Dritten Reich 1933–1943. Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch 1988, S. 27, S. 28f., S. 31
Ian Kershaw: Hitler. 1889–1936. Stuttgart: Deutsche Verlags-Anstalt 1998, 598f.
Peter Longerich: Politik der Vernichtung. Eine Gesamtdarstellung der nationalsozialistischen Judenverfolgung. München u. Zürich: Piper 1998, S. 26–28, S. 39–41
Tim Schanetzky: Kanonen statt Butter. Wirtschaft und Konsum im Dritten Reich. München: Beck 2015 (= Die Deutschen und der Nationalsozialismus, Bd. 5), S. 24–26

Ereignisse

Judenboykott

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... dem Rausch geboren ward, für die Volkswirtschaft versorgt mit dem Judenboykott und darüber hinaus mit den Weisungen der Norne Verdhandi, welche das Seiende ...

Absatz 7

...ch die schreibenden schöpferischen Teile des Volkes nicht schon zum Boykott-Tag an jüdischen Schaufenstern ausgegeben haben, da und dort günstige Ansätze. Da...

Absatz 14

...rlin stark begehrt, als die Gemüter noch von der Genugtuung jenes Boykott-Tages erregt waren, dessen volkswirtschaftlicher Erfolg an den moralischen nicht hi...

Absatz 15

...hlten mir ein paar behäbige Kirchengänger lachend, wie sie am Tage des Boykotts ihren Spaß gehabt hätten mit einem Krämer, den zwei SA.-Männer mit vorgehalte...

Absatz 18

...hen Ärzte und Anwälte gedruckt hat⁠ ⁠; die am 31. März, am Vortag des Boykotts, die Feststellung einer Firma brachte, daß im Bereich ihrer Organisation, die ...

Absatz 23

...r seiner Konstatierung⁠ ⁠! Es waren Telegramme vom 31. März⁠ ⁠: als der Boykott längst angesagt war. Aber tatsächlich mußten solche Dokumente gerade nachher ...

Absatz 23

... die sie in Einem photographierten und dementierten, als »Folge der Propaganda« zugegeben⁠ ⁠? Wird nicht mindestens nachträglich wahr gemacht, was zuerst »ge...

Absatz 24

...sen und Dilettanten. Was bedeutet denn gegen die Nationalfeier des Boykott-Tags jener Mummenschanz der Bücherverbrennung, dem ja ein europäischer Lacherfolg ...

Absatz 25

...ternde »schlagartig«, womit sowohl das Einsetzen wie der Abbruch eines Boykotts bezeichnet werden kann, je nachdem⁠ ⁠? Und vor allem na...

Absatz 27

...als Tag der nationalen Ehre empfindet und selbst nicht den Abbruch als Schmach. Und von jeglicher Niederlage bis zum Triumph der Sinnentäuschung — immer die ...

Absatz 42

...fünfzig Prozent der Produktion sich auf Länder erstrecken, die dem Judenboykott abhold sind, ließ sich, mit Hochachtung vor den gegenseitigen Lebensrechten u...

Absatz 45

...n den Tumben, der mitten in die Panik, die sich des Auslands nach dem Boykottag bemächtigt hatte, mit der Forderung trat⁠ ⁠: in der ganzen Welt Freunde für d...

Absatz 47

...hm lachend erwiderte, daß die Juden zur besseren Durchführung des Judenboykotts auf Anforderung dieselben freiwillig zur Verfügung gestellt und sich obendrei...

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...iz freigesprochen wurde. Er soll mit dem Urheber eines radikalern Judenboykotts identisch sein, der dann allerdings auch eingeschränkt wurde. Wie ...

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Die „amerikanischen Judenschützer[]“

Verhältnismäßig große Resonanz hatte die antideutsche Boykottbewegung in den USA; allerdings herrschte hier bezüglich des Boykotts genauso wie hinsichtlich anderer Maßnahmen Uneinigkeit zwischen verschiedenen jüdischen Organisationen. So kündigten die Jewish War Veterans of the United States of America schon im März 1933 einen Boykott an, desgleichen ab August der American Jewish Congress, der später zur Hauptstütze der Bewegung wurde. Ebenfalls im März hatte diese Organisation eine Großkundgebung im New Yorker Madison Square Garden gegen die Verfolgung von Jüdinnen und Juden in Deutschland veranstaltet. Aus Furcht vor dem Antisemitismus im eigenen Land vermied sie es hingegen, für die Lockerung der Einreisebestimmungen für Juden einzutreten, eine Haltung, die auch andere einflussreiche jüdische Organisationen teilten. Um wiederum die Lage der Juden in Deutschland nicht zu verschlimmern, sprachen sich zahlreiche Organisationen – etwa B’nai B’rith oder das American Jewish Committee – gegen Boykottmaßnahmen aus. Stattdessen forderten das ‚Committee‘ und andere den amerikanischen Präsidenten Roosevelt auf, auf politischer Ebene Einspruch gegen die Zustände in Deutschland zu erheben, was dieser jedoch ablehnte.

Quellen

United States Holocaust Memorial Museum, Washington DC: Holocaust Encyclopedia. [o. J.]. URL: https://encyclopedia.ushmm.org/en, Einträge „The United States and the Nazi-Threat: 1933–1937“, URL: https://encyclopedia.ushmm.org/content/en/article/the-united-states-and-the-nazi-threat-1933-37u. „American Jewish Congress“, URL: https://encyclopedia.ushmm.org/content/en/article/american-jewish-congress
Fred Skolnik u. Michael Berenbaum (Hg.): Encyclopaedia Judaica. 2. Aufl. Detroit: Macmillan Reference USA u. Keter Publishing House 2007, darin: Moshe Gottlieb: Eintrag „Boycotts, Anti-Nazi“, Bd. 4, S. 110–111
Israel Gutman u. a. (Hg.): Enzyklopädie des Holocaust. Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden. München u. Zürich: Piper 1995, Bd. 1, Einträge „Boykott gegen die Nationalsozialisten“, S. 235–236, „B’nai B’rith“, S. 223–225, „American Jewish Congress“, S. 36–37, „American Jewish Committee“, S. 34–35

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...r fortfließende Arbeit begleiten. Hitler kann den amerikanischen Judenschützern leicht versichern⁠ ⁠: Wir würden jedem Einzelnen ein Freibillett und einen Ta...

Absatz 14

Registereintrag

Hanns Johst als Dramatiker und Kulturpolitiker des Nationalsozialismus

Am 1. März 1933 wurde Hanns Johst zum ersten Dramaturgen am Staatlichen Schauspielhaus am Gendarmenmarkt in Berlin ernannt, am selben Tag wurde Schlageter erstmals als Hörspiel gesendet. Die Bühnenuraufführung fand (nach 15 weiteren Radioübertragungen) am 20. April, Hitlers Geburtstag, mit prominenter Besetzung im Staatlichen Schauspielhaus statt. Weil Johst zwar auf die ideologische Tauglichkeit seiner Theaterautoren achtete, der künstlerische Rang des Hauses jedoch darunter litt, verlor er den Posten als Chefdramaturg schon im Februar 1934. Daraufhin verfasste er Propagandaschriften und Drehbücher; seine enge Freundschaft zu Heinrich Himmler brachte ihm unter anderem 1935 den Rang eines SS-Oberführers im Stab des Reichsführers-SS ein. In kulturpolitischer Hinsicht machte Johst sich als Handlanger der Führungsriege bzw. ihres jeweils stärkeren Lagers verdient: Am 23. April 1933 wurde der deutsche P.E.N.-Club in einem Drohmanöver von einer Gruppe von NS-Autoren übernommen; Johst wurde gemeinsam mit Hans Hinkel und Rainer Schlösser zum Vorsitzenden. Die internationale P.E.N.-Konferenz in Ragusa wurde mit gewissem Erfolg genutzt, um gegen die sogenannte „Greuelhetze“ gegen Deutschland vorzugehen und eine Resolution gegen Deutschland möglichst zu verhindern oder zu entschärfen. Der deutsche P.E.N.-Club zeigte sich betont regimetreu, bis er Anfang Jänner 1934 die eigene Auflösung und die Neugründung als „Union nationaler Schriftsteller“ beschloss, mit Johst als Präsident. Am 5. Mai 1933, nach erfolgter „Säuberung“ der Sektion für Dichtkunst der preußischen Akademie, wurde Johst zu ihrem Vorsitzenden gewählt. Auch in dieser Funktion verfasste er regimetreue Kundgebungen und verpflichtete darüber hinaus sämtliche Mitglieder zum Stillschweigen in politischen Belangen. Die Sektion verlor zunehmend an Bedeutung, einige ihrer Agenden wurden von der neu gegründeten Reichsschrifttumskammer übernommen (Goebbels war damit Plänen Rosenbergs zur Einverleibung der Sektion zuvorgekommen), zu deren Präsidialrat auch Johst zählte.

Quellen

Rolf Düsterberg: Hanns Johst: „Der Barde der SS“. Karrieren eines deutschen Dichters. Paderborn u. a.: Schöningh 2004, S. 189–220, 287–293, S. 179–187, S. 168–178

Zum Text

...ie konnte nicht umhin, die »Verkündigung des Dritten Reiches« durch Herrn Johst als etwas zu empfinden, das »an die Herzen schlägt«. Bald erklärte sie offenh...

Absatz 11

... geschadet habe, und der natürlich ein besserer deutscher Dichter ist als Johst und sogar als die Lieblinge, deren Anlagen Diebold dem Schutze der Nation emp...

Absatz 11

...us den Fugen geratene Zeit einzurichten, mit eigenen Schriften und denen Johsts, welchem Diebold seine geistige Art, den künstlerischen Nationalismus aufzufa...

Absatz 11

...i einer Rundfrage des Theaters in Erfurt bekam Offenbach mehr Stimmen als Johst. Nichts als Pech, nichts als Mißverständnisse, die Einheimischen halten die F...

Absatz 59

Registereintrag

Hanns Johst als Dramatiker und Kulturpolitiker des Nationalsozialismus

Quellen

Rolf Düsterberg: Hanns Johst: „Der Barde der SS“. Karrieren eines deutschen Dichters. Paderborn u. a.: Schöningh 2004, S. 189–220, 287–293, S. 179–187, S. 168–178

Zum Text

...ie konnte nicht umhin, die »Verkündigung des Dritten Reiches« durch Herrn Johst als etwas zu empfinden, das »an die Herzen schlägt«. Bald erklärte sie offenh...

Absatz 11

... geschadet habe, und der natürlich ein besserer deutscher Dichter ist als Johst und sogar als die Lieblinge, deren Anlagen Diebold dem Schutze der Nation emp...

Absatz 11

...us den Fugen geratene Zeit einzurichten, mit eigenen Schriften und denen Johsts, welchem Diebold seine geistige Art, den künstlerischen Nationalismus aufzufa...

Absatz 11

...i einer Rundfrage des Theaters in Erfurt bekam Offenbach mehr Stimmen als Johst. Nichts als Pech, nichts als Mißverständnisse, die Einheimischen halten die F...

Absatz 59

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Homosexualität in der NSDAP – „Friderizianische Tradition“

Gerüchteweise war Homosexualität unter – auch hohen – Nationalsozialisten keine Seltenheit; darauf zielen Kraus’ entsprechende Äußerungen sowie die angeführte Parallele zur kolportierten Homosexualität Friedrichs II. von Preußen oder August von Platens ab. Homosexualität unter NS-Funktionären wurde in der Presse der politischen Gegner vielfach gegen diese verwendet, in diesem Zusammenhang wurden etwa Baldur von Schirach und SA-Stabschef Ernst Röhm genannt. Ende der 20er Jahre kündigten die Nationalsozialisten erstmals Anti-Homosexuellenmaßnahmen an. Über die Homosexualität Röhms wusste Hitler früh Bescheid; vorerst wurde dieser Widerspruch zur offiziellen Ideologie soweit wie möglich vertuscht. Bald nach der ‚Machtergreifung‘ jedoch ging das Regime auch gegen Homosexuelle mit Schutzhaft, Internierung und Maßnahmen wie Zwangstherapien und Kastration vor. Die Zahl der während der NS-Zeit wegen Homosexualität Deportierten liegt Schätzungen zufolge zwischen 5.000 und 15.000. Kraus hatte sich schon früh für die Straffreiheit einvernehmlicher homosexueller Handlungen zwischen Erwachsenen eingesetzt und oft mit Vehemenz auf die publizistische Einmischung in Privatangelegenheiten reagiert – zu nennen ist in diesem Zusammenhang Kraus’ Konflikt mit Maximilian Harden, der die Homosexualität im sogenannten „Lienberger Kreis“ politisch ausschlachtete („Eulenburg-Affäre“). Dennoch war sein Bild des männlichen Homosexuellen, wie man anlässlich seiner Unterscheidung zwischen ‚angeborener‘ und ‚erworbener‘ Homosexualität nachlesen kann (Perversität, F 237, 16–22), nicht frei von abwertenden Stereotypen.

Quellen

Jens Malte Fischer: Karl Kraus. Der Widersprecher. Wien: Zsolnay 2020, S. 104f., 213f.
Burkhard Jellonek: Homosexuelle unter dem Hakenkreuz. Die Verfolgung von Homosexuellen im Dritten Reich. Paderborn: Ferdinand Schöningh 1990, v.a. S. 11–175
Edward Timms: Karl Kraus. Satiriker der Apokalypse. Leben und Werk 1874 bis 1918. Frankfurt am Main: Suhrkamp 1999, S. 101f.
Nike Wagner: Geist und Geschlecht. Karl Kraus und die Erotik der Wiener Moderne. 2. Aufl. Frankfurt am Main: Suhrkamp 1982, S. 132ff.

Links

Perversität, in: Die Fackel Nr. 237 vom 2. Dezember 1907

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... mit der Schmach belud, daß er ihm eine heute normhafte Arteigenheit nachsagte, aus der sich vielleicht das schwüle Ineinander von Mystik und Manneszucht erk...

Absatz 33

...esem Festhalten an Bräuchen, durch die lediglich die friderizianische Tradition fortgepflanzt wird, aber sonst nichts, erklärt sich auch eine gewisse Angleic...

Absatz 49

...eglicher Mitwissenschaft von Machterschleichung und Mannszucht wider die Natur. Erpressung das nährende und erhaltende Element — höchstens mit Ausnahme der F...

Absatz 63

Registereintrag

Die Leipziger Herbstmesse 1933

In den ersten Jahren nach der ‚Machtergreifung‘ gab es in ganz Deutschland hunderte ‚Braune Messen‘; dabei handelte es sich meist um Publikumsmessen, die einerseits der Propaganda dienten, andererseits mittelständische regionale Unternehmen unterstützen sollten. Ab Sommer 1933 waren diese Messen dem Propagandaministerium unterstellt, ab 1936 wurde jedoch die Mittelstandspolitik der Rüstungspolitik untergeordnet; im Zuge dessen wurden die ‚Braunen Messen‘ nicht mehr fortgeführt. Die ‚Braune Messe‘ in Leipzig fand parallel zur eigentlichen Leipziger Herbstmesse von 27. bis 31. August 1933 statt und machte 15% der Aussteller aus; sie fand in dieser Form nur einmal statt. Hier durften auch überregionale und größere Betriebe teilnehmen, es war keine Verkaufsveranstaltung. Die Berichterstattung zur Herbstmesse strich die ‚Braune Messe‘ besonders hervor, was zu einer verzerrten öffentlichen Wahrnehmung führte: Der ‚Arierparagraph‘ etwa galt nur dort, wurde jedoch in den kritischen Berichten ausländischer Medien auf die gesamte Messe bezogen; die Zahl ausländischer Aussteller blieb unter der des Vorjahres. Dennoch können als Beweggrund für diese Art der Parallelveranstaltung wirtschaftliche Motive angenommen werden: Die ‚Braune Messe‘ brachte zusätzliche Aussteller und Publikum, was nach 1933, als die wirtschaftliche Lage sich entspannte, nicht mehr nötig war.

Quellen

Berit Baß: Die Braune Großmesse 1933 in Leipzig. In: Leipzigs Messen 1497–1997: Gestaltwandel – Umbrüche – Neubeginn. Teilband 2: 1914–1997. Hg. v. Hartmut Zwahr, Thomas Topfstedt u. Günter Bentele. Köln, Weimar u. Wien: Böhlau 1999 (= Geschichte und Politik in Sachsen, Bd. 9/2), S. 553–562,

Ereignisse

Die „Braune Messe“ in Leipzig

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... wie das gelungene Arrangement mit den Leipziger Pelzjuden. Besuchern der Messe aber wird eine Vergünstigung in Aussicht gestellt, sie können sich davon über...

Absatz 45

... es wäre eine Meldung über angebliche Greuel. Aber daß er auf der Braunen Messe willkommen geheißen wird, ist doch auch möglich. Es wird zwar von den Ausstel...

Absatz 45

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Arbeitsbeschaffung unter Hitler

Arbeitsbeschaffung war schon im Wahlkampf im Mai 1932 ein zentrales Thema für die NSDAP; in seiner ersten Radioansprache am 1. Februar 1933 versprach Hitler erneut die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, die mit enormem propagandistischem Aufwand betrieben wurde. Tatsächlich jedoch war sie von Anfang an der Rüstungspolitik untergeordnet. Von den 600 Millionen RM, die aus Zeiten des Kabinetts Schleicher für Arbeitsbeschaffung vorgesehen und noch vorhanden waren, wurde etwa ein Drittel für das Militär verwendet. Das am 1. Juni verkündete sogenannte „Reinhardt-Programm“ im Umfang von einer Milliarde RM diente zu großen Teilen zur Finanzierung von Bauprojekten mit militärischem Hintergrund. Im zum „Mustergau“ erklärten Ostpreußen gelang die Vollbeschäftigung durch große Investitionen in primitive, nicht auf andere Teile Deutschlands übertragbare Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen. Ein zweites, kleineres „Reinhardt-Programm“ im Herbst diente der Stimmungsmache und der Minderung der saisonbedingten Arbeitslosigkeit in den Städten. Der in Hinsicht auf Arbeitsbeschaffung besonders prominente Autobahnbau hatte von Beginn an militärische Zwecke. Trotz des Verzichts auf Maschinen waren dabei anstatt der versprochenen 600.000 nach dem ersten Jahr erst 38.000 Arbeitsplätze entstanden. Ein Jahr nach der ‚Machtergreifung‘ stand die Arbeitsbeschaffung nicht mehr auf der Agenda des Regimes. Der tatsächliche Rückgang der Arbeitslosigkeit kann zu großen Teilen auf den schon im Herbst 1932 einsetzenden Konjunkturaufschwung und die Rüstung zurückgeführt werden, darüber hinaus wurde die Statistik durch verschiedene Maßnahmen (etwa das Vorgehen gegen Doppelverdiener oder gegen die Berufstätigkeit von Frauen) geschönt.

Quellen

Tim Schanetzky: Kanonen statt Butter. Wirtschaft und Konsum im Dritten Reich. München: Beck 2015 (= Die Deutschen und der Nationalsozialismus, Bd. 5), S. 34–66
Adam Tooze: Ökonomie der Zerstörung. Die Geschichte der Wirtschaft im Nationalsozialismus. Übers. v. Yvonne Badal. München: Pantheon 2008, S. 46–87

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...n, ist für das Gelingen der deutschen Revolution letzten Endes ausschlaggebend. Auch sollen bereits nordische Fischer (die die salzgebeizten Arbeitshände ine...

Absatz 30

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Hugenbergs „Fettplan“

Schon zwei Wochen nach der ‚Machtergreifung‘ traf die Regierung Hitler einschneidende Maßnahmen zugunsten der Agrarier und der in der Landwirtschaft Beschäftigten (die 1933 noch 29% der Erwerbstätigen ausmachten): Ab nun galt ein Vollstreckungsschutz für landwirtschaftliche Betriebe, die Zölle auf agrarische Importprodukte wurden teils um mehr als 100% erhöht. Resultierende Verschlechterungen der internationalen Handelsbeziehungen wurden in Kauf genommen. Hugenbergs „Fettplan“ aus dem März 1933 (den er noch gegen den Willen Hitlers durchsetzen konnte) strebte dann vor allem die Stützung der Milchwirtschaft an. Dazu diente die Steigerung der erforderlichen Butterbeimischung für Margarine und die Kontingentierung der Margarineproduktion. Solche Maßnahmen zugunsten der Landwirtschaft gingen letztlich auf Kosten der Verbraucher: Bis September 1933 stiegen Großhandelspreise für Butter, Milch, Schmalz oder Schweine um 40-50%.

Quellen

Gustavo Corni u. Horst Gies: Brot, Butter, Kanonen. Die Ernährungswirtschaft in Deutschland unter der Diktatur Hitlers. Berlin: Akademie-Verlag 1997, S. 55–60
Dieter Petzina: Hauptprobleme der deutschen Wirtschaftspolitik 1932/33. In: Vierteljahresheft für Zeitgeschichte 15 (1967), H. 1, S. 18–55. URL: https://www.ifz-muenchen.de/heftarchiv/1967_1_2_petzina.pdf, S. 37–52

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...hl. Das ist zwar ein Feuilletonbegriff, durch den das Fett nicht billiger wird, aber er bittet die Gegner, fest überzeugt zu sein, daß die Eroberung weitersc...

Absatz 30

...hau mit dem Stecken behandelt wären. Denn der Abbau der Butter- und Milchpreise wird sich kaum mit dem Erfolg erzielen lassen, mit dem bisher der Abbau der K...

Absatz 30

...Nation, deren Führer wohl der Meinung sein müssen, daß es mit den Butterpreisen zusammenhängt. Ein Gran Verstand wäre doch höchstens in der Hoffnung zu erken...

Absatz 40

...ndte Gefahr des Bolschewismus herbeiführt, so ist guter Rat teurer als Butter. ...

Absatz 58

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Das Wirtschaftsprogramm der NSDAP

Das 25-Punkte-Programm der NSDAP von 1920 hatte Forderungen wie die nach der „Abschaffung des arbeits- und mühelosen Einkommens“, nach der Einziehung von Kriegsgewinnen, nach Verstaatlichung von Betrieben, Kommunalisierung von Großkaufhäusern, Verhinderung der Bodenspekulation etc. beinhaltet. In ihren Wahlkämpfen verfolgte die Partei hingegen keine einheitliche Linie gegenüber Industriellen und Bankiers; Hitler war wirtschaftspolitisch Opportunist. Hatte der Wahlerfolg der NSDAP im September 1930 noch zu Unruhe im deutschen Bankensektor geführt, kam es 1931/32 zu einer ersten Annäherung zwischen Hitler und Industriellenkreisen. Gregor Strassers radikales „wirtschaftliches Sofortprogramm“ von 1932 (das Forderungen wie die nach Arbeitsbeschaffung durch Infrastruktur- und Wohnbauprojekte, verbesserter Sozial- und Pernsionsversicherung, Erhöhung des Geldumlaufs, staatlichen Monopolen und staatlichen Wirtschaftslenkungsmaßnahmen enthielt) trug seiner Zugkraft unter der Arbeiterschaft wegen zum Wahlsieg der NSDAP bei. Nach Kritik vom Reichsverband der Deutschen Industrie war das Sofortprogramm realpolitisch vom Tisch, wurde jedoch propagandistisch weiterhin eingesetzt. Ab 1933 beteiligten sich die Banken an der Umsetzung der politischen und ideologischen Ziele des Regimes, waren Nutznießer der Arisierungsmaßnahmen und verliehen ihnen einen rechtmäßigen Anschein. 1936 gab es in den Vorständen deutscher Banken keine jüdischen Mitglieder mehr.

Quellen

Udo Kissenkoetter: Gregor Straßer und die NSDAP. Stuttgart: Deutsche Verlags-Anstalt 1978 (= Schriftenreihe der Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte, Bd. 37), S. 84–86, 112–113
Christopher Kopper: Bankiers unterm Hakenkreuz. München: Deutscher Taschenbuch-Verlag 2008, S. 7f., S. 41f., S. 3–5
Tim Schanetzky: Kanonen statt Butter. Wirtschaft und Konsum im Dritten Reich. München: Beck 2015 (= Die Deutschen und der Nationalsozialismus, Bd. 5), S. 33f.

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...stellung⁠ ⁠: Wer der Regierung unterstellt, sie wolle Zinsen und Renten rauben, lügt daß jene lügen, die an eine Wahrheit geglaubt haben, wenn sie etwa leugn...

Absatz 37

...estehen, die Brechung der Zinsknechtschaft »und weiß Gott was alles« verlangen. Sie wollen mit der nationalen Erfüllung nicht vorlieb nehmen, sie begehren au...

Absatz 58

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Der Ullstein-Verlag 1933

Der Ullstein-Verlag war 1933 neben Hugenbergs Scherl-Verlag der mächtigste Pressekonzern des Reiches und besaß die größte Druckerei Europas. Die auf Grundlage der Verordnung vom 4. Februar 1933 gegen die Presse gerichteten Maßnahmen betrafen auch Ullsteins Tempo – das erste von mehreren Zeitungsverboten, die dem Verlagshaus wirtschaftlich zusetzten. Im März wurden zwei Mitglieder der Familie Ullstein für kurze Zeit verhaftet. Zahlreiche offene Sabotage- und Boykottaktionen richteten sich gegen das Verlagshaus. Als Reaktion darauf wurde der dem Regime nahestehende Richard A. Müller zum Vorstandsvorsitzenden berufen; ihm teilte Goebbels im April mit, die Arisierung des Verlags sei der persönliche Wunsch Hitlers, woraufhin jüdische und politisch missliebige Redakteure entfernt wurden. Am 13. Oktober, eine Woche nach Verabschiedung des Schriftleitergesetzes, wurde gemeldet, dass jeder dritte Redakteur mittlerweile entlassen worden sei. Zahlreiche Blätter des Verlages, darunter im Frühjahr 1934 die Vossische Zeitung, mussten eingestellt werden, stattdessen wurde eine Handvoll regimetreuer Zeitschriften herausgegeben. Anfang Juni 1934 sah sich die Eigentümerfamilie genötigt, den Verlag zu verkaufen. Er war 60 Millionen RM wert, ging jedoch um nur 12 Millionen an die Cautio Treuhand-Gmbh, die im Auftrag der NSDAP handelte.

Quellen

Juliane Berndt: Die Restitution des Ullstein-Verlags (1945–52). Remigration, Ränke, Rückgabe: Der steinige Weg einer Berliner Traditionsfirma. Berlin u. Boston: de Gruyter 2020 (= Europäisch-jüdische Studien – Beiträge, Bd. 50), S. 63–80
Reinhard Wittmann: Verlagsbuchhandel. Literarische/belletristische Verlage. In: Geschichte des deutschen Buchhandels im 19. und 20. Jahrhundert. Band 3: Drittes Reich. Teil 1. Im Auftrag d. Historischen Kommission hg. v. Ernst Fischer u. Reinhard Wittmann in Zsarb. m. Jan-Pieter Barbian. Berlin u. Boston: de Gruyter 2015, S. 295–379, S. 326

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... als die Schlichten, die immer nachgrübeln müssen. Bei Ullstein beten sie schon⁠ ⁠: Wir wollen wieder ganz einfach und menschlich werden . . Wir wollen die Ü...

Absatz 39

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Der Ullstein-Verlag 1933

Quellen

Juliane Berndt: Die Restitution des Ullstein-Verlags (1945–52). Remigration, Ränke, Rückgabe: Der steinige Weg einer Berliner Traditionsfirma. Berlin u. Boston: de Gruyter 2020 (= Europäisch-jüdische Studien – Beiträge, Bd. 50), S. 63–80
Reinhard Wittmann: Verlagsbuchhandel. Literarische/belletristische Verlage. In: Geschichte des deutschen Buchhandels im 19. und 20. Jahrhundert. Band 3: Drittes Reich. Teil 1. Im Auftrag d. Historischen Kommission hg. v. Ernst Fischer u. Reinhard Wittmann in Zsarb. m. Jan-Pieter Barbian. Berlin u. Boston: de Gruyter 2015, S. 295–379, S. 326

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... als die Schlichten, die immer nachgrübeln müssen. Bei Ullstein beten sie schon⁠ ⁠: Wir wollen wieder ganz einfach und menschlich werden . . Wir wollen die Ü...

Absatz 39

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Das Attentat auf Richard Steidle

Am 11. Juni schlug in Innsbruck ein Attentat auf den Heimwehrführer Richard Steidle fehl. Der einzige bisher identifizierte Täter war Werner von Alvensleben, Mitglied des für die Planung und Ausführung verantwortlichen Münchner SS-Sturms 5; auch Himmler und der österreichische Gauleiter Hofer waren in die Vorbereitungen involviert. Insgesamt waren vier Personen an dem Attentat beteiligt, Alvensleben kundschaftete den Ort und die Gelegenheit zum Anschlag aus und fuhr den Fluchtwagen. Steidle wurde vor seinem Haus angeschossen und in den Unterarm getroffen; ein Defekt des Revolvers rettete ihm wahrscheinlich das Leben. Alvensleben und der Schütze entkamen mit dem Auto bis zur Grenze, die sie zu Fuß überquerten. Nach der Flucht nach Deutschland kehrte von Alvensleben am 4. Juli zurück nach Österreich. Geplant war neben einem zweiten Attentatsversuch auf Steidle ein Attentat auf Bundessicherheitsminister Emil Fey. Verhindert wurde dies nur durch die Verhaftung Alvenslebens. Am 18. Juli alarmierten Gäste eines Wiener Weinhauses die Polizei, drei Betrunkene würden sich lautstark über Attentatspläne unterhalten. Alvensleben wurde gefasst. Bei seiner Festnahme war Alvensleben im Besitz eines Passes auf den Namen „Fritz Steigers“. Der Pass war keine Fälschung; am 30. Juni 1933 war er von der Polizeidirektion München ausgestellt worden, mit einem amtlichen Vermerk zur Aufhebung der „Tausend-Mark-Sperre“ für den Eigentümer.

Quellen

Bundeskommissariat für Heimatdienst (Hg.): Beiträge zur Vorgeschichte und Geschichte der Julirevolte. Herausgegeben auf Grund amtlicher Quellen. Wien: Selbstverlag des Bundeskommissariates für Heimatdienst 1934, S. 43
Werner Schober: „Ein politisch verführter junger Mann?“ Werner von Alvensleben und das Attentat auf Richard Steidle (11. Juni 1933). In: Tiroler Heimat 76 (2012), S. 399–414, S. 401–404, S. 404–406

Ereignisse

Attentatsversuch auf Richard Steidle Reisepass für einen Attentäter Rückkehr Werner von Alvenslebens nach Österreich Festnahme Werner von Alvenslebens

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...zigen Täter zu erwischen . . . Wo sind die Täter, die nach Steidle schossen⁠ ⁠? Wo die Täter, die eine Höllenmaschine ins Portal des Einheitswarenhauses auf ...

Absatz 44

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Die Leipziger Pelzwirtschaft 1933

Die traditionsreiche Leipziger Rauchwarenwirtschaft hatte ab 1924 einen Boom erlebt, jedoch unter der verstärkten russischen Ausfuhr veredelter Pelzwaren sowie unter der Weltwirtschaftskrise von 1929 stark gelitten. Die ‚Machtergreifung‘ der Nationalsozialisten beschädigte Leipzigs Status als internationales Pelzzentrum endgültig und irreparabel. 58 Prozent der Firmen des Leipziger Pelzhandels hatten jüdische Eigentümer, sodass die Branche von den antisemitischen Ausschreitungen und Gesetzen besonders hart betroffen war. Nach den Reichstagswahlen im März war es zu ersten Ausschreitungen am Brühl, einem traditionsreichen Handelsviertel, gekommen, gegen Ende des Monats beschlossen die jüdischen Pelzhändler Englands den Boykott deutscher Rauchwaren, im Juli tat der National Council of Fur Trade Organisations in den USA desgleichen. Eine Intervention des Bürgermeisters gemeinsam mit Vertretern der Rauchwarenwirtschaft und der Handelskammer führte zu Forderungen der zuständigen Stellen, die Pelzindustrie sei mit Rücksicht auf ihre wirtschaftliche Bedeutung unbehelligt zu lassen; Anfang Mai 1933 erklärten nationalsozialistische Wirtschaftsvertreter, jüdische Firmen der Branche hätten keine Eingriffe zu befürchten. Unter den wirtschafts- und rassepolitischen Folgen der ‚Machtergreifung‘ brach der Pelzexport jedoch weiter ein; bis 1936 hatten über 100 jüdische Rauchwarenhändler ihre Firmensitze von Leipzig nach London, Paris, Prag, Mailand oder Brüssel verlegt.

Quellen

Robrecht Declercq: World Market Transformation. Inside the German Fur Capital Leipzig 1870 – 1939. New York u. London: Routledge 2017 (= Routledge International Studies in Business History, Bd. 37), S. 210–213
Steffen Held: Juden in der Leipziger Rauchwarenwirtschaft 1830–1938. In: Leipzigs Wirtschaft in Vergangenheit und Gegenwart. Akteure, Handlungsspielräume, Wirkungen (1400–2011). Hg. v. Susanne Schötz. Leipzig: Leipziger Universitätsverlag 2012 (Quellen und Forschungen zur Geschicihte der Stadt Leipzig, Bd. 3), S. 269–284,

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... unbemerkt geblieben wie das gelungene Arrangement mit den Leipziger Pelzjuden. Besuchern der Messe aber wird eine Vergünstigung in Aussicht gestellt, sie kö...

Absatz 45

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Politisches Ende Alfred Hugenbergs und Ende der DNVP

Die Versuche Alfred Hugenbergs, als Vorsitzender der DNVP die Macht des Koalitionspartners NSDAP einzuschränken, scheiterten sämtlich: Durch den Ausgang der Reichstagswahl geschwächt, gelang es ihm weder, den Einfluss der Nationalsozialisten durch verstärkte Einbindung des Reichspräsidenten zurückzudrängen, noch durch eine Absprache mit der Zentrumspartei einen Zusatz zum Ermächtigungsgesetz durchzusetzen, der politische Freiheiten bewahrt hätte. Zudem machten sich innerhalb der DNVP Zerfallserscheinungen bemerkbar, es kam zu Übertritten in die NSDAP, die Lähmung des Parteiapparates konnte auch durch hektische propagandistische Bemühungen nicht ausgeglichen werden. Hugenbergs Scherl-Verlag agierte weitgehend orientierungslos, die NS-Presse forderte immer vernehmlicher seinen Rücktritt. Ende April ging die Braunschweiger DNVP in die NSDAP ein. Zudem entfremdete Hugenbergs Förderung der Agrarier ihn aufgrund der befürchteten Folgen für den internatinalen Handel auch von den nicht-nationalsozialistischen Ministern (wie Neurath) sowie von Vertretern der Industrie. Auf der Weltwirtschaftskonferenz am 16. Juni 1933 in London beging Hugenberg politischen Selbstmord: Das von ihm vorgetragene Memorandum beinhaltete unter anderem die Forderung nach Kolonien und nach der Expansion in den Osten sowie in wirtschaftlicher Hinsicht nach einem Stop internationaler Investitionen. In einer darauffolgenden Aussendung des Außenministers Neurath bezeichnete dieser das Memorandum aufgrund schwerer diplomatischer Bedenken als „Privatmeinung“. Am 24. Juni beschloss Hugenberg seinen Rücktritt, am 27. erfolgte dieser offiziell; zugleich löste sich die DNVP auf – aus Sorge, sonst in die gefährliche Oppositionsrolle zu geraten. In den Jahren ab 1933 musste der politisch entmachtete Medienzar Hugenberg Teile seines Imperiums verkaufen, 1933/34 etwa die Telegraphen-Union sowie die Allgemeine Anzeigen GmbH, 1937 die UFA. Für den Scherl-Verlag erhielt er 1944 immerhin 64 Millionen RM.

Quellen

John A. Leopold: Alfred Hugenberg. The Radical Nationalist Campaign Against the Weimar Republic. New Haven (Connecticut): Yale University Press 1977, S. 144–163
Klaus Wernecke u. Peter Heller: Der vergessene Führer. Alfred Hugenberg. Pressemacht und Nationalsozialismus. Hamburg: VSA-Verlag 1982, S. 193–195

Ereignisse

Rücktritt Alfred Hugenbergs und Auflösung der DNVP

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..., drinnen drunter und drüber. Seldte huldigt, Hugenberg ward vom Teufel geholt, Papen soll sich als Herrenreiter produzieren⁠ ⁠:Das heiß ich frischen Hexenri...

Absatz 63

Registereintrag

Politisches Ende Alfred Hugenbergs und Ende der DNVP

Quellen

John A. Leopold: Alfred Hugenberg. The Radical Nationalist Campaign Against the Weimar Republic. New Haven (Connecticut): Yale University Press 1977, S. 144–163
Klaus Wernecke u. Peter Heller: Der vergessene Führer. Alfred Hugenberg. Pressemacht und Nationalsozialismus. Hamburg: VSA-Verlag 1982, S. 193–195

Ereignisse

Rücktritt Alfred Hugenbergs und Auflösung der DNVP

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..., drinnen drunter und drüber. Seldte huldigt, Hugenberg ward vom Teufel geholt, Papen soll sich als Herrenreiter produzieren⁠ ⁠:Das heiß ich frischen Hexenri...

Absatz 63

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Das Konzentrationslager Dachau

Vier Tage nach der ‚Gleichschaltung‘ Bayerns empfahl der Gauleiter und nunmehrige kommissarischer Innenminister Adolf Wagner das Errichten von Anhaltelagern für die große Zahl an Schutzhäftlingen. Am 20.3. wurde die Gründung des Lagers in einer ehemaligen Munitionsfabrik in der Nähe der Kleinstadt Dachau angekündigt. Dachau war damit nicht das erste Konzentrationslager überhaupt, wohl aber das erste, das nicht als Provisorium angelegt wurde. Bis Mai hatte das Lager über 2.000 Insassen, die ersten Häftlinge waren politische Gegner: Kommunisten, dann Sozialdemokraten, Bürgerliche und Monarchisten. Die Zustände im Lager verschlechterten sich durch die Übernahme des Lagers durch Himmlers SS am 10. April 1933 gravierend. Schon zwei Tage später kam es zu den ersten als „Erschießung auf der Flucht“ getarnten Morden; von nun an wurde die Todesstrafe mit drakonischer Strenge verhängt. Der für Morde und Folterungen vorgesehene „Bunker“ wurde eingerichtet, auch im Rahmen der gewalttätigen Empfangsprozeduren kam es zu Todesfällen unter neuen Häftlingen. Bis Ende Mai wurden in Dachau 13 Menschen ermordet, die polizeiliche Verfolgung der Taten wurde jedoch schnell eingestellt. Im Oktober 1933 entkoppelte sich das Lager mit der Einrichtung einer eigenen „Disziplinar- und Strafordnung“ endgültig von der Justiz. Der Einsatz der Häftlinge als Zwangsarbeiter diente nicht zuletzt Himmlers Ziel der teilweisen wirtschaftlichen Unabhängigkeit der SS.

Quellen

Wolfgang Benz u. Barbara Distel (Hg.): Der Ort des Terrors. Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager. Bd. 2: Frühe Lager, Dachau, Emslandlager. München: C. H. Beck 2005, darin: Stanislav Zámečnik: Eintrag „Dachau-Stammlager“, S. 233–274, hier bes. S. 233–240

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...ken, was die vom ‚Völkischen Beobachter‘ gelitten haben⁠ ⁠; es grenzt an Dachau. Aber⁠ ⁠: Sie sollen es wissen, sie müssen es wissen⁠ ⁠! Zu diesem Behufe wer...

Absatz 16

...nsch einen hohen Rang, daß er ein Raubtier ist«, ja der den Vorgängen in Dachau und Sonnenberg, in der Hedemannstraße und Papestraße unmittelbar die gedankli...

Absatz 18

... als Benn sie hinterdrein den Flüchtlingen bietet, welche Bedenken wegen Dachau hatten. Was aber die aktive Behandlung von Negern anlangt, so mag man mit ein...

Absatz 29

...och stärker gestiegen⁠ ⁠; in München haben etwa 200 Händler den Weg nach Dachau in das Konzentrationslager antreten müssen, und zwar, weil man ihnen Preiswuc...

Absatz 30

...te er aber jetzt nicht erschwingen, auch wenn schon sämtliche Händler in Dachau mit dem Stecken behandelt wären. Denn der Abbau der Butter- und Milchpreise w...

Absatz 30

...er auch von einer seelischen Gesundung sprechen. Ja man muß geradezu. In Dachau hat man sogar die Wahrnehmung gemacht, daß die Kommunisten, die verbissen in ...

Absatz 48

...schlichen Gesellschaft zu machen«, dort herrscht deren Auswurf. Da somit Dachau, Dürgoy und Sonnenburg nicht bloß Internaten gleichkommen, sondern geradezu a...

Absatz 48

...ie seelische Wandlung vollkommener darzubieten als durch den Vorgang von Dachau, wo Neugläubige damit beschäftigt wurden, ein Horst Wessel-Denkmal zu erricht...

Absatz 48

...dern Empfehlung als eines Steckbriefs der Wiener Polizei als Aufseher in Dachau angestellt hat. Freilich darf man nicht außeracht lassen, daß hier insofern e...

Absatz 63

Registereintrag

Die deutschen Bücherverbrennungen 1933

Unter der nationalsozialistischen Herrschaft wurden 1933 zumindest 93 Bücherverbrennungen in 70 Städten durchgeführt. Sie fanden teils ungeplant als Begleiterscheinungen des Terrors – der Demolierung von Verlagen und Parteihäusern – statt, teils wurden sie von NS-Formationen wie der Hitlerjugend, dem Kampfbund für Deutsche Kultur, dem Deutschnationalen Handlungsgehilfen-Verband oder der Nationalsozialistischen Betriebszellenorganisation geplant und durchgeführt. Die öffentlichkeitswirksamsten Bücherverbrennungen fanden im Rahmen der von der Deutschen Studentenschaft (seit 1931 dominiert vom NS-Studentenbund) reichsweit durchgeführten „Aktion wider den undeutschen Geist“ statt. Im Mai (und in zwei Fällen im Juni) 1933 wurden dabei in 30 Städten Bücher öffentlich verbrannt. 19 dieser Veranstaltungen fanden am 10. Mai 1933 statt, darunter die am Berliner Opernplatz in Anwesenheit Goebbels’.

Quellen

Werner Treß: Berlin. In: Orte der Bücherverbrennungen in Deutschland 1933. Hg. v. Julius H. Schoeps u. Werner Treß. Hildesheim, Zürich und New York: Olms 2008, S. 47–142, S. 115–125
Werner Treß: Phasen und Akteure der Bücherverbrennungen in Deutschland 1933. In: Orte der Bücherverbrennungen in Deutschland 1933. Hg. v. Julius H. Schoeps u. Werner Treß. Hildesheim, Zürich und New York: Olms 2008, S. 9–28, S. 14–24

Ereignisse

Bücherverbrennung in Berlin Bücherverbrennung in Frankfurt am Main

Links

wikimedia.org: Flugblatt der „Aktion wider den undeutschen Geist“

Zum Text

...einer Gunst zeigten, die Schriftstellern der Neuzeit doch so selten widerfährt. Sie waren der Ehre nachher so unwürdig wie zuvor. Ich möchte ja nicht um eine...

Absatz 10

...gen die Nationalfeier des Boykott-Tags jener Mummenschanz der Bücherverbrennung, dem ja ein europäischer Lacherfolg sicher war, mochte er ihn mehr dem Mittel...

Absatz 25

... ganz glücklich, als sie ja auf den Index kamen oder geradezu verbrannt wurden, worin die Urheber zwar einen gewissen Ansporn zur Dankbarkeit wegen der Rekla...

Absatz 26

... wiewohl einer der Feuersprüche bei der Bücherverbrennung doch gelautet hat⁠ ⁠: Gegen Verhunzung der deutschen Sprache⁠ ⁠! Für Pflege d...

Absatz 27

...r denen wieder diejenigen mit einem Stern bezeichnet sind, die verbrannt wurden und darum als Sehenswürdigkeiten erhalten bleiben. Doch auch verirrte Arier h...

Absatz 32

...atz versiegelt wird, und folgen dem Kommando zum Fest des Volks der Knechte⁠ ⁠: UniversitätJohann Wolfgang Goethe,Frankfurt. Frankfurt, den Mai 1933 Das Stud...

Absatz 33

...eiterhaufen kommen, der zugegebenermaßen von nationaler Seite angezündet wurde. Vielleicht hätte es jedoch gar nicht der Ablenkung durch die Ereignisse bedur...

Absatz 36

Registereintrag

Die „schwarzen Listen“

Im April 1933 setzte der Berliner Oberbürgermeister einen dreiköpfigen „Ausschuss zur Neuordnung der Berliner Stadt- und Volksbüchereien" ein, dem auch Wolfgang Herrmann angehörte. Letzterer erstellte federführend die „schwarzen Listen“ und nahm Kontakt zur Deutschen Studentenschaft (DSt) auf, wodurch die ursprünglich auf Berlin beschränkte Arbeit des Ausschusses kurzzeitig reichsweite Auswirkungen hatte: Die DSt bediente sich der Listen Herrmanns als Orientierungshilfen bei der Aussonderung der zu verbrennenden Literatur. Eine erste Liste zur ‚schönen Literatur‘ langte am 26. April bei der DSt ein, eine erweiterte Fassung vom 1. Mai enthielt 127 Autor:innen und vier Anthologien; am 4. und 8. Mai folgten eine vorläufige bzw. eine vollständige Liste zur ‚belehrenden Abteilung‘ (d. h. zu Sachbüchern und wissenschaftlicher Literatur) mit 190 Autor:innen. Die Zusammenarbeit mit der DSt sowie die Publikation einer Version der Liste im Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel Mitte Mai 1933 sollten der Steigerung der Breitenwirkung dieser Listen dienen. Unmittelbar nach den Bücherverbrennungen wurde unter Führung des Kampfbundes für deutsche Kultur ein Arbeitsausschuss eingesetzt, dem Vertreter des Börsenvereins, des Reichsverbands Deutscher Schriftsteller, des Propagandaministeriums und des preußischen Kultusministeriums angehörten und der weitaus umfassendere Listen „unerwünschter“ Literatur erstellte; die erste dieser Listen wurde Mitte Juli an das Propagandaministerium übermittelt. Im Herbst und Winter 1933/1934 erfolgten Rundschreiben des Börsenvereins an seine Mitglieder, denen – bei Drohung des Ausschlusses – der Vertrieb der gelisteten Titel untersagt wurde.

Quellen

Jan-Pieter Barbian: Die organisatorische, personelle und rechtliche Neuordnung des deutschen Buchhandels. In: Geschichte des deutschen Buchhandels im 19. und 20. Jahrhundert. Band 3: Drittes Reich. Teil 1. In Zsarb. m. Jan-Pieter Barbian hg. v. Ernst Fischer u. Reinhard Wittmann. Berlin u. Boston: de Gruyter 2015, S. 73–159, S. 76f.
Werner Treß: Berlin. In: Orte der Bücherverbrennungen in Deutschland 1933. Hg. v. Julius H. Schoeps u. Werner Treß. Hildesheim, Zürich und New York: Olms 2008, S. 47–142, S. 106–109, S. 116

Zum Text

...e Gaben ohne Wahl und ohne Billigkeit verteilt, so ist es diese schwarze Liste, bei deren Anblick einen der gelbe Neid packt. Wo bleibt da die Gerechtigkeit,...

Absatz 10

...ich gar nicht nach ihr langte. Indem sie aber so statt durch die schwarze Liste durch eine weit schwärzere List ihn opfert und ein Raffinement betätigt, das ...

Absatz 10

...ustrie besorgt hat, ist insofern nicht ganz glücklich, als sie ja auf den Index kamen oder geradezu verbrannt wurden, worin die Urheber zwar einen gewissen A...

Absatz 26

...ige Dilettanten⁠ ⁠: auch sie haben die Phrase effektuiert. Die »Schwarze Liste« verfolgt den Zweck, den Büchermarkt endlich für jene frei zu machen, die aus ...

Absatz 32

...eser Illusion zu begegnen und jener zu genügen, erschuf eben die Schwarze Liste, den Index der von der Schwelle des Dritten Reichs gewiesenen Literatur, welc...

Absatz 32

...n Bruck⁠ ⁠!) Der Mann hat also seine Meriten. Der Kommentar zur Schwarzen Liste jedoch, der vom Preußischen Ministerium für Wissenschaft, Kunst und Volksbild...

Absatz 35

...rb der Meinungen und den geistigen Kampf der Überzeugungen eingeführt haben⁠ ⁠? Nämlich auf das gute Gedächtnis, das wir — jeder muß es wissen⁠ ⁠! — gegenübe...

Absatz 53

Registereintrag

Rundfunkpropaganda

Radioansprachen gegen Österreich waren schon Mitte März des Jahres ausgestrahlt worden, ab Juli erfolgte die Rundfunkpropaganda systematisch als Reihe im Bayerischen Rundfunk; ein Flugblatt kündigte „Die Wahrheit über Österreich“ zweimal wöchentlich auf mehreren deutschen Sendern an. Unter den Vortragenden waren u. a. Hans Frank (etwa am 18. März 1933) und Theo Habicht (ab 5. Juli), der bis Mitte Juli des Folgejahres insgesamt 21 Rundfunkreden gegen Österreich halten sollte. Insgesamt wurden ca. 130 Reden dieser Art übertragen, zeitweise fast täglich, Wien reagierte unter anderem durch die Sendung von – eher zurückhaltenden – Erwiderungen. Einsprüchen von österreichischer Seite begegnete Deutschland abwiegelnd oder mit Ausflüchten. Um Schwierigkeiten zu vermeiden – auch England und Frankreich intervenierten in dieser Sache – bemühten sich jedoch das Auswärtige Amt und dann auch Hitler selbst darum, Habicht zur Mäßigung zu bewegen. Dennoch störte dieser bis zu seiner Entmachtung im Folgejahr (in Folge des Juliputsches) durch antiösterreichische Rundfunkansprachen immer wieder die Bemühungen um diplomatische Entspannung.

Quellen

Bundeskommissariat für Heimatdienst (Hg.): Beiträge zur Vorgeschichte und Geschichte der Julirevolte. Herausgegeben auf Grund amtlicher Quellen. Wien: Selbstverlag des Bundeskommissariates für Heimatdienst 1934, S. 26–28
Ansgar Diller: Rundfunkpolitik im Dritten Reich. München: Deutscher Taschenbuch Verlag 1980 (= Rundfunk in Deutschland, Bd. 2), S. 214–223
Simon Ganahl: Karl Kraus und Peter Altenberg. Eine Typologie moderner Haltungen. Konstanz: Konstanz University Press 2015, S. 90–91
Simon Ganahl: Dritte Walpurgisnacht. In: Karl Kraus-Handbuch. Leben, Werk, Wirkung. Unter Mitarb. v. Isabel Langkabel u. Johannes Knüchel hg. v. Katharina Prager u. Simon Ganahl. Berlin: Metzler 2022, S. 233–244, S. 238–239

Zum Text

...Bombenattentate sind der nationalen Sache abträglich⁠ ⁠; die Rundfunkpropaganda stört das brüderliche Verhältnis, anstatt Sympathie und Zuneigung zu wecken⁠ ...

Absatz 23

...ändlich nicht die Rede sein kann«, außer etwa der im Rundfunk noch zu hörenden. Die Deutsche Gesandtschaft eine Agentur für Hochverrat an Österreich⁠ ⁠? Bitt...

Absatz 44

Registereintrag

Die Frankfurter Zeitung vor und nach der ‚Machtergreifung‘

1929 hatte der Industrielle und Vorstandsvorsitzende der IG Farben Carl Bosch durch die Imprimatur Gmbh den verschuldeten und defizitären Frankfurter Societäts-Verlag gerettet: Er hatte 48% der Anteile am Verlag übernommen, die Bankschulden getilgt und glich von da an das jährliche Defizit aus. Gerüchteweise war seither (nicht korrekt) von einer Übernahme der Frankfurter Zeitung durch die IG Farben die Rede. Zu Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft vertrat die Frankfurter Zeitung demokratische Positionen in deutlicher Opposition zu Hitler. Unter immer schwierigeren Voraussetzungen wurde Kritik bald nur noch indirekt, zwischen den Zeilen, über die Wiedergabe von Auslandsstimmen oder auch über Druckfehler und das Schriftbild geäußert. An die Stelle von Leitartikeln trat die Dokumentation des NS-Alltags in Kurzmeldungen. Teile der Redaktion – aus der NS-Sympathisanten entfernt worden waren – ließen sich dennoch fallweise von NS-Propaganda und Masseninszenierungen (wie dem Nürnberger Parteitag) beeindrucken. Der relative Bewegungsspielraum, den die FZ sorgfältig auslotete, erklärte sich aus ihrer hohen Geltung im Ausland – und ihrer darauf gründenden Funktion als Feigenblatt des Regimes. Aus wirtschaftlichen Gründen und auf Druck aus der Regierung hin schieden 1934 die Mitglieder der Eignerfamilie Simon-Sonnemann vollständig aus dem Verlag aus. Die IG Farben erwarb fast alle Anteile am Verlag, neuer Leiter wurde der Geschäftsführer der Imprimatur Gmbh, Wendelin Hecht, womit die zwangsweise Einsetzung eines regierungstreuen Verlagsleiters abgewendet wurde. Nicht verhindert werden konnte die Kündigung jüdischer Redaktionsangehöriger. Erst 1939 ging die FZ in den Besitz der NS-Holding Herold-Verlagsgesellschaft m. b. H. über, 1943 erfolgte das Verbot der Zeitung.

Quellen

Günther Gillessen: Auf verlorenem Posten. Die Frankfurter Zeitung im Dritten Reich. Berlin: Siedler 1986, S. 52–54, S. 107–174
Kurt Paupié: Frankfurter Zeitung (1856–1943). In: Heinz-Dietrich Fischer (Hg.): Deutsche Zeitungen des 17. bis 20. Jahrhunderts. Pullach bei München: Dokumentation 1972, S. 214–256,

Zum Text

...ig von jener relativen Sauberkeit, die nicht viel wert ist, zu bewahren schien, innerhalb eines Metiers, dessen ersetzbare Gesinnung durch mein Wirken nicht ...

Absatz 11

Registereintrag

Die Verfolgung ehemaliger Rundfunkpioniere im NS-Staat

Im ersten Halbjahr 1933 waren von 2115 deutschen Rundfunkmitarbeitern ca. 270 Opfer der ersten nationalsozialistischen Säuberungswelle geworden. In den Funkhäusern eingesetzte Kommissare sammelten nun Material, das Korruption und Verschwendung im Rundfunk der Weimarer Republik belegen sollte. Als Folge solcher Anwürfe wurden am 8. August 1933 u. a. mehrere Rundfunkfunktionäre ins Konzentrationslager Oranienburg eingeliefert. Im Zuge der propagandistischen Verwertung des Ereignisses zirkulierte die in der Dritten Walpurgisnacht zitierte Fotografie. Sie zeigt – neben dem SPD-Reichstagsabgeordneten und Chefredakteur der inzwischen verbotenen Brandenburgischen Zeitung Friedrich Ebert jun. – Kurt Magnus, Gründer der Berliner Funk-Stunde und Mitbegründer sowie Geschäftsführer der Reichs-Rundfunks-Gesellschaft (RRG), sowie Heinrich Giesecke, einen weiteren Geschäftsführer der RRG. Magnus war Anfang April 1933 ein Rundfunkkommissar zur Seite gestellt worden, woraufhin er seinen Rücktritt einreichte; auch Giesecke war aus der Geschäftsführung ausgeschieden. Ebenfalls abgebildet ist Hans Flesch, ehemaliger Intendant der Berliner Funkstunde, der schon im August 1932 auf Betreiben der Nationalsozialisten gekündigt worden war , der enorm populäre Reporter, Hörspielmacher, Schauspieler und Radiosprecher Alfred Braun sowie der prominente SPD-Politiker und Gründer einer für den Rundfunk einflussreichen Nachrichtenredaktion, Ernst Heilmann . In Fleschs Ägide hatte auch Kraus zum Programm der Funk-Stunde beigetragen, Braun hatte in einer von Kraus’ Radio-Inszenierung mitgewirkt. Das in der Dritten Walpurgisnacht erwähnte Protesttelegramm des Vorstandsvorsitzenden der RRG, Hans Bredow, provozierte weitere Festnahmen; um der Verhaftung und der Folterung im Konzentrationslager zu entgehen, begingen zudem mit Ludwig Neubeck und Friedrich Georg Knoepfke zwei Vertreter des Rundfunks Suizid. Bredow wurde schließlich im Oktober 1933 verhaftet. Der ab November 1934 vom nunmehrigen Geschäftsleiter der Reichs-Rundfunks-Gesellschaft Eugen Adamovsky vor dem Landgericht Berlin betriebene Schauprozess u. a. gegen Flesch, Bredow und Magnus endete nach 89 Verhandlungstagen aus propagandistischer Sicht erfolglos: Von den 53 Anklagepunkten hatten nur vier aufrecht erhalten werden können, die (geringen) Strafen gegen die drei Genannten galten als schon verbüßt; in einer Revision 1937 wurde ein Teil der Urteile zudem aufgehoben, das ganze Verfahren 1938 eingestellt. Bredow, Magnus und Flesch hatten unter der Diktatur keine Funktion im Rundfunk mehr inne, obwohl ersterer letztlich rehabilitiert wurde. Flesch gilt seit April 1945 – er war Arzt in der Wehrmacht bzw. im Volkssturm – als verschollen. Heilmann war von Juni 1933 an Insasse mehrerer Lager und Gefängnisse, darunter Dachau und Buchenwald, wo er Anfang April 1940 ermordet wurde. Alfred Braun, obwohl im Jänner 1934 in die Schweiz, später in die Türkei emigriert, versuchte sich dem Regime anzudienen. Bald nach Kriegsausbruch hatte er wieder verschiedene Funktionen im deutschen Rundfunk inne, seit Mitte 1941 hatte er eine feste Anstellung bei der UFA. Für Veit Harlan arbeitete er als Regiesassistent und Drehbuchautor an nationalsozialistischen Hetzfilmen (u. a. Jud Süß).

Quellen

Ansgar Diller: Rundfunkpolitik im Dritten Reich. München: Deutscher Taschenbuch Verlag 1980 (= Rundfunk in Deutschland, Bd. 2), S. 127f., S. 110, S. 129f., S. 132f., S. 133
Simon Ganahl: Dritte Walpurgisnacht. In: Karl Kraus-Handbuch. Leben, Werk, Wirkung. Unter Mitarb. v. Isabel Langkabel u. Johannes Knüchel hg. v. Katharina Prager u. Simon Ganahl. Berlin: Metzler 2022, S. 233–244, S. 237
Steffen Jenter: Alfred Braun – Radiopionier und Reporter in Berlin. Potsdam: Verlag für Berlin-Brandenburg 1998 (= Veröffentlichungen des Deutschen Rundfunkarchivs 22), , S. 49f., 109–112
Solveig Ottmann: Im Anfang war das Experiment. Das Weimarer Radio bei Hans Flesch und Ernst Schoen. Berlin: Kadmos 2013 (= Kaleidogramme, Bd. 92), S. 70, S. 79–88
Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten und Arbeitsstelle „Nationale und Internationale Gewerkschaftspolitik“ am Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft der Freien Universität Berlin: Internetausstellung und Datenbank „Die politischen Häftlinge des Konzentrationslagers Oranienburg“. [o. J.]. URL: http://www.stiftung-bg.de/kz-oranienburg[archiviert unter https://web.archive.org/web/20160304094354/http://www.stiftung-bg.de/kz-oranienburg], darin: Lisa Dittrich: Eintrag „Ebert, Friedrich junior“. URL: https://web.archive.org/web/20160304094354/http://www.stiftung-bg.de/kz-oranienburg/index.php?id=52, darin: Jana Rahmlow: Eintrag „Magnus, Dr. Kurt“. URL: https://web.archive.org/web/20160304192159/http://www.stiftung-bg.de/kz-oranienburg/index.php?id=202, darin: Meiko Keller: Eintrag „Heilmann, Ernst“. URL: https://web.archive.org/web/20160304194831/http://www.stiftung-bg.de/kz-oranienburg/index.php?id=345, darin: Jana Rahmlow: Eintrag „Magnus, Dr. Kurt“. URL: https://web.archive.org/web/20160304192159/http://www.stiftung-bg.de/kz-oranienburg/index.php?id=202, darin: Meiko Keller: Eintrag „Heilmann, Ernst“. URL: https://web.archive.org/web/20160304194831/http://www.stiftung-bg.de/kz-oranienburg/index.php?id=345

Ereignisse

Einlieferung ehemaliger Repräsentanten des Rundfunks ins Konzentrationslager Oranienburg Hans Bredows Telegramm an Hindenburg und Hitler

Zum Text

...s Ansinnen, daß dergleichen nur gegen die Einkerkerung der Männer des Rundfunks aufstehe, jener Flesch und Braun, gegen die sich hinterdrein der Verdacht des...

Absatz 25

Registereintrag

Das Horst-Wessel-Lied

Das Horst-Wessel-Lied, eigentlich Die Fahne hoch, ist benannt nach dem Verfasser des Textes, einem SA-Sturmführer in Berlin-Friedrichshain. Die Melodie basiert auf einem Berliner Gassenhauer. Es war am 23. September 1929 zuerst in Goebbels’ Angriff veröffentlicht worden, nach Wessels Ermordung im Zuge einer privaten Auseinandersetzung wurde es auf der ersten Seite des Völkischen Beobachter vom 1. März 1930 abgedruckt; Wessel wurde zum Märtyrer der Nationalsozialistischen Bewegung stilisiert. Im selben Jahr wurde das Horst-Wessel-Lied zur Parteihymne erklärt und galt als „der Bewegung erster und einziger Choral“ – so etwa die Zeitschrift Der Ostdeutsche Sturmtupp 1934. Im Juli 1933 berichtete die Presse von einem Rundschreiben Fricks, das zum Lied den Hitler-Gruß vorschrieb.

Quellen

Enzyklopädie des Nationalsozialismus. Hg. v. Wolfgang Benz, Hermann Graml u. Hermann Weiß. 5., akt. u. erw. Aufl. München: Deutscher Taschenbuch Verlag 2007, darin: Hermann Weiß: Eintrag „Horst-Wessel-Lied“, S. 572
Cornelia Schmitz-Berning: Vokabular des Nationalsozialismus. Berlin u. New York: de Gruyter 1998, darin: Eintrag „Horst-Wessel-Lied“, S. 314

Links

ANNO: Neue Freie Presse vom 15. 7. 1933

Zum Text

...ollen. Aber man hat immerhin für Bayreuth angeordnet, auf das Horst Wessel-Lied zu verzichten, das ja doch auch unvereinbar wäre mit einer Gesinnung, die zu ...

Absatz 18

...recke⁠ ⁠!« Oder selbst nur als Verordnung der Gauleiter, beim Horst Wessel-Lied »während des ersten und vierten Verses den rechten Arm zu erheben«, weil sons...

Absatz 19

..., leuchtest mir zum frühen Tod«. Feuer an Fußsohlen bewirkt, daß »Horst Wessel« angestimmt wird. Neben den vaterländischen Gesängen werden Schlagermelodien g...

Absatz 48

... dem Land Gerhart Hauptmanns, der nicht mehr schweigt, sondern für Horst Wessel einen Prolog geschaffen hat. Welchen Gebrauch macht aber Europa von der Kenn...

Absatz 48

...die Meldungen verbreitet, daß Amerikaner, nicht ahnend, daß man zu Horst Wessel aufzustehn und vor Fahnen zu müllern hat, niedergetrampelt wurden. Dann der R...

Absatz 59

... Hals, da stand, sie sei ein schamloses Frauenzimmer, weil sie bei Horst Wessel sitzen geblieben. Die Bevölkerung ist von den Idealen begeistert, aber schwe...

Absatz 59

... Form beizubehalten und nur durch wiederholtes Absingen des Horst Wessel-Liedes aufzufrischen. Bezüglich der Darsteller wurde verordnet, daß »der Christus nu...

Absatz 59

Registereintrag

Friedrich Nietzsche und der Nationalsozialismus

Die Vereinnahmung des Werks Friedrich Nietzsches durch den Nationalsozialismus ist insbesondere auf das „Nietzsche-Archiv“ zurückzuführen. Dessen Leiterin, Nietzsches Schwester Elisabeth Förster-Nietzsche, ‚vermarktete‘ seine Schriften in einem weltanschaulichen bzw. politischen Sinn und lenkte die vom Archiv ausgehenden Vorgaben für die Interpretation des Werks in eine nationalistische bzw. faschistische Richtung; darüber hinaus bekundeten sie und die im Archiv beschäftigten Personen in den 1930er- und 1940er-Jahren offen ihre Sympathie für Hitler und Mussolini. Die Rezeption Nietzsches durch die Nationalsozialisten war kein auf Sachkenntnis beruhender Prozess, sondern eine oberflächliche und das Werk verfälschende Instrumentalisierung. Des Weiteren waren bestimmte Konzepte Nietzsches mit der NS-Ideologie eigentlich unvereinbar – so stehe etwa Nietzsches Konzept der Individualität im Widerspruch zur nationalsozialistischen Rassenideologie.

Quellen

Hans-Martin Gerlach: Aspekte der Rezeption und Wirkung – Politik (Faschismus, Nationalsozialismus, Sozialdemokratie, Marxismus). In: Nietzsche-Handbuch. Leben – Werk – Wirkung. Hg. v. Henning Ottmann. Sonderausgabe. Stuttgart: J.B. Metzler u. Carl Ernst Poeschel Verlag 2000/2011, S. 499–509, S. 499–504
David Marc Hoffmann: Aspekte der Rezeption und Wirkung – Geschichte des Nietzsche-Archivs. In: Nietzsche-Handbuch. Leben – Werk – Wirkung. Hg. v. Henning Ottmann. Sonderausgabe. Stuttgart: J.B. Metzler u. Carl Ernst Poeschel Verlag 2000/2011, S. 440–443, S. 442

Zum Text

... bin ich auf der Spur,Ich horchte zu, es hieß⁠ ⁠: Natur⁠ ⁠! Natur⁠ ⁠! Nietzsche⁠ ⁠? Nicht doch, doch nicht⁠ ⁠! Er wäre, trotz aller Schwankung zwischen den K...

Absatz 18

...daß der Mensch etwas ist, das überwunden werden soll, wenig hellenische Freude. Denn was der Affe für den Menschen ist und der Mensch für den Übermenschen se...

Absatz 18

... der für Abirrungen untergeordneter Organe nicht verantwortlich zu machen wäre, in dem Verhalten jener Gewalthaber, die ihr Wort, und jener Worthaber, die ih...

Absatz 18

...ößere Fahrlässigkeit, daß man ihn auf die geistige Verwandtschaft mit Nietzsche aufmerksam gemacht hat, ja geradezu ein faux pas, ihn im Weimarer Kreise nebe...

Absatz 18

...enen hinter den Großrabbiner von Australien setzte. Mit Nietzsche ist’s nichts. Geeigneter zur philosophischen Stützung dürfte schon der zweite sein, dem ich...

Absatz 18

...n seiner Darstellung« dieselben seien wie bei Fichte, Burckhardt und Nietzsche, nicht ohne auch an Hegel anzuknüpfen, vor allem aber an die eigene »fanatisch...

Absatz 30

Registereintrag

Oswald Spengler und der Nationalsozialismus

Oswald Spengler favorisierte einen autoritär regierten preußischen Staat (siehe die Schrift Preußentum und Sozialismus) und somit eine antidemokratische und antiparlamentarische Regierungsform. Trotz der antisemitischen Passagen im 1922 erschienenen zweiten Band von Untergang des Abendlandes wird Spengler jedoch eine ablehnende Einstellung zur völkischen Bewegung und zu dem damit verbundenen „rassenbiologischen“ Antisemitismus zugesprochen. Die Autorschaft bei der Zeitschrift Deutsches Volkstum lehnte er 1923 ebenso ab wie 1925 die Mitarbeit an den Nationalsozialistischen Monatsheften. 1933 kam er dem Angebot Goebbels, eine Rundfunkrede zu halten, sowie dem einer Professur in Leipzig nicht nach. Während der Wagner-Festspiele im Juli 1933 kam es zum einzigen persönlichen Treffen zwischen Spengler und Hitler. Im selben Jahr erschien die Schrift Jahre der Entscheidung: Der darin formulierten Kritik am Nationalsozialismus, der ein Lob des italienischen Faschismus gegenüberstand, folgte eine Kampagne gegen Spengler in der nationalsozialistischen Presse.

Quellen

Deutsches Historisches Museum, Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland u. Bundesarchiv (Hg.): LEMO – Lebendiges Museum Online. [Relaunch 2014]. URL: https://www.dhm.de/lemo, darin: Daniel Wosnitzka: Eintrag „Oswald Spengler 1880–1936“. 2014. URL: https://www.dhm.de/lemo/biografie/oswald-spengler.html
Wolfgang Benz (Hg.): Handbuch des Antisemitismus. Judenfeindschaft in Geschichte und Gegenwart. Band 2/2. Personen L – Z. Berlin: de Gruyter u. Saur 2009, darin: Ulrich Wyrwa: Eintrag „Spengler, Oswald“, S. 784–786

Zum Text

...en Stützung dürfte schon der zweite sein, dem ich auf der Spur bin⁠ ⁠: Spengler, der da gemeint hat, es gebe »dem Typus Mensch einen hohen Rang, daß er ein R...

Absatz 18

...ispiel ist. Von den Lebenden taugt sonst keiner⁠ ⁠; Spengler wäre der Richtige. Leider soll auch er enttäuscht haben, da er zwischen »Rasse, die man hat« und...

Absatz 18

Registereintrag

Oswald Spengler und der Nationalsozialismus

Quellen

Deutsches Historisches Museum, Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland u. Bundesarchiv (Hg.): LEMO – Lebendiges Museum Online. [Relaunch 2014]. URL: https://www.dhm.de/lemo, darin: Daniel Wosnitzka: Eintrag „Oswald Spengler 1880–1936“. 2014. URL: https://www.dhm.de/lemo/biografie/oswald-spengler.html
Wolfgang Benz (Hg.): Handbuch des Antisemitismus. Judenfeindschaft in Geschichte und Gegenwart. Band 2/2. Personen L – Z. Berlin: de Gruyter u. Saur 2009, darin: Ulrich Wyrwa: Eintrag „Spengler, Oswald“, S. 784–786

Zum Text

...en Stützung dürfte schon der zweite sein, dem ich auf der Spur bin⁠ ⁠: Spengler, der da gemeint hat, es gebe »dem Typus Mensch einen hohen Rang, daß er ein R...

Absatz 18

...ispiel ist. Von den Lebenden taugt sonst keiner⁠ ⁠; Spengler wäre der Richtige. Leider soll auch er enttäuscht haben, da er zwischen »Rasse, die man hat« und...

Absatz 18

Registereintrag

Der „Stahlhelm“ nach der Machtergreifung

Waren sich die paramilitärische Frontkämpfervereinigung „Stahlhelm“ und die SA zwar grundsätzlich einig, was ihre politischen Feindbilder anging, unterschieden sie sich doch deutlich hinsichtlich der Schichtzugehörigkeit ihrer Mitglieder sowie der Rolle der jüngeren Generation in der jeweiligen Formation. Die vom „Stahlhelm“ als ‚plebejisch‘ wahrgenommene SA zog mit ihrem Aktivismus die jüngeren „Stahlhelm“-Mitglieder an, die in ihrer Vereinigung strukturell benachteiligt waren. Nach der ‚Machtergreifung‘ rekrutierte sich Görings Hilfspolizei in Preußen auch aus „Stahlhelm“-Mitgliedern. Trotz demonstrativer Einigkeit nach der ‚Machtergreifung‘ kam es auch – namentlich in Braunschweig – zu schweren Zusammenstößen zwischen den beiden paramilitärischen Formationen. „Stahlhelm“-Führer Franz Seldte, der seit Ende Jänner auch Reichsarbeitsminister war, trat am 27. April der NSDAP bei; schrittweise erfolgte nun die Eingliederung des „Stahlhelm“ in die SA. Ab Juni 1933 wurden die „Jungstahlhelmer“ in die SA, der „Stahlhelm“-Jugendverband „Scharnhorst“ in die HJ eingegliedert; nach der Neuorganisation der SA Anfang November wurde der „Stahlhelm“ je nach Alter auf die „aktive“ SA oder in die Reserve I und II aufgeteilt. Der verbliebene „Stahlhelm“ wurde im März des Folgejahres in „Nationalsozialistischer Deutscher Frontkämpferbund“ umbenannt.

Quellen

Michael Grüttner: Gebhardt. Handbuch der deutschen Geschichte. Bd. 19: Das Dritte Reich 1933–1939. 10., völlig neu bearb. Aufl. Hg. v. Wolfgang Benz. Stuttgart: Klett-Cotta 2014, S. 50
Anke Hoffstadt: Eine Frage der Ehre – Zur ‚Beziehungsgeschichte‘ von „Stahlhelm. Bund der Frontsoldaten“ und SA. In: Bürgerkriegsarmee. Forschungen zur nationalsozialistischen Sturmabteilung (SA). Hg. v. Yves Müller u. Reiner Zilkenat. Frankfurt am Main: Peter Lang 2013, S. 267–296, S. 267–268
Daniel Siemens: Sturmabteilung. Die Geschichte der SA. Übers. v. Karl Heinz Siber. München: Siedler 2019, S. 208–209, S. 209–210

Ereignisse

Zusammenstoß zwischen „Stahlhelm“ und SA/SS in Braunschweig Festnahme eines Stahlhelmführers Seldtes Huldigung

Zum Text

... den Weltschliff zu besorgen hat. Und ganz und gar dem Pech eines »Stahlhelms«, unter dem heute, wie in allen Erscheinungen des Staatswesens, schon verkappte...

Absatz 21

...helmer, die neben den tapferen SA. und SS. einst wacker genannt werden konnten, dermaßen geändert, daß einer ihrer Kreisgruppenführer wegen Mangels an Takt i...

Absatz 63

...n geht’s dreckig, erklärt Goebbels, drinnen drunter und drüber. Seldte huldigt, Hugenberg ward vom Teufel geholt, Papen soll sich als Herrenreiter produziere...

Absatz 63

Registereintrag

Das „Maß Billingers“

„Und wenn noch frommer Glaube in Blutrausch, Inbrunst in Brunst umschlägt, dann ist kein Zweifel mehr, daß wieder einmal die Dämonen des Innviertels losgelassen sind und Billinger ein neues Stück hat. […] Man ahnt ja nicht, welchen Ruch die Gegend zwischen Ried und Schärding dampft, die man immer nur in Glast gehüllt wähnte.“ – So glossiert Kraus 1932 in der Fackel die Berichterstattung anlässlich der Uraufführung von Billingers Zweiakter Das Verlöbnis in München (F 876, 47). Billingers Theaterstücke mit ihrer mythisch-dämonisch verbrämten Darstellung des Bauerntums und ihrer Betonung von Körperlichkeit und Gewalt (Perchtenspiel, 1928, Rauhnacht, 1931) waren große Erfolge. 1933 gehörte Billinger zu denjenigen österreichischen Autoren, die aus Protest gegen dessen vermeintlich „antideutsche“ Haltung ihren Austritt aus dem österreichischen P.E.N.-Club erklärten; ein nationalsozialistisches Gedicht, das im Völkischen Beobachter unter seinem Namen publiziert wurde, war hingegen tatsächlich die modifizierte Fassung eines Texts von Hugo Sonnenschein. Während der NS-Zeit war er ein literarischer Großverdiener. Er erhielt zahlreiche Preise und Ehrungen, sein Drama Der Gigant (1937) wurde 1942 von Veit Harlan als Die goldene Stadt verfilmt. Dennoch wahrte das offizielle Deutschland eine gewisse Distanz: Seiner Homosexualität wegen war Billinger 1935 mehrere Monate im Konzentrationslager und stand in München vor Gericht. Eine Beteiligung am „Volksbildungswerk“ der Deutschen Arbeitsfront wurde mit Verweis auf seine Homosexualität abgelehnt.

Quellen

Klaus Kastberger: Bewegungslosigkeit als Karriere oder Das Innviertler Originalgenie im Dritten Reich. In: Heimat.Körper.Kunst. Richard Billinger Symposium. Hg. v. Klaus Kastberger u. Daniela Strigl. Linz: StifterHaus 2014, S. 7–16,
Karl Müller: Probleme männlicher Identität bei Richard Billinger. Homosexualität und Literatur während der NS-Zeit. In: Macht Literatur Krieg. Österreichische Literatur im Nationalsozialismus. Unter Mitarb. v. Helga Mitterbauer hg. v. Uwe Baur, Karin Gradwohl-Schlacher u. Sabine Fuchs. Wien, Köln u. Weimar: Böhlau 1998 (= Fazit. Ergebnisse aus germanistischer und komparatistischer Literaturwissenschaft, Bd. 2), S. 246–273,
Edith Rabenstein: Richard Billinger – Ambivalenzen eines Künstlerlebens in der NS-Diktatur. In: Heimat.Körper.Kunst. Richard Billinger Symposium. Hg. v. Klaus Kastberger u. Daniela Strigl. Linz: StifterHaus 2014, S. 93–101,

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Von wem ist die Rede?, in: Die Fackel Nr. 876-884 von Mitte Oktober 1932

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...e Wiederbesinnung auf die Urinstinkte vielleicht zu sehr auf das Maß Billingers einschränkt. Es ist nicht wahr, daß sich die deutsche Seele am Kämpferischen ...

Absatz 17

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Hunger in Deutschland

Auf einen schnellen Sieg rechnend, hatte Deutschland 1914 nur militärisch, nicht jedoch wirtschaftlich mobilisiert. Der Landwirtschaft fehlten Arbeitskräfte, Pferde, Düngemittel sowie Möglichkeiten der Wartung und des Ersatzes landwirtschaftlicher Maschinen; dazu kamen in den Jahren 1916 und 1917 ungewöhnlich schlechte Ernten. Durch die englische Seeblockade war Deutschland zudem von wichtigen Importen abgeschnitten. Folge war eine katastrophale Unterversorgung der Bevölkerung. Staatliche Eingriffe wie Rationierungen und Höchstpreisverordnungen blieben erfolglos. Das Ausbleiben von Kartoffellieferungen hatte 1916/1917 den sogenannten „Steckrübenwinter“ zu Folge. Schon ab 1915 kam es vielfach zu Hungerunruhen und Massenprotesten. Die Sterblichkeitsrate – vor allem bei Kindern – stieg deutlich an. Insgesamt wird von 750.000 direkten oder indirekten Opfern des Hungers in Deutschland während des ersten Weltkriegs ausgegangen. Auch in der Weimarer Republik herrschte vielfach Hunger – in den Anfangsjahren ebenso wie in den Jahren der Hyperinflation, als die Ernährung der Stadtbevölkerung gefährdet war, sowie während der Wirtschaftskrise. Schulärztliche Untersuchungen ergaben, dass der Gesundheitszustand der Kinder im Jahr 1932 wieder so schlecht war wie im Ersten Weltkrieg.

Quellen

Ursula Büttner: Weimar – die überforderte Republik 1918–1933. In: Gebhardt. Handbuch der deutschen Geschichte. Bd. 18. 10., völlig neu bearb. Aufl. Stuttgart: Klett-Cotta 2010, S. 173–712, S. 401, S. 645f.
Deutsches Historisches Museum, Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland u. Bundesarchiv (Hg.): LEMO – Lebendiges Museum Online. [Relaunch 2014]. URL: https://www.dhm.de/lemo, darin: Burkhard Asmuss: Eintrag „Die Lebensmittelversorgung“. 2011. URL: https://www.dhm.de/lemo/kapitel/erster-weltkrieg/alltagsleben/lebensmittelversorgung.html
Wolfgang J. Mommsen: Gebhardt. Handbuch der deutschen Geschichte. Bd. 17: Die Urkatastrophe Deutschlands. Der Erste Weltkrieg 1914–1918. 10., völlig neu bearb. Aufl. Stuttgart: Klett-Cotta 2002, S. 92–96

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...e zuvor die Lebensnot einer Gemeinschaft, selbst nicht Panik des Hungersterbens ausgerast hat, vermöge der Besonderheit nur von einem übersinnlichen Punkt er...

Absatz 18

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Der Verband nationaldeutscher Juden

Der deutschnational, antizionistisch und assimilatorisch eingestellte Verband nationaldeutscher Juden war von Anfang an um ein Naheverhältnis zum NS-Regime bemüht. Nach der Machtübernahme versuchte er erfolglos eine Annäherung an den „Stahlhelm“ (der seit 1924 einen Arierparagraphen hatte); vor der Wahl im März 1933 veröffentlichte er einen Wahlaufruf zugunsten der Nationalsozialisten. Er übernahm in seinen Publikationen die NS-Diktion, unterstrich seine Loyalität dem Führer gegenüber und vertrat den Assimilationsgedanken noch radikaler als bisher. Angesichts der antisemitischen Ausschreitungen, so sein Standpunkt, sei Nachsicht angebracht. Der ausländischen Berichterstattung über diese Ausschreitungen trat der Verband durch die Richtigstellung von Übertreibungen und Falschmeldungen entgegen, eigene Beschwerden wurden nicht öffentlich, sondern nur amtlichen Stellen mitgeteilt; zudem beteiligte er sich an der Publikation von Jakow Trachtenbergs Band Die Greuelpropaganda ist eine Lügenpropaganda. Laufend bemühte er sich um Kontakt zu Führungspersönlichkeiten des Regimes; vor dem Judenboykott am 1. April suchte der Vorsitzende Max Naumann um Audienzen sowohl bei Hitler als auch bei Hindenburg an. Im Sommer 1933 reorganisierte er sich nach dem „Führerprinzip“. Sämtliche Bemühungen des Verbands nationaldeutscher Juden fußten auf einer krassen Fehleinschätzung des nationalsozialistischen Antisemitismus und blieben erfolglos, hingegen war der Verband immer wieder der deutschen Auslandspropaganda nützlich. Im November 1935 wurde er als eine der ersten deutsch-jüdischen Organisationen verboten. Naumann wurde am selben Tag in Schutzhaft genommen, woraufhin er einen Suizidversuch beging.

Quellen

Matthias Hambrock: Die Etablierung der Außenseiter. Der Verband nationaldeutscher Juden 1921–1935. Köln, Wien u. Weimar: Böhlau 2003, S. 567–604, S. 684–692

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... wie den eigenen Belangen einer verkehrten Lesart⁠ ⁠: »nationaldeutsche« Juden, und sie haben gleich mehrsprachig ein ganzes Buch unter dem Titel Die Greuelp...

Absatz 22

...rhalten empfiehlt da der »geschäftsführende Vorstand« der Nationaldeutschen⁠ ⁠? Wir dürfen uns dadurch, daß wir heute von unseren deutschen Volksgenossen nic...

Absatz 22

Registereintrag

Dollfuß’ Kampf gegen den „Anschluss“

1933/1934 versuchte Dollfuß mehrmals, über den Verhandlungsweg einen Ausgleich der deutsch-österreichischen Interessen herzustellen, was jedoch nicht zuletzt an der Unvereinbarkeit der Standpunkte – Deutschland forderte eine nationalsozialistische Regierungsbeteiligung, Österreich beharrte auf seine Unabhängigkeit – scheiterte. Dollfuß’ Bestrebungen, sich einerseits bei den Westmächten beziehungsweise dem Völkerbund, andererseits bei Italien Unterstützung zu holen, waren nur bedingt erfolgreich. 1934 litt zudem Österreichs internationales Ansehen durch das Vorgehen gegen die Sozialdemokratie im Zuge der ‚Februarkämpfe‘. 1935, als Italien Abessinien überfiel, vertiefte sich die österreichische Isolation, weil es sich den Sanktionen gegen Italien nicht anschließen konnte – zu sehr war man auf den südlichen Nachbarn angewiesen. Mussolini, der das österreichische System nach italienischem Vorbild umformen wollte, hatte nicht nur schon lange die Heimwehren gefördert, sondern sich auch als Unterstützer Dollfuß’ und Schutzmacht gegen Deutschland geriert – im Austausch für massiven innenpolitischen Einfluss. Beispielhaft ist ein Treffen im August 1933 in Riccione, dessen direkte Konsequenz Dollfuß’ sogenannte Trabrennplatzrede im Folgemonat war. Dementsprechend hatte Italien auch kein Interesse am Engagement anderer Länder für Österreich.

Bei der Londoner Weltwirtschaftskonferenz im Juni 1933 fand Dollfuß’ Eintreten für Österreichs Unabhängigkeit allgemein sehr positives Echo. Einem akkordierten diplomatischen Auftreten der Mächte England, Frankreich und Italien – einer gemeinsamen Demarche in Berlin – kam Italien jedoch zuvor, indem es am 31. Juli in Berlin freundschaftlichen Protest bezüglich der Terrorakte, Fliegerraids und Rundfunkpropaganda gegen Österreich deponierte. Die daraufhin gegebenen Zusicherungen Deutschlands wurden am 9. August in der italienischen Presse gedruckt; noch am selben Tag hielt Habicht eine weitere Radioansprache gegen Österreich.

Quellen

Dieter Anton Binder: Dollfuß und Hitler. Über die Außenpolitik des autoritären Ständestaates in den Jahren 1933/34. Graz: dbv-Verlag für die Technische Universität Graz 1979 (= Dissertationen der Universität Graz, Bd. 43), S. 136–140
Emmerich Tálos: Das austrofaschistische Herrschaftssystem. Österreich 1933–1938. Wien: Lit-Verlag 2013, S. 40–57, S. 490–502

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... weil es mit Recht will, daß noch mehr Österreicher nicht angeschlossen werden.) Benn aber, der zu wissen scheint, daß eine Geburt wie aller Anfang schwer se...

Absatz 19

...t der Luftfahrt beigetragen hat, woraus sich die angebliche Demarche der Mächte erklärt. Daß die Unabhängigkeit Österreichs gesichert werden muß — erklärt da...

Absatz 44

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Otto Bauer und der „Anschluss“

Von Beginn der Ersten Republik an trat die sozialdemokratische Führung für den ‚Anschluss‘ an das Deutsche Reich ein; als Staatssekretär für Äußeres war dies 1918/1919 das wichtigste Thema Otto Bauers. Hauptargumente dafür waren wirtschaftlicher – die Lebensfähigkeit Österreichs sei nur durch den Anschluss an einen größeren Wirtschaftsraum möglich – sowie politischer Natur: Der Sozialismus sei nur in einem Land mit großer Industrie – und daher am besten im Verein mit Deutschland und der deutschen Arbeiterschaft – zu verwirklichen. 1933 wurde der ‚Anschluss‘ aus dem Parteiprogramm gestrichen, den Antrag dazu brachte Bauer selbst am 9. Oktober ein. In einem Leitartikel der Arbeiter-Zeitung vom 31. Juli 1932 war anlässlich des NSDAP-Wahlerfolgs in Deutschland zwar von der ‚Abriegelung‘ Österreichs gegen die „braune Pest“ die Rede gewesen – zugleich jedoch noch von der „Schicksalsgemeinschaft“ der deutschen und österreichischen Arbeiterklasse. Kraus, zuerst Skeptiker, dann Gegner des ‚Anschlusswunsches‘, attackierte diesen Artikel in Hüben und Drüben; das ‚Anschlussverbot‘ bezeichnete er dort als einen der wenigen positiven Aspekte der Friedensbedingungen nach dem Krieg (F 876, 10f.).

Quellen

Ernst Hanisch: Der große Illusionist. Otto Bauer (1881–1938). Wien, Köln u. Weimar: Böhlau 2011, S. 157–159, S. 289
Edward Timms: Karl Kraus. Apocalyptic Satirist. The Post-War Crisis and the Rise of the Swastika. New Haven u. London: Yale University Press 2005, S. 455–460

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...endlich, obschon mit Vorbehalt des Traumes von »Großdeutschland«, zu verzichten — so glaubhaft auch, einzig unter allem glaubhaft, die Beruhigung wirken mag⁠...

Absatz 52

...acht, wie man dort zu sagen pflegt, wohin ihre Sehnsucht so lange tendiert hat. ...

Absatz 52

Registereintrag

Die Hilfspolizei

Unter dem Vorwand der Bedrohung der öffentlichen Sicherheit durch kommunistische Umsturzbestrebungen stellte Göring am 22. Februar 1933 in Preußen eine Hilfspolizei zur Unterstützung der regulären Polizeikräfte auf. Rekrutiert wurden die 50.000 Hilfspolizisten aus SA, SS und „Stahlhelm“. Die anderen deutschen Länder zogen nach erfolgter Gleichschaltung schnell nach. Die sehr hohen Kosten wurden vom Reich übernommen; Reichsinnenminister Fricks Ankündigung, ab Mitte August keine Mittel mehr zur Verfügung zu stellen, bedeutete das Ende der Hilfspolizei (mit Ausnahme von Württemberg, wo sie bis Ende 1933 weiterbestand). Das Verhältnis zwischen regulärer und Hilfspolizei war schwierig, Misstrauen und Vorbehalte aufgrund früherer Auseinandersetzungen kamen von Seiten der NSDAP-Verbände sowie von Seiten der Polizei: Sie scheiterte daran, die nun zu Hilfspolizisten erhobenen und ihr damit formal unterstellten SA-Mitglieder zu kontrollieren, die weiterhin brutal gegen politische Gegner vorgingen. Die deutschsprachige Presse meldete bald Bedenken von Seiten des Auslandes: Die Gründung der Hilfspolizei sei mit dem Versailler Vertrag unvereinbar und verstoße etwa gegen die dort festgelegte Obergrenze der deutschen Streitmächte.

Quellen

Florian Dierl: Die Ordnungspolizei. In: Ordnung und Vernichtung. Die Polizei im NS-Staat [Ausstellungskatalog]. Hg. v. d. Deutschen Hochschule der Polizei u. a. Dresden: Sandstein 2011, S. 30–41, S. 33
Antonio Vera: Von der ‚Polizei der Demokratie‘ zum ‚Glied und Werkzeug der nationalsozialistischen Gemeinschaft‘. Die Polizei als Instrument staatlicher Herrschaft im Deutschland der Zwischenkriegszeit (1918 –1939). Baden-Baden: Nomos 2019, S. 447
Friedrich Wilhelm: Die Polizei im NS-Staat. Die Geschichte ihrer Organisation im Überblick. Paderborn u. a.: Schöningh 1997 (= Sammlung Schöningh zur Geschichte und Gegenwart), S. 47–48

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... Nun, das Problem der »Einrechnung der Hilfspolizei« verschwindet wohl vor der Frage, ob nicht mit jedem deutschen Zivilisten das ...

Absatz 21

Registereintrag

Die Hilfspolizei

Quellen

Florian Dierl: Die Ordnungspolizei. In: Ordnung und Vernichtung. Die Polizei im NS-Staat [Ausstellungskatalog]. Hg. v. d. Deutschen Hochschule der Polizei u. a. Dresden: Sandstein 2011, S. 30–41, S. 33
Antonio Vera: Von der ‚Polizei der Demokratie‘ zum ‚Glied und Werkzeug der nationalsozialistischen Gemeinschaft‘. Die Polizei als Instrument staatlicher Herrschaft im Deutschland der Zwischenkriegszeit (1918 –1939). Baden-Baden: Nomos 2019, S. 447
Friedrich Wilhelm: Die Polizei im NS-Staat. Die Geschichte ihrer Organisation im Überblick. Paderborn u. a.: Schöningh 1997 (= Sammlung Schöningh zur Geschichte und Gegenwart), S. 47–48

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... Nun, das Problem der »Einrechnung der Hilfspolizei« verschwindet wohl vor der Frage, ob nicht mit jedem deutschen Zivilisten das ...

Absatz 21

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Der Völkermord an den Armeniern und seine gerichtliche Verfolgung

Während des Ersten Weltkriegs hatte das Osmanische Reich einen der ersten Völkermorde des 20. Jahrhunderts begangen: Eine verheerende Niederlage gegen die Russen war der vorgeblich ‚unzuverlässigen‘ armenischen Minderheit angelastet worden. Im April 1915 wurde die politische und kulturelle Elite der Armenier verhaftet und umgebracht; die Männer der armenischen Bevölkerung wurden außerhalb der Städte hingerichet, Frauen und Kinder nach Alleppo deportiert, mit dem Ziel, möglichst wenige von ihnen lebend dort ankommen zu lassen. Unzählige kamen auf den Märschen durch Massaker, Hunger, Durst und Krankheit ums Leben. Die türkische Regierung bereicherte sich am Eigentum der Armenier. Die Schätzungen hinsichtlich der Opferzahlen liegen zwischen 800.000 und 1,5 Millionen Toten. Noch während des Krieges gab die Entente bekannt, die Verantwortlichen gerichtlich zu verfolgen. Nach Kriegsende überließ Großbritannien die Verhaftungen bald der Türkei selbst, die Verfolgung der Verantwortlichen ging jedoch schleppend voran. Erste Verfahren fanden ab 5. Februar 1919 statt. Als es im Februar und März 1920 erneut zu Massakern an Armeniern kam, wurde Istanbul von den Briten besetzt. Bis November des Jahres waren schließlich 144 Urteile gefällt worden. Eine Schwierigkeit stellte die Auseinandersetzung der Regierung in Istanbul mit der Nationalbewegung Mustafa Kemals in Ankara dar, die gegen die Prozesse opponierte. Als Istanbul von der Nationalbewegung eingenommen wurde, beendete eine von der Nationalregierung am 31. März 1923 gewährte Generalamnestie die gerichtliche Verfolgung des Völkermords an den Armeniern endgültig.

Quellen

Taner Akçam: Armenien und der Völkermord. Die Istanbuler Prozesse und die türkische Nationalbewegung. Hamburg: Hamburger Edition 1996, 100–121
Holger Kremser: Vertreibung und Bevölkerungsaustausch nach dem Ersten Weltkrieg. In: Der Erste Weltkrieg und seine Folgen für das Zusammenleben der Völker in Mittel- und Ostmitteleuropa. Teil 2. Hg. v. Gilbert H. Gornig u. Adrianna A. Michel. Berlin: Duncker & Humblot 2019 (= Staats- und völkerrechtliche Abhandlungen der Studiengruppe für Politik und Völkerrecht, Bd. 33), S. 223–246, S. 223–226

Ereignisse

Der Völkermord an den Armeniern und seine gerichtliche Verfolgung

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...elt, die sich der Armeniergreuel erinnert (gegen welche sie eingreifen konnte), an Torturen Anstoß nimmt, deren Ersinnung weit mehr Phantasie gebraucht hat a...

Absatz 43

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Kraus und Goethes Pandora

Das 1807/1808 entstandene Fragment des Festspiels Pandora wird biographisch auf die Verunsicherungs- und Verlusterfahrungen Goethes während der Kriegsereignisse im Jahr 1806 bezogen. Der erste Teil des Schauspiels (der zweite Teil wurde nie ausgeführt) zeigt Epimetheus, den Gatten der Pandora, und seinen Bruder Prometheus sowie die ihnen zugeordneten Gruppen der Hirten bzw. Schmiede als Vertreter einander entgegenstehender, dabei alleine jeweils dysfunktionaler Lebensentwürfe: Während Prometheus für Tatkraft, Technik und Wehrhaftigkeit steht, vertritt Epimetheus Erinnerung, Sehnsucht und Kontemplation. Die (für den zweiten Teil vorgesehene) Wiederkehr Pandoras sollte die Widersprüche durch die Kunst vereinen. Für Kraus zentrale Motive waren hierbei die Konversion Prometheus’ zu einer kontemplativeren Lebensweise sowie die Macht der Memoria als Korrektiv der Gegenwart (in Bezug auf die Katastrophe des Ersten Weltkriegs). Schon 1917 trug Kraus die Pandora öffentlich vor; 1918 widmet er dem Text ein Gedicht (Die Flamme der Epimeleia, F 474, 85f.) Vielfach wurde ihm die fehlerhafte Wiedergabe des „heiligen“ Textes in verschiedenen Ausgaben Anlass zur Klage (etwa in F 484, 136–138). 1919 (und in den Folgejahren in mehreren Variationen) kontrastierte er den Text mit dem vorherrschenden Militarismus: „Ich glaube, daß eine Untersuchung, wie viel Deutsche die Pandora und wie viele den Roten Kampfflieger von Richthofen gelesen haben, ein Resultat zeitigen würde, das uns nicht gerade berechtigen könnte, uns in Kulturaffären mausig zu machen.“ (F 519, 10) 1932 eröffnete Radio Wien sein Programm zum Goethe-Jahr mit einer Übertragung von Kraus’ Lesung der Pandora.

Quellen

Gerhard Sauder: Festspiele. In: Goethe–Handbuch in vier Bänden. Hg. v. Bernd Witte u. a. Bd. 2: Dramen. Hg. v. Theo Buck. Stuttgart u. Weimar: Metzler 1995, S. 334–340, S. 335–337
Gerald Stieg: Goethe als Maßstab der Ästhetik und Polemik von Karl Kraus. In: Karl Kraus – Ästhetik und Kritik. Beiträge des Kraus-Symposiums Poznań. Hg. v. Stefan H. Kaszyński u. Sigurd Paul Scheichl. München: edition text + kritik 1989, S. 71–81., S. 75–77
Edward Timms: Karl Kraus. Apocalyptic Satirist. The Post-War Crisis and the Rise of the Swastika. New Haven u. London: Yale University Press 2005, S. 380–381
Thomas Traupmann: Radiosendungen. In: Karl Kraus-Handbuch. Leben, Werk, Wirkung. Unter Mitarb. v. Isabel Langkabel u. Johannes Knüchel hg. v. Katharina Prager u. Simon Ganahl. Berlin: Metzler 2022, S. 221–231, S. 227–228

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.... Ich glaube nicht, daß der Dichter etwa eine besondere Beziehung zur »Pandora« unterhält, wenngleich er offenbar eine Faustnatur ist und wohl auch vom Götz ...

Absatz 14

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Kraus und Goethes Pandora

Quellen

Gerhard Sauder: Festspiele. In: Goethe–Handbuch in vier Bänden. Hg. v. Bernd Witte u. a. Bd. 2: Dramen. Hg. v. Theo Buck. Stuttgart u. Weimar: Metzler 1995, S. 334–340, S. 335–337
Gerald Stieg: Goethe als Maßstab der Ästhetik und Polemik von Karl Kraus. In: Karl Kraus – Ästhetik und Kritik. Beiträge des Kraus-Symposiums Poznań. Hg. v. Stefan H. Kaszyński u. Sigurd Paul Scheichl. München: edition text + kritik 1989, S. 71–81., S. 75–77
Edward Timms: Karl Kraus. Apocalyptic Satirist. The Post-War Crisis and the Rise of the Swastika. New Haven u. London: Yale University Press 2005, S. 380–381
Thomas Traupmann: Radiosendungen. In: Karl Kraus-Handbuch. Leben, Werk, Wirkung. Unter Mitarb. v. Isabel Langkabel u. Johannes Knüchel hg. v. Katharina Prager u. Simon Ganahl. Berlin: Metzler 2022, S. 221–231, S. 227–228

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.... Ich glaube nicht, daß der Dichter etwa eine besondere Beziehung zur »Pandora« unterhält, wenngleich er offenbar eine Faustnatur ist und wohl auch vom Götz ...

Absatz 14

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Reparationen

Im Jänner 1921 hatten die Alliierten den Deutschen einen Reparationsplan über 226 Mrd. Goldmark und 12 % der Exportwerte vorgelegt, das deutsche Gegenangebot vom März über 30 Mrd. Goldmark wurde entsprechend als Provokation verstanden. Zwischenzeitlich wurden deutsche Städte besetzt und das Rheinland aus dem deutschen Zollgebiet gelöst. Im Mai stellten die Allierten ein sechstägiges Ultimatum über die Annahme der nunmehr auf 132 Mrd. reduzierten Forderung; Deutschland akzeptierte. Die erste Rate über eine Mrd. wurde fristgerecht bezahlt, schon für die zweite Rate jedoch Zahlungsaufschub erbeten. Weitere Verzögerungen führten zum Einmarsch französischer und belgischer Truppen ins Ruhrgebiet.

Der Dawes-Plan von 1924 verringerte die deutschen Raten der Reparationszahlungen, zugleich erlangten die Alliierten einen gewissen Einfluss etwa auf die Reichsbahn und die Reichsbank; ein eingesetzter ‚Generalagent‘ war unter Rücksicht auf die wirtschaftliche Lage Deutschlands zuständig für die Überweisung – und nötigenfalls Senkung – der Raten; zudem wurde das Ruhrgebiet von französischen Truppen geräumt.

Der im Jänner 1930 angenommene Young-Plan reduzierte die deutschen Leistungen noch einmal, zudem entfielen die internationalen Kontrollen. Die Regelung wurde jedoch durch die Weltwirtschaftskrise hinfällig, auf Vorschlag des amerikanischen Präsidenten Hoover wurden sämtliche Zahlungen für ein Jahr eingestellt. Auf einem Gipfel in Lausanne 1932 wurden die restlichen Reparationsforderungen mit einer Abschlusszahlung von 3 Mrd. Goldmark für erledigt erklärt, auch dieser Restbetrag wurde jedoch nie überwiesen. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte Deutschland seit 1924 erst 11 Mrd. Reichsmark abgeleistet, dazu während der Inflationszeit von beiden Seiten unterschiedlich hoch bewertete Zahlungen und Sachleistungen. Die Reparationsfrage hatte vor allem aufgrund der damit verbundenen Kriegsschuldfrage einen starken Wählerzulauf bei politisch rechtsstehenden Parteien zur Folge gehabt. Sowohl der Dawes-Plan als auch der Young-Plan waren zum Gegenstand wütender Kampagnen geworden. Die im Kampf gegen den Young-Plan mit ‚respektableren‘ rechten Kräften verbundene NSDAP gewann hier politisches Gewicht und wurde in der rechten Presse wohlwollend behandelt. Auch Kraus kritisierte die Reparationszahlungen, jedoch nicht aus außen-, sondern aus innenpolitischen und vielmehr noch aus moralischen Gründen: Die pekuniäre Abgeltung würde weder die tatsächlichen Täter treffen noch der eigentlichen Dimension des Unrechts gerecht werden. In Hüben und Drüben bezeichnet er die Reparationen nicht als „Strafgericht an den Schuldigen“, sondern als „Pfändung ihrer Opfer“ (F 876, 20).

Quellen

Ursula Büttner: Weimar – die überforderte Republik 1918–1933. In: Gebhardt. Handbuch der deutschen Geschichte. Bd. 18. 10., völlig neu bearb. Aufl. Stuttgart: Klett-Cotta 2010, S. 173–712, S. 381–389, S. 567–568, S. 569–574, 602–603

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..., es war keine sichtbare Niederlage mit moralischer Wirkung. Mit »Reparationen« — Rechnungslegung in einem Wahnraum, den auch die andern bezogen — sollte ein...

Absatz 20

...er Lüge, daß noch die reduzierteste Leistung den Staatshaushalt in Ketten lege. Aber in keine geologisch ermeßbare Ferne reicht der Gedanke an die Bedingunge...

Absatz 20

...ltur allein den Anspruch darauf erheben kann⁠ ⁠: Deutschland. 7. Der Dawes-Plan wird mit sofortiger Wirkung aufgehoben und die Deutschland von den sogenannte...

Absatz 39

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Das ‚politische Pensionistendasein‘ der Sozialdemokratie

Die ersten Phasen des Parlamentarismus in der Ersten Republik – die Konstitution der provisorischen Nationalversammlung, die Gründung der Republik und die Zeit der Konzentrationsregierung bis zur Verabschiedung der Bundesverfassung am 1. 10. 1920 – waren primär durch überparteiliche Zusammenarbeit vor dem Hintergrund der schwierigen wirtschaftlichen und außenpolitischen Lage bestimmt. Zu dieser Zeit war die Sozialdemokratie federführend in der Formierung der Republik und tat sich mit der Durchsetzung einer vorbildlichen Sozialgesetzgebung hervor. Die Bildung einer Koalitionsregierung ohne Sozialdemokratie nach den Nationalratswahlen im Oktober 1920 führte jedoch zu einem beträchtlichen Machtverlust auf Bundesebene und zu einer theoretischen Linkswende der Partei. Die nunmehrige Oppositionsrolle war u. a. mitbestimmt durch eine mechanistische Geschichtsauffassung, die das kommende Scheitern des Kapitalismus als sicher ansah. Ein Koalitionsangebot Seipels im Juli 1931 wurde abgelehnt – was als vergebene Chance, das Ende der Demokratie zu verhindern, aber auch als adäquate Reaktion auf Seipels Taktik angesehen wurde: Die Sozialdemokratie wäre gezwungen gewesen, die radikale Sanierungspolitik der Regierung mit zu vertreten und hätte damit an Wählern und Macht verloren.

Quellen

Wolfgang Maderthaner: Die Sozialdemokratie. In: Handbuch des politischen Systems Österreichs. Erste Republik 1918–1933. Hg. v. Emmerich Tálos u. a. Wien: Manz’sche Verlags- und Universitätsbuchhandlung 1995, S. 177–194, S. 189–190
Anton Pelinka: Parlament. In: Handbuch des politischen Systems Österreichs. Erste Republik 1918–1933. Hg. v. Emmerich Tálos u. a. Wien: Manz’sche Verlags- und Universitätsbuchhandlung 1995, S. 59–71, S. 59–63

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...che, die ihm (letzten Endes) die Rettung eines politischen Pensionistendaseins, im eigentlichsten Sinne, verdanken werden⁠ ⁠; die es wissen, aber Pharisäer g...

Absatz 52

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Kraus und der Fremdenverkehr

Schon früh bekundete Kraus seine Abneigung gegen die Bemühungen von offizieller Seite, den österreichischen Tourismus anzukurbeln. Die Fetischisierung des Fremden als Objekt des Fremdenverkehrs stand in seinen Augen im krassen Widerspruch zur eigentlichen Fremdenfeindlichkeit der Wiener und ging Hand in Hand mit der entwürdigenden Verwandlung der Bevölkerung in zudringliche Domestiken. Bei gleichzeitigem Bemühen, Sehenswürdigkeiten herzustellen, verdränge der Fremdenverkehr tatsächliche Kulturwerte. In Pfleget den Fremdenverkehr sieht er 1913 einer Zeit entgegen, in der gereimte Fremdenverkehrswerbung die Lyrik seiner Kindheit verdrängt haben wird (F 372, 16–18), was in den Letzten Tagen der Menschheit wieder aufgenommen wird (I/9, V/23); ebenfalls wird dort die tatsächlich ventilierte Idee thematisiert, die Schauplätze des Krieges als Tourismusattraktionen anzupreisen (V/24), was drei Jahre nach dem Krieg dann von den Basler Nachrichten in die Tat umgesetzt wurde.

Die im September und Oktober 1921 von den Basler Nachrichten veranstalteten und beworbenen „Schlachtfelder-Rundfahrten im Auto“ – unter anderem zum Schauplatz der Schlacht von Verdun – waren Anlass zu Kraus’ Reklamefahrten zur Hölle, einer Textmontage, die eine Welt zeichnet, „in der es keinen Quadratzentimeter Oberfläche gibt, der nicht von Granaten und Inseraten durchwühlt wäre“ (F 577, 98).

Quellen

Maria Giovanna Campobasso: «Pfleget den Fremdenverkehr!» Karl Kraus e la propaganda d’incentivo al turismo. In: Studia theodisca 25 (2018), S. 111–138. DOI: https://doi.org/10.13130/1593-2478/10789,
Edward Timms: Karl Kraus. Apocalyptic Satirist. The Post-War Crisis and the Rise of the Swastika. New Haven u. London: Yale University Press 2005, S. 81–83

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... 1000 Mark-Taxe hergegeben wird, bin ich bereit, den Fremdenverkehr zu bejahen, als wirtschaftliche ultima ratio, als würdigstes Mittel der Staatsweisheit, a...

Absatz 54

...Ausblick als bisher und werden Ihnen (wie bei jenen Schlachtfelder-Rundfahrten) unauslöschliche Eindrücke vermitteln, die immer wieder in Ihnen aufsteigen we...

Absatz 59

Registereintrag

Karl Kraus und Stefan Großmann

Stefan Großmann entging 1933 nur aufgrund seiner schweren Krankheit einer Verhaftung in Deutschland; als Österreicher ausgewiesen, floh er mittellos nach Wien, wo er sich politisch eindeutig (gegen Hauptmann; nach dem Februar 1934 gegen Dollfuß) äußerte und im Jänner 1935 verarmt starb. Die Auseinandersetzung zwischen Kraus und Großmann hatte schon Anfang der 20er Jahre stattgefunden (doch noch 1928 überließ Großmann seinen damals gegen Kraus gerichteten Text Der Papierzwerg Imre Békessy zum Wiederabdruck). Großmann stellte für Kraus dabei den Typus des unredlichen, charakterlosen, ständig zwischen verschiedenen Positionen changierenden Journalisten bzw. Feuilletonisten dar.

Quellen

Helmut Arntzen: Die Funktion der Polemik bei Karl Kraus. In: Karl Kraus in neuer Sicht. Londoner Kraus-Symposium. Hg. v. Sigurd Paul Scheichl u. Edward Timms. München: edition text + kritik 1986 (= Kraus-Hefte, Sonderband 1), S. 46–75, S. 59–60
Bernhard Fetz: Tagebuch einer Beziehung: Wien oder Berlin? Der Feuilletonist Stefan Großmann. In: Wien – Berlin. Mit einem Dossier zu Stefan Großmann. Hg. v. Bernhard Fetz u. Hermann Schlösser. Wien: Paul Zsolnay 2001 (= Profile, Bd. 7), S. 185–200, S. 199–200
Dietmar Goltschnigg (Hg.): Karl Kraus im Urteil literarischer und publizistischer Kritik. Texte und Kontexte, Analysen und Kommentare. Bd. I: 1892–1945. Berlin: Erich Schmidt 2015, S. 58–59
Lexikon deutsch-jüdischer Autoren. Bd. 9: Glas – Grün. Unter Mitarb. v. Gudrun Jäger u. a. hg. v. Archiv Bibliographia Judaica. Red. Leitung Renate Heuer. München: K. G. Saur 2001, darin: Eintrag „Stefan Grossmann“, S. 357–370, hier S. 358
Christina Wesemann-Wittgenstein: Stefan Großmann: Publizist, Theatermacher und Schriftsteller zwischen Wien und Berlin. In: Wien – Berlin. Mit einem Dossier zu Stefan Großmann. Hg. v. Bernhard Fetz u. Hermann Schlösser. Paul Zsolnay: Wien 2001 (= Profile, Bd. 7), S. 158–184, S. 181–193

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...Hauptmann schweigt«, so ist es immer noch besser, als wenn Großmann spricht⁠ ⁠; aber ein Schritt von dem Wege, der ihn mit dem Bereich solcher Offizia verbin...

Absatz 25

Registereintrag

Verfälschende Zitatpraxis

Zum einen gehörte Zuspitzung durch Kürzung oder Hervorhebung zum Handwerk des zitierenden Satirikers; zum anderen wurden im Text der Dritten Walpurgisnacht bzw. der Fackel Nr. 890–905 schon früh (nämlich 1935 von Robert Ungar unter dem Pseudonym „Jaromir“ ) verfälschende Kürzungen durch Kraus festgestellt. Zu den wichtigsten Fällen gehört zweifellos die Kürzung der Erklärung der sozialdemokratischen Partei, sie sei „zu Verhandlungen nicht bereit“, um die darauf folgende Bedingung: „solange das Parlament und die Verfassung ausgeschaltet sind.“ (Die dem von Kraus als positives Gegenbild gegenübergestellte Ansprache Leopold Kunschaks enthält indessen – ebenfalls ausgesparte – deutschtümelnde Elemente. ) Ebenso spitzte Kraus Oscar Pollaks Gegenüberstellung, es gebe zwar „bisher keine Mißhandlungen und keine Konzentrationslager“, dafür aber auch „keine Staatsbürgerfreiheit, kein Parlament, keine Verfassung, keinen Schutz der sozialpolitischen Gesetze“ auf den bloßen Gegensatz von „kein Konzentrationslager“ und „kein Parlament“ zu ; an anderer Stelle unterschlägt er, dass Adolf Schärf nicht bloß über Festnahmen aufgrund von Verordnungen, sondern aufgrund von dezidiert gesetzeswidrigen Verordnungen klagt.

Quellen

J. W. Brügel: Einige Bemerkungen zur „Fackel“ 890–905. In: Kraus-Hefte (1980), H. 14, S. 7–13, S. 287
Eckart Früh: Nicht verhandlungsbereit. In: Kraus-Hefte (1981), H. 17, S. 10,
Simon Ganahl: Karl Kraus und Peter Altenberg. Eine Typologie moderner Haltungen. Konstanz: Konstanz University Press 2015, S. 88–89, S. 89, S. 88
Jaromir [d. i. Robert Ungar]: Letzten Endes. Eine Studie über Karl Kraus. Wien: Moderna [1935], S. 23
Alfred Pfabigan: Karl Kraus und der Sozialismus. Eine politische Biographie. Wien: Europaverlag 1976, S. 350

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...ch werden Tausende von Menschen täglich eingesperrt auf Grund von Verordnungen. Dieselbe Beredsamkeit, der es »gar nicht einfällt, irgendetwas zu unternehmen...

Absatz 56

...ersehen«, daß es — nein, das erriete niemand — daß es »kein Parlament« gibt⁠ ⁠! (Die deutschen Genossen wären vielleicht heute bereit, diesen ...

Absatz 57

... muß ausdrücklich erklären, daß sie zu Verhandlungen nicht bereit ist.So jagte ein Witz den andern, aber ernsthaft wird erkann...

Absatz 57

Registereintrag

Germanisierung slawischer Stämme

Die hier gelisteten Stammesbezeichnungen stellen – nach der damals aktuellsten vollständigen Brockhaus-Auflage (14.) – eine Ansammlung von Über- und Unterbegriffen bzw. Synonymen dar: Die Wilzen und Obotriten seien Teilstämme der Polaben, die früher als Sorben bezeichnet worden seien, die wiederum in ihrer damals aktuellen Bedeutung identisch seien mit den Wenden, als welche früher die Slawen im Ganzen bezeichnet worden seien. Die hier angespielte Darstellung des mittelalterlichen Prozesses der Unterwerfung bzw. Assimilation dieser Stämme durch Deutsche im Zuge der sog. ‚Ostkolonisation‘ diente in der deutschen Geschichtswissenschaft auch ideologischen – nationalistischen, rassistischen und kulturchauvinistischen – Zwecken, in der Zwischenkriegszeit nicht zuletzt zur Untermauerung der revisionistischen Forderungen nach Rückgabe der verlorenen preußischen Gebiete an Deutschland.

Quellen

Gerd Althoff: Die Beurteilung der mittelalterlichen Ostpolitik als Paradigma für zeitgebundene Geschichtsbewertung. In: Die Deutschen und ihr Mittelalter. Themen und Funktionen moderner Geschichtsbilder vom Mittelalter. Hg. v. Gerd Althoff. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1992 (= Ausblicke), S. 147–164, S. 149–161
Brockhaus’ Konversations-Lexikon. 14., vollst. neubearb. Aufl. Neue rev. Jubiläums-Ausg. Bd. 10: K – Lech. Leipzig, Berlin u. Wien: F. A. Brockhaus 1902. Digitalisat auf archive.org: https://archive.org/details/brockhauskonver10leipgoog, darin: Eintrag „Kassuben (Kaschuben)“, S. 218
Brockhaus’ Konversations-Lexikon. 14., vollst. neubearb. Aufl. Neue rev. Jubiläums-Ausg. Bd. 13: Pesa – Ruder. Leipzig, Berlin u. Wien: F. A. Brockhaus 1903. Digitalisat auf archive.org: https://archive.org/details/brockhauskonver08leipgoog, darin: Eintrag „Polaben“, S. 222
Brockhaus’ Konversations-Lexikon. 14., vollst. neubearb. Aufl. Neue rev. Jubiläums-Ausg. Bd. 14: Rudera – Soccus. Leipzig, Berlin u. Wien: F. A. Brockhaus 1903. Digitalisat auf archive.org: https://archive.org/details/bub_gb_dbIOAAAAYAAJ, darin: Eintrag „Slawen“, S. 1036
Brockhaus’ Konversations-Lexikon. 14., vollst. neubearb. Aufl. Neue rev. Jubiläums-Ausg. Bd. 15: Social – Türken. Leipzig, Berlin u. Wien: F. A. Brockhaus 1903. Digitalisat auf archive.org: https://archive.org/details/bub_gb_VlQWAAAAYAAJ, darin: Eintrag „Sorben“, S. 66
Brockhaus’ Konversations-Lexikon. 14., vollst. neubearb. Aufl. Neue rev. Jubiläums-Ausg. Bd. 16: Turkestan – Zz. Leipzig: F. A. Brockhaus 1903. Digitalisat auf archive.org: https://archive.org/details/bub_gb_egUbAAAAYAAJ, darin: Eintrag „Wilzen“, S. 748, darin: Eintrag „Wenden“, S. 620–621
Jörg Hackmann: Deutsche Ostsiedlung. In: Handbuch der völkischen Wissenschaften. Akteure, Netzwerke, Forschungsprogramme. Bd. 2. Hg. v. Michael Fahlbusch, Ingo Haar u. Alexander Pinwinkler unter Mitarb. v. David Hamann. 2., grundlegend erw. u. überarb. Aufl. Berlin u. Boston: Walter de Gruyter 2017, S. 976–997, S. 977–980, S. 950–985

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...en keineswegs gut getan hat, da ihnen ja eben das preußische Geblüt entstammte, das heute so strenge Anforderungen an Rasse stellt. Doch man darf bekanntlich...

Absatz 22

Registereintrag

Die „Gelegenheit 1918“

Zu Kraus’ Vorwurf an die Sozialdemokratie, die „Gelegenheit 1918“ – das revolutionäre Klima nach dem Untergang der Monarchie – nicht zu einem Umsturz der österreichischen Gesellschaftsordnung genutzt zu haben, ist anzumerken, dass Kraus selbst 1918 ein Gegner der radikalen Linken war und die Sozialdemokratie als Möglichkeit wahrnahm, diese im Zaum zu halten. Die extreme Linke, das waren aus Kraus’ Perspektive vor allem die jüngst radikalisierten Schriftsteller, von denen manche gerade noch im Kriegspressequartier gearbeitet hatten und die sich nun aus Opportunismus zu einem lachhaften Revolutionsversuch hinreißen ließen. Den Räterepubliken Ungarn und München stand Kraus zudem sehr kritisch gegenüber. Der Republik Österreich hingegen wünschte er, dass sie „mit den Mitessern der Revolution ein Ende mache“ (F 514, 86).

Quellen

Alfred Pfabigan: Karl Kraus und der Sozialismus. Eine politische Biographie. Wien: Europaverlag 1976, S. 222, S. 242–246
Edward Timms: Karl Kraus. Apocalyptic Satirist. The Post-War Crisis and the Rise of the Swastika. New Haven u. London: Yale University Press 2005, S. 229–231
Florian Wenninger: Genosse ex negativo? Hypothesen zum Verhältnis von Karl Kraus und der österreichischen Sozialdemokratie. In: Geist versus Zeitgeist. Karl Kraus in der Ersten Republik. Hg. v. Katharina Prager. Wien: Metroverlag 2018, S. 60–79, S. 69
Norbert Christian Wolf: Revolution in Wien. Die literarische Intelligenz im politischen Umbruch 1918/19. Wien, Köln u. Weimar: Böhlau 2018, S. 288–289

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...ein Wert zu sichern⁠ ⁠: die Einsicht, daß nun einmal, weil die Gelegenheit 1918 verpfuscht ist⁠ ⁠; weil die Sozialdemokratie den Frieden verloren hat und ebe...

Absatz 52

Registereintrag

Die „Gelegenheit 1918“

Quellen

Alfred Pfabigan: Karl Kraus und der Sozialismus. Eine politische Biographie. Wien: Europaverlag 1976, S. 222, S. 242–246
Edward Timms: Karl Kraus. Apocalyptic Satirist. The Post-War Crisis and the Rise of the Swastika. New Haven u. London: Yale University Press 2005, S. 229–231
Florian Wenninger: Genosse ex negativo? Hypothesen zum Verhältnis von Karl Kraus und der österreichischen Sozialdemokratie. In: Geist versus Zeitgeist. Karl Kraus in der Ersten Republik. Hg. v. Katharina Prager. Wien: Metroverlag 2018, S. 60–79, S. 69
Norbert Christian Wolf: Revolution in Wien. Die literarische Intelligenz im politischen Umbruch 1918/19. Wien, Köln u. Weimar: Böhlau 2018, S. 288–289

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...ein Wert zu sichern⁠ ⁠: die Einsicht, daß nun einmal, weil die Gelegenheit 1918 verpfuscht ist⁠ ⁠; weil die Sozialdemokratie den Frieden verloren hat und ebe...

Absatz 52

Registereintrag

Zwischen „Theater, Presse und Justiz“ in Berlin

In Berlin hielt Kraus zahlreiche Vorlesungen, nicht zuletzt jedoch verbanden ihn mit der Stadt Ambitionen, in der dortigen Theaterszene Fuß zu fassen. In der ersten Hälfte der 20er Jahre engagierte er sich – auch finanziell – für Berthold Viertels Theaterunternehmen „Die Truppe“ und stellte sich Angriffen von Theaterkritikern auf Viertel entgegen. Mitte der 1920er Jahre vermehrt mit innerösterreichischen Polemiken befasst (gegen Békessy und Schober), wandte Kraus Berlin ab 1928 wieder seine Aufmerksamkeit zu: Nicht nur beobachtete er die Berliner Theaterszene, am 20. Oktober 1929 fand an der Berliner Volksbühne die Premiere seines Dramas Die Unüberwindlichen statt (F 827, 1–41), in dem Kraus sich mit der Verflechtung von Politik, Presse und Finanz auseinandersetzte und deutlich auf Schober, Békessy sowie dessen Geldgeber Camillo Castiglioni verwies. Trotz großen Erfolgs wurde das Stück – auf politischen Druck von österreichischer sowie deutscher Seite – abgesetzt. Kraus beschritt gegen die Berliner Volksbühne den Rechtsweg (F 868, 24f.). Im Jänner 1930 erfolgte zudem eine Aufführung von Kraus’ Die letzte Nacht am Theater am Schiffbauerdamm ; mit den Reaktionen darauf setzte sich Kraus ausführlich in der Mai-Fackel auseinander (F 834, 46–70).

Quellen

Johannes Knüchel u. Isabel Langkabel (Hg.): Karl Kraus: Rechtsakten der Kanzlei Oskar Samek. Wissenschaftliche Edition. Auf Grundlage der Vorarbeiten Katharina Pragers, unter Mitarb. v. Laura Untner u. a. 2022. URL: https://www.kraus.wienbibliothek.at, darin: Akte 136 Karl Kraus ca. Volksbühne Berlin. URL: https://www.kraus.wienbibliothek.at/legalkraus-app/akten-edition/kultur/theater/objects/189039
Katharina Prager: Berthold Viertel. Eine Biografie der Wiener Moderne. Wien: Böhlau 2018, S. 280
Edward Timms: Karl Kraus. Apocalyptic Satirist. The Post-War Crisis and the Rise of the Swastika. New Haven u. London: Yale University Press 2005, S. 365, S. 365–371, S. 372

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...Berlin zwischen Theater, Presse und Justiz erlebt und schon aufgezeichnet habe, der Nachwelt unverloren, auch der Mitwelt zugänglich werden könnte, ja ich gl...

Absatz 8

Registereintrag

Der Gegner Heine

Während Heinrich Heine – der selbst ab 1831 in Paris im Exil lebte – begreiflicherweise Identifikationsfigur für viele aus Deutschland Vertriebene wurde , war sein Werk in Deutschland ab 1933 geächtet. Zwar ist nicht nachweisbar, dass Heines Werke am 10. Mai unter den verbrannten Büchern waren, Heine tauchte weder davor noch danach auf den ‚schwarzen Listen‘ des Regimes auf – seine Werke fielen erst 1940 unter das Verbot sämtlichen ‚jüdischen Schrifttums‘. Dennoch zogen große Verlage nach der ‚Machtergreifung‘ Heine-Ausgaben aus dem Angebot zurück. NS-Presse sowie Literaturgeschichtsschreibung und -wissenschaft versuchten indes durch Polemik, mehr noch durch Verschweigen, die enorme Popularität des Autors einzugrenzen, die vom Nationalsozialismus als Beweis für die umfassende jüdische Unterwanderung der deutschen Kultur angesehen wurde. In ihrer Argumentation gegen Heine konnten sich die Nationalsozialisten auf viele Jahrzehnte antisemitischer Heine-Polemik stützen. Auch Karl Kraus bediente sich aus diesem Fundus. In der Frühphase seiner Beschäftigung mit Heine (der schon im ersten Fackel-Heft genannt wird) hatte er noch eher die Heine-Gefolgschaft und die damit verbundene Presseberichterstattung im Visier, den ‚Heineismus‘, mit dem sich in seinen Augen Missstände wie Kulturphilistertum und die Vermischung von Kapitalinteressen und Kunst verbanden. Seine großen Texte Um Heine (F 199, 1–6), Heine und die Folgen (F 329, 1–33) und „Die Feinde Goethe und Heine“ (F 406, 52–89) waren sämtlich Reaktionen auf die Behandlung des Autors in der Neuen Freien Presse, einer der Trägerinnen des Heine-Kults; Kraus hingegen bezichtigte Heine, ein ‚Sprachschwindler‘ zu sein, der im Deutschen die Kluft zwischen Form und Inhalt aufgerissen und die ‚Franzosenkrankheit‘ des Feuilletonismus in Deutschland eingeschleppt habe; Kraus argumentierte hier vielfach antisemitisch. Zugleich wurde festgestellt, dass Kraus nach seiner ideologischen Neuausrichtung in den 1910er Jahren sowohl Themen als auch Textsorten („Zeitgedichte“) aus der Heine-Tradition übernahm.

Quellen

Dietmar Goltschnigg: Die Fackel ins wunde Herz. Kraus über Heine. Eine „Erledigung“? Texte, Analysen, Kommentar. Wien: Passagen 2000, S. 17–84
Hartmut Steinecke: Heinrich Heine im Dritten Reich und im Exil. Hg. v. d. Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften. Paderborn: Schöningh 2008 (= Vorträge – Geisteswissenschaften, Bd. 416), S. 45–48, S. 9–36
Edward Timms: Karl Kraus. Apocalyptic Satirist. The Post-War Crisis and the Rise of the Swastika. New Haven u. London: Yale University Press 2005, S. 395

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...ihm zu einem Dummkopf etwas einfällt, solange ein Schwindler vorbildlich wirkt, muß er um die Erhaltung besorgt sein, und man ahnt nicht, wie bange Zeiten da...

Absatz 9

... dem Ausland, welches naturgemäß dazu neigt, jedes Opfer deutscher Proskription mit einem Talent oder doch einem Charakter zu verwechseln. Was diesen betriff...

Absatz 10

...i wird ihr goldenes Haar kämmen, und man wird keines drin finden, das von Heine ist, noch auch die Leichen im ruhigfließenden Rhein. Die Abklärung vollzieht ...

Absatz 17

...nermut, wenn jetzt pünktlich jeder dieser Verbannten sich als Nachfolger Heines, der auch schon kein echter war, empfiehlt, obgleich es gewiß sympathisch ber...

Absatz 25

...e Enthüllung schaden, daß er einst das Judentum und insbesondere Heinrich Heine verherrlicht hat, dem soeben eine Straßentafel in Chemnitz aberkannt wurde mi...

Absatz 32

...es, als ein Deutscher, sein. Sein Vaterland hat ihm trotz der Rasse jenen Heine vorgezogen, der ihn mit der Schmach belud, daß er ihm eine heute normhafte Ar...

Absatz 33

Registereintrag

Der Gegner Heine

Quellen

Dietmar Goltschnigg: Die Fackel ins wunde Herz. Kraus über Heine. Eine „Erledigung“? Texte, Analysen, Kommentar. Wien: Passagen 2000, S. 17–84
Hartmut Steinecke: Heinrich Heine im Dritten Reich und im Exil. Hg. v. d. Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften. Paderborn: Schöningh 2008 (= Vorträge – Geisteswissenschaften, Bd. 416), S. 45–48, S. 9–36
Edward Timms: Karl Kraus. Apocalyptic Satirist. The Post-War Crisis and the Rise of the Swastika. New Haven u. London: Yale University Press 2005, S. 395

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...ihm zu einem Dummkopf etwas einfällt, solange ein Schwindler vorbildlich wirkt, muß er um die Erhaltung besorgt sein, und man ahnt nicht, wie bange Zeiten da...

Absatz 9

... dem Ausland, welches naturgemäß dazu neigt, jedes Opfer deutscher Proskription mit einem Talent oder doch einem Charakter zu verwechseln. Was diesen betriff...

Absatz 10

...i wird ihr goldenes Haar kämmen, und man wird keines drin finden, das von Heine ist, noch auch die Leichen im ruhigfließenden Rhein. Die Abklärung vollzieht ...

Absatz 17

...nermut, wenn jetzt pünktlich jeder dieser Verbannten sich als Nachfolger Heines, der auch schon kein echter war, empfiehlt, obgleich es gewiß sympathisch ber...

Absatz 25

...e Enthüllung schaden, daß er einst das Judentum und insbesondere Heinrich Heine verherrlicht hat, dem soeben eine Straßentafel in Chemnitz aberkannt wurde mi...

Absatz 32

...es, als ein Deutscher, sein. Sein Vaterland hat ihm trotz der Rasse jenen Heine vorgezogen, der ihn mit der Schmach belud, daß er ihm eine heute normhafte Ar...

Absatz 33

Registereintrag

Die drei ‚Lamien‘ Fritsch, Paudler und Haid

Von den drei im Zusammenhang mit Goebbels’ Empfängen genannten Filmstars Willy Fritsch, Maria Paudler und Liane Haid konnte vor allem Willy Fritsch auch unter dem NS-Regime reüssieren. Liane Haid, ehemaliger Stummfilmstar und Leinwanddiva der 20er Jahre, erhielt ab 1934 keine Rollenangebote mehr in Deutschland und emigrierte 1942 in die Schweiz , nachdem sie noch 1938 ein Mietshaus von zur Flucht gezwungenen Juden gekauft hatte. Maria Paudler war vor allem in der zweiten Hälfte der 20er Jahre vielfach in Hauptrollen zu sehen, nach 1931 jedoch immer seltener. Noch 1933 jedoch verschaffte ihr Goebbels selbst ein Engagement. Willy Fritsch feierte nach 1933 zahlreiche Erfolge – auch wenn seine Filme in der NS-Zeit nicht mehr an frühere Leistungen anknüpfen konnten und seine Karriere nach der Emigration seiner langjährigen Filmpartnerin Lilian Harvey 1939 stagnierte. Während der NS-Zeit trat er in 35 Filmen auf, darunter zwei Propagandafilme, und wurde in die ‚Gottbegnadetenliste‘ der für das Regime besonders wichtigen Künstler:innen aufgenommen.

Quellen

Ernst Klee: Das Kulturlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. Überarb. Ausg. Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch 2009, darin: Eintrag „Fritsch, Willy“, S. 150–151
Peter Longerich: Joseph Goebbels. Biographie. München: Siedler 2010, S. 229
Brigitte Stocker: „Großartig hab’n S’ das g’macht Herr Hitler, nur so weiter, toi toi toi!“ – Karl Kraus’ Dritte Walpurgisnacht als historische Quelle für die Gleichschaltung der Theater. In: Theater unter NS-Herrschaft. Theatre under Pressure. Hg. v. Brigitte Dalinger u. Veronika Zangl. Göttingen: V & R unipress 2018, S. 83–95, S. 89–90, FN 26
Kay Weniger: Das große Personenlexikon des Films. Berlin: Schwarzkopf & Schwarzkopf 2001, darin: Eintrag „Liane Haid“, Bd. 3, S. 482–843, darin: Eintrag „Maria Paudler“, Bd. 6, S. 161–162, darin: Eintrag „Willy Fritsch“, Bd. 3, S. 117–118
biografiA. biografische Datenbank und Lexikon österreichischer Frauen. Hg. v. Ilse Korotin. URL: http://www.biografia.at, darin: Karin Nusko: Eintrag „Haid Liane“ (2021)

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...: »Großartig hab’n S’ das g’macht, Herr Hitler, nur so weiter, toi toi toi⁠ ⁠!« Und immer lachend Goebbels unter den Lamien⁠ ⁠: Wi...

Absatz 16

Registereintrag

Kraus und Offenbach

Kraus war seit seiner Jugend mit den Operetten Jacques Offenbachs bekannt, vereinzelt hatten auch schon Offenbach-Melodien den Weg in Kraus’ Werk gefunden. Auf den Gedanken jedoch, Offenbach-Operetten selbst vorzutragen, brachte ihn Sigismund von Radecki. Anliegen der nun von ihm angestoßenen „Offenbach-Renaissance“ war es, einen Kontrapunkt zur gegenwärtigen Aufführungspraxis zu schaffen. Zudem stand das kosmopolitische Werk Offenbachs für Kraus im Kontrast etwa zur patriotischen Musik seiner Gegenwart oder Wagners männlich-militaristischem Heldenpathos. Im antimilitaristischen, antinationalistischen, antiklerikalen, gegen männlichen wie christlich-germanischen Chauvinismus gerichteten Offenbach erkannte Kraus seine eigene Position wieder. Zu einer rechten Störaktion gegen Madame l’Archiduc vermerkte er 1927, es gebe „keine Offenbacharier“ (F 806, 56). Von 1926 an trug Kraus an 123 Abenden Offenbach-Operetten vor, was Offenbachs Werk zum meist vorgetragenen in seinen Vorlesungen macht. Tagesaktuelles ließ Kraus hier meist nur über Zeitstrophen bzw. Extempores einfließen, in zwei Fällen indes hatte der gesamte Vortrag politische Implikationen: Die zehn Aufführungen der Briganten 1928/1929 fanden im Zusammenhang mit Kraus’ Kampagne gegen Johann Schober statt; auf die Nürnberger Rassegesetze von 1935 reagierte Kraus mit dem Vortrag der Kreolin.

Anlässlich von Offenbachs 50. Todestag veranstaltete die Berliner Funkstunde (in Kooperation mit anderen Sendern) einen 15-teiligen Offenbach-Zyklus; elf der ausgestrahlten Operetten fanden unter Kraus’ Wortregie und auf Grundlage seiner Bearbeitungen statt; zudem führte Kraus in einer vom österreichischen Rundfunk unabhängig vom Offenbach-Zyklus ausgestrahlten Inszenierung Regie.

Quellen

Jacques Le Rider: Vorlesungen. In: Karl Kraus-Handbuch. Leben, Werk, Wirkung. Unter Mitarb. v. Isabel Langkabel u. Johannes Knüchel hg. v. Katharina Prager u. Simon Ganahl. Berlin: Metzler 2022, S. 149–162, S. 158
Edward Timms: Karl Kraus. Apocalyptic Satirist. The Post-War Crisis and the Rise of the Swastika. New Haven u. London: Yale University Press 2005, S. 435–436
Thomas Traupmann: Radiosendungen. In: Karl Kraus-Handbuch. Leben, Werk, Wirkung. Unter Mitarb. v. Isabel Langkabel u. Johannes Knüchel hg. v. Katharina Prager u. Simon Ganahl. Berlin: Metzler 2022, S. 221–231, S. 223, S. 223–224
Christian Wagenknecht: Entstehung und Überlieferung. In: Karl Kraus: Schriften. Bd. 13: Theater der Dichtung. Jacques Offenbach. Hg. v. Christian Wagenknecht. Frankfurt am Main: Suhrkamp 1994, S. 411–428, S. 417–418, S. 419, S. 421

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... niemand in Deutschland hat, nicht einmal ich habe eine Agitation für Offenbach zugleich mit lächelnder Ablehnung Wagners betätigt, wiewohl ich bereit bin, H...

Absatz 11

...cken ersetzen wird, das er ihr in zweien durch den Offenbach-Zyklus gewährt hat — eine schönere und wirksamere kulturelle Demonstration hat der deutsche Funk...

Absatz 11

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NS-„Justizreform“

1933 konnte die NSDAP kein geschlossenes Konzept für eine Justizreform vorweisen. Konkrete Eingriffe erklärten sich z. T. aus dem Misstrauen der Partei gegen den Justizapparat der Weimarer Zeit. Dies äußerte sich einerseits in der Einführung der Sondergerichtsbarkeit zur Verfolgung politischer Delikte (März 1933), andererseits in personalpolitischen Eingriffen auf Grundlage u. a. des Berufsbeamtengesetzes, was auch Auswirkungen auf den Personalstand der Justizbeamtenschaft bis hinauf zu Generalstaatsanwälten und Landgerichtspräsidenten hatte. Darüber hinaus war dem Regime vor allem an der Nutzbarmachung der Justiz als Waffe gegen ihre politischen Gegner gelegen, wozu 1933 zahlreiche neue Verordnungen und Gesetze dienten, darunter etwa die Reichstagsbrandverordnung vom 28. Februar oder das Ermächtigungsgesetz vom 23. März, mittels derer zahlreiche Grundrechte aufgehoben wurden und die Macht der Gesetzgebung der Regierung übertragen wurde.

Die sog. Heimtückeverordnung vom 21. März 1933 kriminalisierte jegliche Kritik am Regime und seinen Vertretern sowie den ‚Missbrauch‘ von Uniformen und Abzeichen.

Grundlegend resultierten die Eingriffe des Regimes in die Rechtsordnung – mit der Aufhebung der Bindung des Staates an Gesetze sowie der Aufhebung des Rückwirkungsverbots – in einer Annäherung des deutschen Rechtssystems an den ‚Maßnahmenstaat‘ (Ernst Fraenkel).

Quellen

Michael Grüttner: Gebhardt. Handbuch der deutschen Geschichte. Bd. 19: Das Dritte Reich 1933–1939. 10., völlig neu bearb. Aufl. Hg. v. Wolfgang Benz. Stuttgart: Klett-Cotta 2014, S. 129–135, S. 131, S. 129

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...laubst du von mir⁠ ⁠?« fragt der Täter und verfolgt den Zeugen wegen Propaganda —⁠ ⁠: das ist es, was eine Annäherung des Verstandes an das Problem ohne Hoff...

Absatz 6

...ker dasteht. Denn die Selbstgerechtigkeit funktioniert trotz einer Justizreform⁠ ⁠; und die Kolonialschau ist ein Denkmal, das den Besuchern zuruft⁠ ⁠: Wir v...

Absatz 29

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NS-Indienstnahme deutscher Geistesgrößen

Die Vereinnahmung der hier genannten „deutsche[n] Größen“ der deutschen Klassik bzw. der Aufklärung durch den Nationalsozialismus funktionierte jeweils unterschiedlich gut:

Friedrich Schiller, der „Dichter der Nation“, war schon im Laufe des 19. Jahrhunderts zur Beschwörung der nationalen Einheit vereinnahmt worden; in der Schiller-Begeisterung sublimierte das Bürgertum auch die eigene politische Machtlosigkeit. Die Schiller-Rezeption der Weimarer Zeit fand verstärkt unter konservativ-reaktionären sowie militaristischen Vorzeichen statt, betont wurde das Ideal der Unterwerfung des Einzelnen unter eine Idee bzw. unter einen absoluten Wert. Völkische Lesarten begegneten etwa 1932 in Hans Fabricius’ Schiller als Kampfgenosse Hitlers. Die Indienstnahme Schillers durch die Nationalsozialisten (wie zum Beispiel im Schiller-Jahr 1934) übertraf noch den Schiller-Kult des 19. Jahrhunderts. Das Werk Schillers gehört in der Fackel zu den meistzitierten, wobei jedoch die bürgerliche Rezeption und die betreffende Reduktion Schillers auf aus dem Kontext gerissene Zitate hier vielfach mitreflektiert werden.

Als Vertreter von humanistischen Werten, als Weltbürger und Napoleon-Verehrer, der zudem kein Interesse an den deutschen Befreiungskriegen zeigte, ließ sich Goethe von nationalsozialistischer Seite nicht ohne Weiteres vereinnahmen. Anders verhält es sich mit seinem Faust: Dieser war zum einen Quelle für schlagwortartige, dekontextualisierte Aneignungen; zum anderen wurde er regimekonform als Glorifizierung des ewig unerfüllten Tatmenschen gelesen, als Personifikation des ‚deutschen Wesens‘ (so etwa Rosenberg 1930 in Der Mythus des 20. Jahrhunderts); auch ließ sich etwa die Landgewinnung im zweiten Teil mit Bezug auf deutsche Eroberungsgelüste deuten (so etwa bei Adolf Bartels 1932 in Goethe der Deutsche oder bei Kurt Engelbrecht 1933 in Faust im Braunhemd).

Immanuel Kants Lehre fand im Nationalsozialismus geteilte Resonanz: Einerseits wurde sein Universalismus – etwa von Alfred Rosenberg – als mit dem nationalsozialistischen Weltbild unvereinbar abgelehnt; andererseits diente Kants Philosophie auch hier als prominenter Bezugspunkt: Otto Dietrich etwa sieht in Kants praktischer Philosophie die Überwindung des Individualismus und das Hervortreten der (hier rassisch bzw. völkisch gelesenen) Gemeinschaft begründet; andernorts wird der Kant’sche Pflicht-Begriff nationalsozialistisch vereinnahmt. Auch wurde das ‚Verdienst‘ Kants gewürdigt, verschiedene für die Rassenlehre zentrale Termini präzisiert zu haben.

Quellen

Volker Böhnigk: Kant und der Nationalsozialismus. Einige programmatische Bemerkungen über nationalsozialistische Philosophie. Bonn: Bouvier 2000 (= Bonner philosophische Vorträge und Studien, Bd. 9),
Michael Hofmann: Wirkungsgeschichte. In: Schiller-Handbuch. Leben – Werk – Wirkung. Unter Mitarb. v. Grit Dommes hg. v. Matthias Luserke-Jaqui. Stuttgart: Metzler 2005, S. 561–581, S. 562–576
Kurt Krolop: „Die Berufung auf Schiller wird zur Gänze abgewiesen“ – Schiller-Bezüge der „Dritten Walpurgnisnacht“ im Lichte der „Fackel“. In: Ders.: Sprachsatire als Zeitsatire bei Karl Kraus. 2. Aufl. Berlin: Akademie Verlag 1992, S. 231–251, 245–247
Thomas Zabka: Vom „deutschen Mythus“ zum „Kriegshilfsdienst“: „Faust“-Aneignungen im nationalsozialistischen Deutschland. In: Faust. Annäherung an eine Mythos. Hg. v. Frank Möbus, Friederike Schmidt-Möbus u. Gerd Unverfehrt. Göttingen: Wallstein 1995, S. 313–331, S. 313–318

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...r zu spucken, um sich andere Pläne vorzubehalten. Selbst der Dichter der Nation, deren Erweckung solche Vorsicht eingibt, er wäre es nicht mehr, wenn er heut...

Absatz 1

...isten und Marxisten« beschuldigt, deutsche Größen wie Schiller, Goethe und Kant verhöhnt zu haben, so müssen wir uns kritisch fragen⁠ ⁠: ob die Berechtigung ...

Absatz 11

...ndere Beziehung zur »Pandora« unterhält, wenngleich er offenbar eine Faustnatur ist und wohl auch vom Götz wenigstens das Unentbehrlichste wissen mag. Was ab...

Absatz 14

...ger einer Staatsgewalt, die Greuelmeldungen mit Zuchthaus bestraft. Faustnatur, mag sein⁠ ⁠; doch Übermensch⁠ ⁠? War schon die Einführung Hitlers in die Welt...

Absatz 18

...ndnis gleichfalls zur philosophischen Stütze des Dritten Reiches berufen wurde, sich aber den Imperativ ganz anders gedacht hat als »Juda verrecke⁠ ⁠!« Oder ...

Absatz 19

Registereintrag

Die Ungeduld von Kraus’ Leserschaft

Der Text spielt mehrfach auf diejenigen unter Kraus’ Leserschaft an, die angesichts der Vorgänge des Jahres 1933 eine Stellungnahme erwarteten und offenbar auch schriftlich einforderten – immerhin war seit 1930 auf der ersten Umschlagseite der Fackel zu lesen: „Erscheint vierteljährlich mindestens einmal.“ Ein handschriftlicher Entwurf erwähnt „die beiden Briefe“, die dem Motto der Dritten Walpurgisnacht eventuell hätten vorangestellt werden sollen und die womöglich mit den beiden 1934 in der Fackel Nr. 890 abgedruckten Zusendungen identisch sind. Das vorangegangene Heft der Fackel war schon im Dezember 1932 erschienen, das nun folgende Heft (Nr. 888 vom Oktober 1933) sollte jedoch nur die Grabrede auf Adolf Loos sowie das Gedicht Man frage nicht enthalten. Erst das übernächste Heft Nr. 890–905 enthielt dann zumindest Ausschnitte der Dritten Walpurgisnacht, wenn auch mit Änderungen wie Korrekturen und Aktualisierungen.

Quellen

Joseph Wälzholz: Rückzug? In: Karl Kraus-Handbuch. Leben, Werk, Wirkung. Unter Mitarb. v. Isabel Langkabel u. Johannes Knüchel hg. v. Katharina Prager u. Simon Ganahl. Berlin: Metzler 2022, S. 69–81, S. 80
Christian Wagenknecht: Abbildungen zur Dokumentation. In: Karl Kraus: Schriften. Bd. 12: Dritte Walpurgisnacht. Hg. v. Christian Wagenknecht. 4. Aufl. Frankfurt am Main: Suhrkamp 2016, S. 359–372, S. 362

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... geistigen Mittels zu erweisen. Deshalb sollten die, die eine »Stimme« urgieren, sich bewußt sein, daß sie als Schrei noch aus erstickendem Chaos bestimmt is...

Absatz 1

... Zuspruch von Lesern hinweg, deren freundlicher Wunsch nach einem Lebenszeichen nicht zu Ende gedacht scheint, und denen es keineswegs zu verargen wäre, wenn...

Absatz 3

... aufwiegt⁠ ⁠; von Lesern ermuntert und aufgehalten, die mit guter Meinung und schlechter Sicht im Gebirgssturz ...

Absatz 64

Registereintrag

Die SA nach der ‚Machtergreifung‘

Mehrfach nimmt die Dritte Walpurgisnacht Bezug auf die von der Situation der SA ausgehende Sprengkraft für das Regime und damit auf die Vorgeschichte der Ermordung der SA-Spitze Ende Juni / Anfang Juli 1934 im Zuge des sog. ‚Röhm-Putsches‘ . Während die NS-Führung schon im Sommer 1933 versuchte, die unkontrollierten Ausschreitungen der SA zu unterbinden, verkündete SA-Führer Ernst Röhm seinen nunmehr – nach erfolgter ‚Machtergreifung‘ – ziellosen Anhängern mehrmals und noch bis in den Frühling 1934, die nationalsozialistische Revolution sei noch nicht abgeschlossen. Seinen Vorstellungen entsprechend sollte die SA ein eigenständiger Machtfaktor im NS-Staat werden. Dazu erhöhte er die Mitgliederzahl der SA erheblich (Mitte 1934 betrug sie viereinhalb Millionen), pflegte lukrative Verbindungen mit der Industrie und knüpfte Beziehungen ins Ausland; auch eine Finanzierung der SA aus Reichsmitteln setzte er durch. Um jedoch die Stabilität des neuen Staates nicht zu gefährden, wirkte die Parteispitze Röhms Streben entgegen: Der Einfluss der SA-Kommissare wurde eingedämmt, Röhms Versuch, eine eigene SA-Gerichtsbarkeit durchzusetzen, scheiterte; das Röhm zuerkannte Ministeramt ohne Geschäftsbereich war eher ein Trostpflaster. Letztlich entschied sich Hitler gegen Röhms Vorstellungen eines Milizheeres und im Sinne der Reichswehr für die allgemeine Wehrpflicht; die SA habe nur vor- und untergeordnete Aufgaben in der Wehrhaftmachung zu erfüllen. Röhms Unmutsäußerungen nach dieser Entscheidung wurden Hitler hinterbracht.

Quellen

Simon Ganahl: „Natur! Natur!“ Die „Zweite Revolution“ in der „Dritten Walpurgisnacht“ von Karl Kraus. In: Weimarer Beiträge 57 (2011), H. 3, S. 325–344,
Peter Longerich: Geschichte der SA. München: C. H. Beck 2003 (= beck'sche reihe), S. 179–205

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...nd »jene getarnten bolschewistischen Elemente, die von einer zweiten Revolution sprechen in einem Zeitpunkt, in dem das Volk und die Nation sich eben anschic...

Absatz 63

...tt berufenes Werkzeug empfinde. Doch die SA. — wie will sie nun vollbringen⁠ ⁠? Anders als begonnen⁠ ⁠? Nicht anders⁠ ⁠: ganz wie begonnen⁠ ⁠! Was immer sie ...

Absatz 64

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Kurt Tucholsky

Kurt Tucholsky war ein beredter Kritiker der Nationalsozialisten; sein Gedicht Deutschland, erwache wendete eine ihrer zentralen Parolen gegen sie, in Joebbels verspottete er den späteren Propagandaminister in Berliner Mundart, Hitler und Goethe ist ein ironischer Vergleich der beiden im Titel Genannten im Gewand eines Schulaufsatzes. Im schwedischen Exil (er lebte seit 1930 nicht mehr in Deutschland) verstummte er angesichts von Hitlers Machtübernahme, sein letzter Text in der Weltbühne erschien im Januar 1933. Im Mai wurden auch Tucholskys Bücher öffentlich verbrannt, am 23. August stand sein Name auf der ersten Ausbürgerungsliste; Ende 1935 starb er durch Suizid. Kraus, der Tucholskys jüngeres pazifistisches Engagement schätzte, hatte ihn indes wegen publizistischer Zugeständnisse sowie für seine Veröffentlichungen in ideologisch sehr unterschiedlich gelagerten Blättern kritisiert (siehe F 686, 61); wiederholt hatte er ihm darüber hinaus sein vergangenes Engagement für Kriegsanleihen sowie seine „Verulkung Rosa Luxemburgs“ vorgehalten (siehe etwa F 845, 23).

Quellen

Wolfgang Benz: Im Widerstand. Größe und Scheitern der Opposition gegen Hitler. München: C. H. Beck 2018, S. 25
Wilhelm Kühlmann (Hg.): Killy Literaturlexikon. Autoren und Werke des deutschsprachigen Kulturraumes. 2., vollst. überarb. Aufl. Bd. 11: Si – Vi. Berlin u. New York: de Gruyter 2011, darin: Anton Austermann: Eintrag „Tucholsky, Kurt“
Edward Timms: Karl Kraus. Apocalyptic Satirist. The Post-War Crisis and the Rise of the Swastika. New Haven u. London: Yale University Press 2005, S. 130–131

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...icht um einen Nobelpreis mit dem Tucholsky auf einem Scheiterhaufen brennen⁠ ⁠; aber wenn es jemals ein Schulbeispiel dafür gegeben hat, daß das Glück die Ga...

Absatz 10

...ar anschließend heißt es⁠ ⁠: Oppositionsliteraten wie Karl Kraus und Tucholsky, die immer nur ein »Nein« gegen andere und nie ein zukunftsträchtiges »Ja« aus...

Absatz 11

Registereintrag

Kurt Tucholsky

Quellen

Wolfgang Benz: Im Widerstand. Größe und Scheitern der Opposition gegen Hitler. München: C. H. Beck 2018, S. 25
Wilhelm Kühlmann (Hg.): Killy Literaturlexikon. Autoren und Werke des deutschsprachigen Kulturraumes. 2., vollst. überarb. Aufl. Bd. 11: Si – Vi. Berlin u. New York: de Gruyter 2011, darin: Anton Austermann: Eintrag „Tucholsky, Kurt“
Edward Timms: Karl Kraus. Apocalyptic Satirist. The Post-War Crisis and the Rise of the Swastika. New Haven u. London: Yale University Press 2005, S. 130–131

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...icht um einen Nobelpreis mit dem Tucholsky auf einem Scheiterhaufen brennen⁠ ⁠; aber wenn es jemals ein Schulbeispiel dafür gegeben hat, daß das Glück die Ga...

Absatz 10

...ar anschließend heißt es⁠ ⁠: Oppositionsliteraten wie Karl Kraus und Tucholsky, die immer nur ein »Nein« gegen andere und nie ein zukunftsträchtiges »Ja« aus...

Absatz 11

Registereintrag

Hermann Graf Keyserling und der Nationalsozialismus

Anfang der 1930er Jahre äußerte Hermann Graf Keyserling, Philosoph, Publizist und Gründer der Darmstädter „Schule der Weisheit“ (über die bzw. deren mediale Repräsentation Kraus mehrfach seinen Spott vergossen hatte, siehe etwa F 640, 117–126), scharfe Kritik am Nationalsozialismus: Eine Regierungsbeteiligung wäre katastrophal, die Vorstellung vom „nordischen“ Deutschen sei verfehlt, der Nationalsozialismus geistfeindlich. In einem zweiteiligen Artikel vom Februar 1933 – womöglich spielt Kraus auf diesen Text an – mahnt er zur Anerkennung der Vielfalt des deutschen Wesens, der NS-Rassekult müsse durch höheres Ethos überwunden werden (DAZ vom 19. und 20. Februar). In Briefen an Regierungsmitglieder betonte er seine eigene überpateiliche Rolle und bot sich an, diese im Sinne Deutschlands auszuüben. Seine prominente Stellung zog jedoch in der NS-Zeit lautstarke Proteste nach sich, zudem schwand die Nachfrage nach seinen Büchern und Vorträgen. Seine öffentlichen Auftritte, Auslandsreisen und die Publikation seiner Schriften wurden in den folgenden Jahren vielfach verboten und behindert, kurzzeitig wurde Keyserling sogar ausgebürgert. Seine „Schule der Weisheit“ bestand unter erschwerten Bedingungen vorerst inoffiziell weiter. Noch 1936 reisten zu einem nicht-öffentlichen Vortrag in Hamburg 700 Hörer:innen an.

Quellen

Ute Gahlings: „An mir haben die Nazis beinahe ganze Arbeit geleistet“. Über den Umgang der Nationalsozialisten mit Hermann Graf Keyserling. In: Deutsche Autoren des Ostens als Gegner und Opfer des Nationalsozialismus. Beiträge zur Widerstandsproblematik. Hg. v. Frank-Lothar Kroll. Berlin: Duncker & Humblot 2000 (= Literarische Landschaften, Bd. 3), S. 47–74, S. 53–69

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So, jetzt weiß ichs, in: Die Fackel Nr. 640–648 vom Januar 1924

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...e Fortbildung der deutschen Kultur bloß um rund tausend Jahre zurückgehen will. Mit solchen Lappalien gibt sich Benn gar nicht erst ab. Er läßt sogar das Dil...

Absatz 19

Registereintrag

Proteste von Seiten der gelehrten Welt

Von den hier von Kraus genannten Gelehrten legten der Physiknobelpreisträger James Franck und der (hier wahrscheinlich gemeinte) Physiker Otto Stern (der später ebenfalls den Nobelpreis erhalten sollte), beide jüdischen Glaubens, ihre Professuren in Göttingen respektive Hamburg aus Protest gegen die Geschehnisse in Deutschland nieder. Davor war fast die gesamte Arbeitsgruppe Steins am Institut für physikalische Chemie dem Berufsbeamtengesetz zum Opfer gefallen. Beide Forscher verzichteten auf die Geltendmachung der auf sie zutreffenden Ausnahmeregelung für Kriegsteilnehmer. Franck und Stern emigrierten in die USA. In einem Artikel in der Deutschen Allgemeinen Zeitung äußerte sich der Psychologe Wolfgang Koehler kritisch zur Entlassung jüdischer Gelehrter; 1935 emigrierte auch er in die USA. Max Planck jedoch blieb in Deutschland und lehnte Proteste gegen die nationalsozialistische Wissenschaftspolitik mehrmals als zwecklos ab. Als Sekretär der Preußischen Akademie nahm er das freiwillige Ausscheiden des missliebig gewordenen Albert Einstein erleichtert zur Kenntnis. In seiner Rede vor der Hauptversammlung der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft beschwor er die „Zusammenballung“ aller Kräfte zur Unterstützung von Hitlers neuem Staat – ehrte jedoch zugleich die Leistungen jüdischer Gelehrter und forderte ungehinderte Arbeitsmöglichkeiten für sie; 1935 veranstaltete er eine Gedenkfeier für den im Exil verstorbenen jüdischen Kollegen Fritz Haber.

Quellen

Ernst Peter Fischer: Der Physiker. Max Planck und das Zerfallen der Welt. München: Siedler 2007, S. 245–261
Georg-August-Universität Göttingen: Göttingens kluge Köpfe. URL: https://www.uni-goettingen.de/de/göttingens+kluge+köpfe/76052.html, darin: Eintrag „James Franck, Physik (1882 bis 1964)“ bzw. „Protest gegen die Entlassung jüdischer Wissenschaftler“. URL: https://www.uni-goettingen.de/de/james+franck%2c+physik+%281882+bis+1964%29/187291.htmlbzw. https://www.uni-goettingen.de/de/protest+gegen+die+entlassung+jüdischer+wissenschaftler/85669.html
Horst Schmidt-Böcking u. Karin Reich: Otto Stern. Physiker, Querdenker, Nobelpreisträger. Frankfurt am Main: Societäts-Verlag 2011 (= Gründer, Gönner und Gelehrte. Biographienreihe der Goethe-Universität Frankfurt am Main), S. 138–145
Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften und Bayerische Staatsbibliothek: Deutsche Biographie. URL: https://www.deutsche-biographie.de/home, darin: Rudolf Bergius: Eintrag „Köhler, Wolfgang“. 1980. URL: https://www.deutsche-biographie.de/sfz43694.html

Ereignisse

Rücktritt des Physikers James Franck Protest Professor Wolfgang Köhlers Max Plancks Rede vor der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft Rücktritt des Physikers Otto Stern

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...t, sind Gelehrte wie Frank und Stein, Planck und Koehler mutig aufgestanden⁠ ⁠; gegen den Auftrag einer heroischen Orientierung der Musen haben sich Künstler...

Absatz 25

Registereintrag

Deutsche ‚Sprachpflege‘

In der Folge der deutschen Reichsgründung 1871 wurde die deutsche Sprache zum Nationalsymbol erhoben; der von offiziellen und halboffiziellen Stellen betriebene deutsche Sprachpurismus diente als integratives Moment, das sich gegen den Außenfeind – vor allem Frankreich – richtete. Der dieser Zeit entstammende Allgemeine deutsche Sprachverein war publizistisch sehr aktiv; sein Ziel war die ‚Reinigung‘ der deutschen Sprache von fremden Elementen. Indes verzeichnete er seine eigentlichen Erfolge in der Verbreitung nationalistischen Gedankenguts; den Ersten Weltkrieg begrüßte er dementsprechend als willkommenen Anlass zur ‚Entwelschung‘. Die Anfang der zwanziger Jahre rückgängigen Mitgliederzahlen waren bis 1930 mehr als wettgemacht. Weiterhin betrieb der Verein nationalistische und antidemokratische Hetze, das NS-Regime begrüßte er. Pikanterweise kritisierte er in seiner Vereinszeitschrift in den frühen Jahren auch Hitlers Gebrauch von Fremdwörtern. Nach Erlass der Nürnberger Gesetze argumentierte er auch antisemitisch, etwa gegen die vermeintlich jüdische Vorliebe für Abkürzungen – die jedoch gerade in der NS-Diktion weit verbreitet waren. Karl Kraus formulierte seine Ansicht zu den Bemühungen um die ‚Reinheit‘ der Sprache während des Ersten Weltkriegs unter anderem so: „Wenn die Herren, die die große Zeit, anstatt sie mit Sprachreinigung zu vertun, lieber darauf verwenden wollten, ihren Mund zu reinigen, so wären die Voraussetzungen für eine spätere internationale Verständigung vielleicht gegeben. […] Sie verstehen ihre eigene Sprache nicht, und so würden sie es auch nicht verstehen, wenn man ihnen verriete, daß das beste Deutsch aus lauter Fremdwörtern zusammengesetzt sein könnte, weil nämlich der Sprache nichts gleichgültiger sein kann, als das Material, aus dem sie schafft.“ (F 413, 43)

Quellen

Peter von Polenz: Deutsche Sprachgeschichte vom Spätmittelalter bis zur Gegenwart. Band III: 19. und 20. Jahrhundert. Berlin u. a.: de Gruyter 1999, S. 268–279

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Hier wird deutsch gespuckt, in: Die Fackel Nr. 413–417 vom Dezember 1915

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...Krieg durch eine rigorose »Eindeutschung« bestraft wurde. Der Monsieur als Titel ist eo ipso auf den Herrn herabg...

Absatz 27

...emandem die Treue gehalten. Ein Mann ein Wort⁠ ⁠; aber nur kein Fremdwort mehr, sie wollen es nicht lassen stan⁠ ⁠: . . Träger der Staatsgewalt, beziehungswe...

Absatz 41

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Offenbach im ‚Dritten Reich‘

Die in Absatz 12 der Dritten Walpurgisnacht zitierte Zeitungsmeldung ist auf den Rundfunk bezogen und konnte noch nicht identifiziert werden. In den ersten Jahren des NS-Regimes kann ganz allgemein von einem Verbot Offenbachs oder einem Ausbleiben von Offenbach-Inszenierungen keine Rede sein: Für 1933/34 sind an zahlreichen deutschen Häusern Offenbach-Inszenierungen zu verzeichnen – und das, obwohl Offenbach als Jude und aufgrund seines „zersetzenden“ Wirkens stark angefeindet wurde. Zu wichtig war das Genre der Operette in finanzieller Hinsicht, zu einschneidend wäre eine ‚Bereinigung‘ im Sinne der NS-Ideologie gewesen; auf der ersten Verbotsliste von 1935 schien Offenbach zudem noch nicht auf. Danach wurde Offenbach vom Jüdischen Kulturbund (bis zu dessen Auflösung im September 1941) noch etwa 100 Mal im Rahmen von geschlossenen Vorstellungen aufgeführt. Für Ostern 1945 ist eine Inszenierung von Hoffmanns Erzählungen im KZ Theresienstadt belegt.

Quellen

Ingrid Grünberg: „Wer sich die Welt mit einem Donnerschlag erobern will …“. In: Hanns-Werner Heister u. Hans-Günter Klein: Musik und Musikpolitik im faschistischen Deutschland. Frankfurt am Main: Fischer-Taschenbuch-Verlag 1984, S. 227–242
Matthias Kauffmann: Operette im Dritten Reich. Musikalisches Unterhaltungstheater zwischen 1933 und 1945. Neumünster: von Bockel 2017 (= Musik im ‚Dritten Reich‘ und im Exil, Bd. 18), S. 71–78
Thomas Schipperges: Offenbach – Antisemitismus – Nazismus. Zu einigen Topoi der Rezeption. In: Das (Musik-)Theater in Exil und Diktatur. Vorträge und Gespräche des Salzburger Symposions 2003. Hg. v. Peter Csobádi u. a. Anif u. Salzburg: Mueller-Speiser 2005 (= Wort und Musik. Salzburger akademische Beiträge, Bd. 58), S. 314–330, S. 326
Stephan Stompor: Die Offenbach-Renaissance um 1930 und die geschlossenen Vorstellungen für Juden nach 1933. In: Offenbach und die Schauplätze seines Musiktheaters. Hg. v. Rainer Franke. Laaber: Laaber 1999 (= Thurnauer Schriften zum Musiktheater, Bd. 17), S. 257–266, S. 259–266

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... bereits ein praktischer Erfolg erzielt⁠ ⁠: Offenbach in Deutschland verboten. Die Leitung des deutschen Rundfunks hat die Weisung erhalten, keine Werke von...

Absatz 12

...i einer Rundfrage des Theaters in Erfurt bekam Offenbach mehr Stimmen als Johst. Nichts als Pech, nichts als Mißverständnisse, die Einheimischen halten die F...

Absatz 59

Registereintrag

Kraus „bei der Sozialdemokratie untendurch“

Trotz zeitweiser Nähe in der Vergangenheit war das Verhältnis zwischen Sozialdemokratie und Karl Kraus 1933 schon jahrelang von Konflikten geprägt. Hatte sich Kraus wegen der Katastrophe um den Justizpalastbrand 1927 noch solidarisch mit der Partei gezeigt, sah er ihr zwei Jahre später umso weniger nach, dass sie mit Johann Schober, dem Hauptverantwortlichen für dieses Massaker an ihrer Anhängerschaft, politisch zusammenarbeitete. Schon davor hatte Kraus der Partei Verbürgerlichung vorgeworfen, auch kritisierte er etwa die Anzeigenpraxis des Parteiblattes, der Arbeiter-Zeitung. Seine Gefolgsleute innerhalb der Partei forderte er zum parteiinternen Widerstand auf. Im Gegenzug wurde Kraus’ politische Position in der Partei viel diskutiert, in kulturellen Belangen wurde er attackiert bzw. totgeschwiegen. Im in der Fackel vom Oktober 1932 publizierten Text Hüben und Drüben forderte er seine Anhänger (die sich zwischenzeitlich in der kurzlebigen ‚Vereinigung Karl Kraus‘ zusammengefunden hatten) zum Austritt auf, der Partei hielt er erneut Verbürgerlichung und Heuchelei vor; sie trage die Schuld am Niedergang des politischen Lebens sowie am Aufstieg des Nationalsozialismus.

Quellen

Werner Anzenberger: Parteipolitik. In: Karl Kraus-Handbuch. Leben, Werk, Wirkung. Unter Mitarb. v. Isabel Langkabel u. Johannes Knüchel hg. v. Katharina Prager u. Simon Ganahl. Berlin: Metzler 2022, S. 303–318, S. 311–315
Alfred Pfabigan: Karl Kraus und der Sozialismus. Eine politische Biographie. Wien: Europaverlag 1976, S. 288–334
Florian Wenninger: Genosse ex negativo? Hypothesen zum Verhältnis von Karl Kraus und der österreichischen Sozialdemokratie. In: Geist versus Zeitgeist. Karl Kraus in der Ersten Republik. Hg. v. Katharina Prager. Wien: Metroverlag 2018, S. 60–79,

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Hüben und Drüben, in: Die Fackel Nr. 876–884 von Mitte Oktober 1932

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...altung betrifft, so wird sie, weil ich bei der Sozialdemokratie untendurch bin, vielleicht aus dem Wunsch erklärlich, bei den Christlichsozialen obenauf zu s...

Absatz 52

Registereintrag

Die illustrierte Presse

Den Prototyp der illustrierten Massenpresse – die Berliner Illustrirte Zeitung – gab es in Deutschland seit 1891, dennoch dauerte es bis zum Vorabend des Ersten Weltkriegs, bis illustrierte Zeitschriften langsam zur Konkurrenz der klassischen Tagespresse herangewachsen waren – die im Gegenzug ihrerseits Bildbeilagen publizierte. Während der Erste Weltkrieg den Fortschritt des Rundfunks beschleunigt hatte, erlitt die Weiterentwicklung der illustrierten Presse durch ihn eine starke Eindämmung. Erst nach Überwindung der Hyperinflation 1923 kann man in Deutschland vom ‚goldenen Zeitalter‘ der Illustrierten sprechen: Ab 1924 wurden zahlreiche illustrierte Zeitschriften gegründet, früh folgten außerdem Publikationen aus den verschiedenen politischen Lagern. Von 1925 bis 1931 verdoppelte sich die Auflage der Illustrierten in Deutschland auf ca. 5,3 Millionen.

Der Zugriff des NS-Regimes auf die Pressefotografie erfolgte relativ schnell: Mitte Juni 1933 wurden die Berufsverbände zum „Reichsverband Deutscher Bildberichterstatter“ zusammengefasst, ab August kontrollierte dieser die Berufsausübung. In den Pressekonferenzen des Propagandaministeriums war ab Juli 1933 immer wieder auch die Pressefotografie Gegenstand der Reglementierung; für die Bildberichterstattung aus den Konzentrationslagern wurden seit der Gründung des Propagandaministeriums im März nur noch gestellte Aufnahmen zugelassen; Ziel war es, der sogenannten ‚Greuelpropaganda‘ in der ausländischen Presse kein Material zu liefern.

Quellen

Konrad Dussel: Pressebilder in der Weimarer Republik: Entgrenzung der Information. Berlin: Lit 2012 (= Kommunikationsgeschichte, Bd. 29), S. 28–60
Irene von Götz u. Christoph Kreutzmüller: Spiegel des frühen NS-Terrors. Zwei Foto-Ikonen und ihre Geschichte. In: Fotogeschichte 34 (2014), H. 131. URL: https://www.fotogeschichte.info/bisher-erschienen/hefte-126-149/131/goetz-kreutzmueller-fotografie-ns-terror/,
Rudolf Stöber: Deutsche Pressegeschichte. Von den Anfängen bis zur Gegenwart. 2., überarb. Aufl. Konstanz: UVK 2005, S. 269–270
Bernd Weise: Pressefotografie als Medium der Propaganda im Presselenkungssystem des Dritten Reiches. In: Diethart Kerbs (Hg.): Zur Geschichte der Pressefotografie 1930–36. Die Gleichschaltung der Bilder [Ausstellungskatalog]. Berlin: Frölich und Kaufmann 1983, S. 141–155, S. 144–151

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...zelaktionen, die geeignet wären, der Außenwelt ein falsches Bild zu vermitteln. Formulare für die Bestätigung, daß einem Gefolterten nichts passiert sei, sin...

Absatz 15

...ischen Möglichkeiten des Rundfunks und der optischen einer illustrierten Presse das Bewußtsein der Absurdität beibringt, die ihrem kulturellen Dasein nunmehr...

Absatz 46

Registereintrag

Die illustrierte Presse

Quellen

Konrad Dussel: Pressebilder in der Weimarer Republik: Entgrenzung der Information. Berlin: Lit 2012 (= Kommunikationsgeschichte, Bd. 29), S. 28–60
Irene von Götz u. Christoph Kreutzmüller: Spiegel des frühen NS-Terrors. Zwei Foto-Ikonen und ihre Geschichte. In: Fotogeschichte 34 (2014), H. 131. URL: https://www.fotogeschichte.info/bisher-erschienen/hefte-126-149/131/goetz-kreutzmueller-fotografie-ns-terror/,
Rudolf Stöber: Deutsche Pressegeschichte. Von den Anfängen bis zur Gegenwart. 2., überarb. Aufl. Konstanz: UVK 2005, S. 269–270
Bernd Weise: Pressefotografie als Medium der Propaganda im Presselenkungssystem des Dritten Reiches. In: Diethart Kerbs (Hg.): Zur Geschichte der Pressefotografie 1930–36. Die Gleichschaltung der Bilder [Ausstellungskatalog]. Berlin: Frölich und Kaufmann 1983, S. 141–155, S. 144–151

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...zelaktionen, die geeignet wären, der Außenwelt ein falsches Bild zu vermitteln. Formulare für die Bestätigung, daß einem Gefolterten nichts passiert sei, sin...

Absatz 15

...ischen Möglichkeiten des Rundfunks und der optischen einer illustrierten Presse das Bewußtsein der Absurdität beibringt, die ihrem kulturellen Dasein nunmehr...

Absatz 46

Registereintrag

„Beschmutzung“ Goethes

Goethe gehörte von Beginn an zu den meistzitierten Autoren der Fackel; Kraus sah ihn als Repräsentanten seines ‚Ursprungs‘-Gedankens, Goethes Werk ist einer der zentralen Referenzpunkte von Kraus’ Sprachbegriff. Auch bildete über sämtliche Jahrgänge die Verunstaltung seiner Dichtung bzw. die Verunreinigung seines Andenkens durch den bürgerlichen Kulturbetrieb einen dauernden Stein des Anstoßes für Kraus. Die angemaßte Goethe-Nachkommenschaft geißelte er etwa bei Hugo von Hofmannsthal oder Hermann Bahr; in der Fackel sowie in den Letzten Tagen der Menschheit thematisierte er die populären Verballhornungen von Wandrers Nachtlied. Anlässlich des Vortrags Richard Beer-Hofmanns zum Goethe-Jubiläumsjahr 1932, den die Ravag sendete und die Neue Freie Presse abdruckte, gab Kraus in »An der Schwelle des Goethe-Jahres« seine Vorbehalte gegen die (bildungs-)bürgerliche Goethe-Aneignung noch einmal in komprimierter Form wieder (dazu Seitenhiebe auf Beer-Hofmanns Iphigenie- und Faust-Inszenierungen) und setzte ihm seine Goethe-Feier bei den Tschechen entgegen, in dem er seinen Vortrag von Goethes Pandora an der Prager Universität sowie die Prager Pressereaktionen darauf dokumentierte.

Quellen

Kurt Krolop: Ebenbild und Gegenbild. Goethe und „Goethes Volk“ bei Karl Kraus. In: Ders.: Sprachsatire als Zeitsatire bei Karl Kraus. 2. Aufl. Berlin: Akademie Verlag 1992, S. 192–209, S. 197–201, S. 205–206
Isabel Langkabel: Die Sprache. In: Karl Kraus-Handbuch. Leben, Werk, Wirkung. Unter Mitarb. v. Isabel Langkabel u. Johannes Knüchel hg. v. Katharina Prager u. Simon Ganahl. Berlin: Metzler 2022, S. 245–255, S. 247–248
Gerald Stieg: Goethe als Maßstab der Ästhetik und Polemik von Karl Kraus. In: Karl Kraus – Ästhetik und Kritik. Beiträge des Kraus-Symposiums Poznań. Hg. v. Stefan H. Kaszyński u. Sigurd Paul Scheichl. München: edition text + kritik 1989, S. 71–81., S. 71–74

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...rgötzungen der Bürgerwelt an Bekessy entgegentrat wie der Beschmutzung Goethes, vor allem aber auch der Verwendung von Schillerzitaten für Italienreisende, f...

Absatz 11

Registereintrag

Posten für die Verwandten nationalsozialistischer Politiker

Hans Goebbels, bisher Abteilungsleiter bei der Rheinland-Versicherung, wurde im Mai 1933 (vorerst: kommissarischer) Generaldirektor der Provinzial-Versicherungsanstalten. Ein persönliches Eingreifen seines Bruders Joseph Goebbels war dazu wohl nicht nötig, aufgrund politischer Opportunität war er schlicht der naheliegendste Kandidat. Hans Franks Vater war wegen zahlreicher Vergehen 1925 aus der Rechtsanwaltskammer ausgeschlossen worden; sobald er bayrischer Justizminister war, ließ Frank die Streichung rückgängig machen. Im Fall Baldur von Schirachs kann zumindest für seinen Vater Charles Bailey von Schirach festgestellt werden, dass er Profiteur des Umsturzes war: Von 1908 bis 1919 war er Generalintendant des Großherzoglichen Hoftheaters in Weimar gewesen, eine Stellung, für die er anscheinend wenig Eignung hatte. 1933 wurde er Generalintendant des Deutschen Theaters in Wiesbaden; Goebbels attestierte ihm später in seinen Tagebüchern Erfolglosigkeit. (Die in der Presseberichterstattung ebenfalls erwähnte Schwester Schirachs, Rosalind von Schirach, hatte hingegen 1933 schon ein Engagement an der Deutschen Oper Berlin, und zwar seit 1930.)

Quellen

Ernst Klee: Das Kulturlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. Überarb. Ausg. Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch 2009, darin: Eintrag „Schirach, Carl von“, S. 474
K. J. Kutsch u. Leo Riemens: Großes Sängerlexikon. 4., erw. u. akt. Aufl. Bd. 4. München: K. G. Saur 2003, darin: Eintrag „Schirach, Rosalind von“, S. 4208
Manfred Müller: Im Schatten „Grandgoschiers“. Generaldirektor Hans Goebbels, Bruder des Reichspropagandaministers. Aschau im Chiemgau: Brienna 1994, S. 16–19, 29–30
Oliver Rathkolb: Schirach. Eine Generation zwischen Goethe und Hitler. Wien u. Graz: Molden 2020, S. 15, 22
Dieter Schenk: Hans Frank. Hitlers Kronjurist und Generalgouverneur. Frankfurt am Main: Fischer 2006, S. 42–43

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...twas Geringfügiges angestellt hatte, rehabilitiert, Schirachs Familie versorgt, und jeder hat wenigstens seinen Vetter befördert, wenn’s nicht die Tante weg...

Absatz 63

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Das Neue Wiener Journal

Das Neue Wiener Journal, herausgegeben von Jakob Lippowitz, war ein seichtes Konversationsblatt, politisch vor allem antimarxistisch eingestellt und 1933 Fürsprecherin der Dollfuß-Diktatur sowie der Repressionen gegen die – linke – Presse. Für den neunzehnjährigen Kraus war die damals neue Zeitung noch als möglicher Brotgeber in Betracht gekommen; schon in den Anfangsjahren der Fackel allerdings handelte sie sich durch pietätlose Berichterstattung angesichts der tödlichen Erkrankung seiner Geliebten Annie Kalmar Kraus’ Feindschaft ein (vgl. F 107, 15–24). In diesem Zeitraum setzte auch Kraus’ Kritik daran ein, dass das Neue Wiener Journal gewohnheitsmäßig und in großem Stil plagiierte – Kraus zufolge sei die „Schere des Herrn Lippowitz“ der „eigentlich einzige belletristische Mitarbeiter“ des Blattes (F 105, 25). In der Ersten Republik schlug sich die Zeitung zudem auf die Seite der Heimwehren und unterstützte Kraus’ Gegner Johann Schober auf dem Weg zur Kanzlerschaft; ihre rechte bzw. völkische Ausrichtung kontrastierte Kraus mit der jüdischen Herkunft ihres Herausgebers (vgl. F 820, 2–14).

Quellen

Kurt Paupié: Handbuch der österreichischen Pressegeschichte 1848–1959. Bd. 1: Wien. Wien: Braumüller 1960, darin: Eintrag „Neues Wiener Journal“, S. 155–157
Max Rychner: Ein Brief des neunzehnjährigen Karl Kraus. In: Forum 6 (1959), H. 64, S. 151–152,
Edward Timms: Karl Kraus. Apocalyptic Satirist. The Post-War Crisis and the Rise of the Swastika. New Haven u. London: Yale University Press 2005, S. 466

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...en Schönheiten war. An der natürlichen Verworfenheit des Neuen Wiener Journals, an dem Hang, Tatbestände zu verleugnen, zu verschweigen, im Notfall zu verfäl...

Absatz 23

Registereintrag

Das Neue Wiener Journal

Quellen

Kurt Paupié: Handbuch der österreichischen Pressegeschichte 1848–1959. Bd. 1: Wien. Wien: Braumüller 1960, darin: Eintrag „Neues Wiener Journal“, S. 155–157
Max Rychner: Ein Brief des neunzehnjährigen Karl Kraus. In: Forum 6 (1959), H. 64, S. 151–152,
Edward Timms: Karl Kraus. Apocalyptic Satirist. The Post-War Crisis and the Rise of the Swastika. New Haven u. London: Yale University Press 2005, S. 466

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...en Schönheiten war. An der natürlichen Verworfenheit des Neuen Wiener Journals, an dem Hang, Tatbestände zu verleugnen, zu verschweigen, im Notfall zu verfäl...

Absatz 23