125.49 Brief Samek an Frankfurter Städtisches Schauspielhaus

Materialitätstyp:

  • Durchschlag

Sender

Oskar Samek
Schottenring
Wien
Datum: 5. Dezember 1931
Betreff: Kraus – Frankfurter städt. | Bühnen.
Diktiersigle: Dr.S/Fa.

Empfänger

An: die | Schauspielintendanz der städtischen Bühnen
Hochstrasse Nr. 46
Frankfurt am Main.
Seite von 6

Sehr geehrter Herr Intendant!

Ich habe mit Theatern alles mög-liche und unmögliche erlebt, aber noch niemals war ich in einer Situation, diemit der jetzigen nur annähernd vergleichbar wäre. Sie sagen,dass Sie darüber erstaunt seien, von mir das Schreiben vom17. November erhalten zu haben. Mit ungleich mehr Recht mussich darüber erstaunt sein, dass Sie Ihren Brief vom 12. März 1931 so verstanden wissen wollen, dass Sie die „Unüberwindlichenin der nächsten Spielzeit“ offenbar zu einem Ihnen beliebigenTermine aufführen dürfen. Wenn ich zu Ihrer Entschuldigungnicht noch annehmen könnte, dass der Verfasser des Briefes vom23. November 1931 nicht Sie sind und ein anderer ohne die vor-herige Korrespondenz zu lesen ihn nur auf Grundlage Ihres Briefes vom12. März verfasst hat, müsste ich daran denken, dass Sie do-loser Weise schon bei der Abfassung des Briefes vom 12. März dieWorte „in der nächsten Spielzeit“ verwendet haben, um gegebenen-falls Ihre Verpflichtungen hinauszuschieben. Nach der ganzen vor-herigen Korrespondenz ist es aber doch klar, dass die Worte „inder nächsten Spielzeit“ nichts anderes zu bedeuten hatten, alsdie Entscheidung, ob die Aufführung noch in der Spielzeit 1930/31oder zu dem Termin der Spielzeit 1931/32 stattfinden sollte, wo-

rüber in der ganzen früheren Korrespondenz verhandelt wurde.

Nach dem ursprünglichen Vertrag vom 23. Mai 1929 hatten Sie das Werk in der Spielzeit 1929/30 aufzuführen. Nachdemteilweise vom Verlag „Die Fackel“, teilweise von mir im Jahre1929 und im Jahre 1930 wiederholt verlangt worden war, dass derAufführungstermin bekanntgegeben werde, erhielten wir zuerstüberhaupt keine Antwort und dann endlich am 2. Juni 1930 die Bitte,das Stück im Winter, in der guten Theaterzeit der Saison 1930/31herausbringen zu dürfen, mit der Begründung, dass die Spielzeitbei Ihnen am 17. Juli schliesse, mit einem kleinen Teil des Per-sonals allerdings damals bis Ende Juli weitergespielt werde, mitdiesen wenigen Schauspielern aber das Werk von Karl Kraus nichtaufzuführen sei. Ueberdies müsse man mit Rücksicht auf die finanzi-ell enorm schwierige Lage des Theaters in der warmen Zeit leichteUnterhaltungsstücke spielen. Ich beantwortete diesen Brief am13. Juni 1930 und verlangte zuerst die Aufführung in der Zeit vom15. September bis Ende November 1930. Als Sie dann mit Brief vom28. Juni 1930 baten, den Endtermin auf spätestens 28. Februar 1931festzusetzen, wurde Ihnen mit Brief vom 11. Juli 1930 diese Bewil-ligung erteilt. Im Verlaufe dieser Korrespondenz wurde die Kon-ventionalstrafe auf 2.000 Mark erhöht. Am 22. Dezember 1930 nunbat ich Sie, mir sofort mitzuteilen, für welchen Zeitpunkt biszum Ablauf der vertraglichen Frist (28. Februar 1931) Sie die Pre-miere der „Unüberwindlichen“ ansetzen wollten, da Herr Kraus, deran den letzten Proben teilnehmen müsse, überdies in Verbindungmit der Aufführung, Vorlesungen in Frankfurt plane. Am 16. Januar1931 beantworteten Sie diesen Brief damit, dass Sie behaupteten,Sie seien im Augenblicke mit Rücksicht auf die veränderte wirt-schaftliche und politische Situation nicht in der Lage, das Stück zu spielen. Sie bäten, mit der Aufführung des Werkes bis zum

Abschluss der Etatberatungen zuzuwarten, und schlugen aus die-sem Grunde einen Termin im Laufe des Monates Mai vor. Ich ant-wortete Ihnen darauf mit Schreiben vom 30. Januar 1931, dasseine Verschiebung bis zum Mai, der schon eine äusserst un-günstige Theaterzeit ist, nicht möglich sei; als letzter Terminkäme Mitte April in Betracht. Ueberdies verlangte ich einenvollstreckbaren Notariatsakt, wonach das vereinbarte Pönalevon 2.000 Mark am 16. April ohne Rechtsweg zu zahlen gewesenwäre, wenn die Aufführung bis 15. April nicht stattgefundenhabe; ferner die Erklärung, dass der Aufführungsvertrag unbe-rührt bleibe und dass trotz Zahlung des Pönales die Aufführungin der Zeit vom 1. Oktober bis 15. Dezember 1931 stattfindenwerde. Diesen Brief vom 30. Januar 1931 ergänzte ich noch vorEmpfang einer Antwort am 3. Februar 1931 dahin, dass die Auf-führung, wenn sie nicht bis 15. April 1931 erfolge, dann trotzZahlung des Pönales in der Zeit vom 1. Oktober bis 31. Dezember,nicht aber in der Zeit zwischen 8. und 21. Dezember 1931, statt-finden müsse. Am 9. Februar 1931 antwortete Ihr Vertreter, dassder Regisseur des Stückes erkrankt sei und dass Sie deshalbbitten liessen, sich noch einige Tage zu gedulden. Sie müsstenwegen der genauen Festsetzung des Aufführungstermines mit demRegisseur eine Unterredung über die Festlegung der Probenhaben und hofften, mir bald Nachricht zukommenlassen zu können.Diese Nachricht war vom 25. Februar 1931. Darin erklärten Sie,dass Sie im Prinzip damit einverstanden seien, das Stück biszum 15. April zu spielen, dass Sie aber bäten, nur für denäussersten Fall, als letzten Termin den 19. April zu gestatten.Ich erwiderte Ihnen am 3. März 1931, dass der Termin zwischen15. und 19. April für Herrn Karl Kraus unannehmbar sei, da er überdiese Zeit schon verfügt habe, und teilte Ihnen ferner mit, dass

wir Ihrer Situation Rechnung tragend, zu dem weiteren Entgegen-kommen bereit seien, in eine Verschiebung auf den Herbstterminzu willigen, vorausgesetzt, dass Sie die verlangte günstigeTheaterzeit garantieren. Ich verlangte ferner, dass Sie wegender vielfachen Vertrags- und Inszenierungsverpflichtungen desHerrn Kraus unbedingt den definitiven Aufführungstermin spä-testens zwei Monate vorher mitteilen und dass auch diese Ver-pflichtung unter die Sanktion der Konventionalstrafe gestelltwerde. Wenn Sie nun mit Schreiben vom 12. März 1931 den Erhaltmeines Schreibens vom 3. März bestätigen und sagen: „Wir er-klären uns damit einverstanden, Karl Kraus’ ‚Die Unüberwindlichenin der nächsten Spielzeit herauszubringen. Den definitiven Auf-führungstermin werden wir Ihnen zwei Monate vorher mitteilen.“,so kann dies unter anständigen Menschen nur so gedeutet werden,dass nunmehr der Vertrag auf Basis meines Briefes vom 3. März 1931 besteht. Denn die Worte Ihres Briefesin der nächsten Spielzeitwaren nur dahin zu verstehen, dass Sie nicht bis zum 15. April1931, sondern zu dem Terminder nächsten Spielzeit“, der ja inmeinem Brief angegeben war, die Aufführung veranstalten würden.Wenn Sie etwas anderes darunter verstanden hätten wissen wollen,so hätten Sie dies der Sachlage nach wohl mitteilen müssen, wo-durch uns das Recht offen gestanden wäre, die damals bereits ver-fallene Konventionalstrafe geltend zu machen. Nicht unerwähntbleiben darf, dass Sie in Ihrem Brief vom 12. März 1931 mitteil-ten, Sie würden im Herbst um freundliche Ueberlassung der Parti-tur nochmals bitten, eine Tatsache, die wohl zur Genüge beweist,wie sehr Sie sich damals bewusst waren, das Stück im Herbst auf-führen zu müssen. Ich muss also auf der Ansicht bestehen, dassSie Ihren Vertrag bereits gebrochen haben, da Sie, selbst wennSie das Stück noch bis 31. Dezember 1931 herausbrächten, das nicht

zwei Monate vorher mitgeteilt haben, und dass daher die verein-barte Konventionalstrafe von 2.000 Mark verfallen ist.

Wenn Sie daher einen Prozess vermeiden wollen,so ersuche ich Sie, die Vertragsstrafe und die inzwischen auf50 Rmk. angewachsenen Kosten binnen acht Tagen einzusenden.

Mit vorzüglicher Hochachtung

Rekommandiert.

Betr. KrausFrankfurter städt.Bühnen exp. 5.12.1931.